Fondsindustrie vor dem Kollaps? Ein Insider rechnet ab.

In der neuesten Folge von "Joachim Nareike sucht das Gespräch" sorgt Ferdinand Haas für explosive Aussagen. Der ehemalige DWS-Manager, Ex-BCA-Vorstand und heutige Geschäftsführer des Frankfurter Beratungshauses Portfolio Selection nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Zukunft der Fondsindustrie geht. Seine Diagnose ist vernichtend: "Dies ist ein katastrophales Modell aus Anlegersicht" - und er meint damit das gesamte Retrozessionssystem, das die Branche dominiert.

Die Ursünde der Fondsindustrie

Haas berichtet, was viele Anleger ahnen, aber nicht beweisen können: "Wir haben ein Entlohnungsmodell zugelassen, das verhindert, dass die Berater im Interesse der eigenen Kunden die Gebühren effizient nach unten schleusen." Das Ergebnis? Eine Schweizer Großbank kassiert beispielsweise 72 Prozent der Managementgebühr als Retrozession - während der Kunde die Zeche zahlt.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Wo institutionelle Investoren für vergleichbare Strategien knappe 20 Basispunkte zahlen, werden Privatanlegern 1,5 Prozent abgeknöpft. "Völlig unterschiedliche Bepreisungen" für identische Leistungen - das System ist aus den Fugen geraten.

Der Dammbruch durch ETFs

Paradoxerweise haben ausgerechnet passive ETFs den Wandel eingeleitet. "Der Dammbruch ist letzten Endes durch die passiven ETFs zustande gekommen", erklärt Haas. Da ETFs ein "komplett undifferenziertes Produkt" sind, entscheiden nur noch die Gebühren. Die Folge: MSCI World ETFs kosten heute nur noch fünf Basispunkte (0,05 Prozent).

Das Problem dabei? "Mittelzuflüsse sind zu über 100 Prozent bei Aktienfonds passiv" - neues Geld fließt ausschließlich in passive Produkte, während aktive Fonds ausbluten. Eine Entwicklung, die Haas als "wirklich tragische Entwicklung für die aktive Fondsindustrie" bezeichnet.

Appell an die Berater

Besonders eindringlich wendet sich Haas direkt an die Finanzberater: "Bitte, verbünden Sie sich nicht gegen Ihre Kunden. Das ist keine gute Idee. Langfristig wird es Ihr Geschäft zerstören." Stattdessen sollten sie günstige, gut gemanagte Produkte zu transparenten Preisen anbieten.

Die Lösung: Weg von prozentualen Gebühren

Haas' Reformvorschlag ist radikal und einfach zugleich: "Ich müsste verbieten, dass es Verträge gibt, die in Prozent der Managementvergütung ausgedrückt werden." Nur noch Vergütungen in festen Basispunkten sollten erlaubt sein. Das würde den Anreiz eliminieren, hohe Gebühren zu erhalten.

Performance-Fees: Fair oder kriminell?

Auch bei Performance-Gebühren sieht Haas schwarz-weiß: Während Staatsfonds faire Modelle mit Rückzahlungsverpflichtungen nutzen, seien die deutschen Varianten "aus meiner Sicht nichts anderes als kriminell". Gebührenstrukturen von "drei, vier Prozent im Jahr" ohne Ausgleichspflicht bei schlechter Performance nennt er beim Namen.

Optimismus trotz allem

Trotz aller Kritik bleibt Haas optimistisch: "Die Fondindustrie hat ein großartiges Potenzial, nutzen stiftend zu sein." Er sieht sogar positive Entwicklungen: Erstmals kaufen Menschen proaktiv Fonds, ohne Vertriebsdruck. "Das ist eine wundervolle Entwicklung und langfristig wird das sehr positive Folgen haben."

Seine Botschaft ist klar: Die Branche muss sich neu erfinden, bevor es zu spät ist. "Aktives Management in hoher Qualität bringt mehr Wert" - aber nur, wenn die Kostenstrukturen stimmen. Mit seiner eigenen Initiative will Haas zeigen, dass es anders geht: "Jeder soll was von einem Geschäft haben. Wenn es ein gutes Geschäft ist, hat jeder was davon."

Sobald Sie das Video starten werden Ihre Daten durch Youtube verarbeitet und entsprechende Cookies von Youtube gesetzt. Weitere Informationen...

Verfassen Sie den ersten Kommentar