Was klingt wie ein Thriller, ist bittere Realität: Nur 60 chinesische Beamte können die gesamte deutsche Autoproduktion zum Erliegen bringen. Der Schlüssel liegt in den sogenannten "Seltenen Erden" – strategischen Rohstoffen, ohne die kein modernes Auto mehr produziert werden kann. Im Podcast „Der Autopreneur“ zeigt Philipp Raasch auf, wie China diesen unsichtbaren Hebel nutzt und warum sogar Donald Trump persönlich zum Hörer griff.
Das 60-Personen-Büro, das die Weltwirtschaft kontrolliert
Seit April hat China Exportkontrollen für sieben strategische Seltene Erden eingeführt. Was nach bürokratischem Kleinkram klingt, entpuppt sich als perfekt kalkulierte Machtdemonstration. "In der zuständigen chinesischen Behörde arbeiten gerade mal 60 Mitarbeiter. Nur drei davon dürfen Genehmigungen unterschreiben", erklärt Raasch die Situation.
Das Büro hat Öffnungszeiten wie ein Tante-Emma-Laden: "8:30 Uhr bis 11:30 Uhr morgens und nachmittags von 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr". Ein bewusst eingezogener Flaschenhals, vermutet der Experte. Das Ergebnis: Nur 25 Prozent der Anträge werden genehmigt, der Rest wird abgelehnt oder endlos verzögert.
Warum Trump 90 Minuten mit Xi telefonierte
Die Lage ist so ernst geworden, dass Donald Trump alle diplomatischen Hebel in Bewegung setzte. "Zum ersten Mal in seiner aktuellen Amtszeit haben die beiden telefoniert, und das für ganze 90 Minuten", berichtet Raasch über das außergewöhnliche Gespräch zwischen Trump und Xi Jinping. Das Thema: eben diese unscheinbaren, aber systemkritischen Rohstoffe.
Das schmutzige Geheimnis der grünen Revolution
Der Name "Seltene Erden" ist irreführend – es handelt sich um Metalle, die gar nicht so selten sind. "Das Problem ist nur, sie kommen fast nie in hoher Konzentration vor. Man muss praktisch tonnenweise Gestein abbauen, um kleine Mengen zu gewinnen", erklärt der Podcast-Host die Krux.
China kontrolliert 70 Prozent des weltweiten Abbaus und 90 Prozent der Verarbeitung. Bei den schweren Seltenen Erden sind es sogar 99,9 Prozent – praktisch ein Monopol. Der Grund ist simpel: "Pro Tonne seltene Erden entstehen bis zu 2000 Tonnen giftiger Abfall." Der Westen hat diese schmutzige Arbeit jahrzehntelang gerne nach China ausgelagert. Jetzt rächt sich das.
Warum moderne Autos ohne China nicht funktionieren
Diese Metalle sind für besonders starke Permanentmagnete unerlässlich, die bis zu fünfzehnmal stärker sind als normale Eisenmagnete. "Ein modernes Auto hat bis zu siebzig kleine Elektromotoren. Fast alle brauchen diese speziellen Magnete", verdeutlicht Raasch die Tragweite. Vom E-Motor über die Servolenkung bis zu Fensterhebern – ohne Seltene Erden steht die gesamte Autoproduktion still.
Die Industrie gerät in Panik
Die Auswirkungen sind bereits spürbar. "Die ersten Zulieferer haben schon reagiert. Es gibt wohl schon erste Produktionslinien, die stillstehen", warnt der VDA vor drohenden Produktionsstops. BMW spricht von betroffenen Teilen des Lieferantennetzwerks, Mercedes "prüft physische Puffer" – übersetzt: Man hamstert kritische Komponenten.
Ford musste bereits ein Werk in Chicago für eine Woche schließen. Der Grund: fehlende Magnete. Die Preise für Seltene Erden sind um 40 bis 50 Prozent gestiegen, Tendenz weiter steigend.
Die paradoxe Lösung: Zurück nach China
Manche Autobauer erwägen sogar, Teile der Produktion nach China zu verlagern – genau das Gegenteil dessen, was der Handelskrieg eigentlich bewirken sollte. "Wenn du einen Magneten exportieren willst, lassen sie dich nicht. Wenn du zeigen kannst, dass der Magnet in einem Motor in China verbaut ist, geht es", beschreibt ein Supply Chain Manager die absurde Logik.
Das Ende des freien Welthandels
Raasch zieht ein ernüchterndes Fazit: "Was wir hier erleben, ist mehr oder weniger das Ende des freien Welthandels. Zumindest so, wie wir ihn kennen." Die Ära der freien Märkte ohne staatliche Eingriffe existiere nicht mehr.
Europa braucht nach Ansicht des Experten ein komplettes Umdenken: "Wir müssen wegkommen vom Fokus auf kurzfristige Gewinne. Weg von der Fixierung auf die nächsten Quartalszahlen. Jetzt heißt es strategisch denken."
Die EU hat bereits reagiert und will bis 2030 zehn Prozent des Bedarfs aus heimischer Produktion decken. Doch Experten schätzen, dass es 15 bis 18 Jahre dauern würde, um genug Produktionskapazitäten außerhalb Chinas aufzubauen. "China hat 39 Universitäten mit Ausbildungsprogrammen für seltene Erden. Die USA haben null", verdeutlicht die Dimension der Abhängigkeit.
Raaschs Botschaft ist klar: "Die Kosten für mehr Sicherheit und Unabhängigkeit sind hoch, keine Frage. Aber wie die aktuelle Krise zeigt, die Kosten für Abhängigkeit können noch viel höher sein."
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