Wie Versicherer Start-ups erfolgreich integrieren

In der aktuellen Folge des Digital Insurance Podcasts sind Johannes Rath von Signal Iduna und Jens Lapinski von Angel Invest zu Gast. Sie sprechen mit Jonas Piela über die strategische Zusammenarbeit zwischen etablierten Versicherern und innovativen Start-ups. Seit 2017 besteht zwischen den Unternehmen eine Partnerschaft, in der ein Traditionshaus erfolgreich den Spagat zwischen bewährten Geschäftsmodellen und disruptiven Technologien meistert.

Die Erfolgsgeschichte einer ungewöhnlichen Allianz

Die Zusammenarbeit zwischen Signal Iduna und Angel Invest begann 2017 mit der Gründung von "Signals", dem Innovationshub in Berlin. "Als wir 2016/2017 entschieden haben, uns sehr viel stärker auch anderen Ökosystemen gegenüber zu öffnen", erklärt Johannes Rath die Anfänge der Transformationsreise. Der Versicherer wagte sich bewusst aus seiner Komfortzone heraus.

Jens Lapinski, dessen Angel Invest heute "der aktivste Super Angel Fonds in Europa" ist und "ein bis zwei Investments pro Woche in sehr, sehr frühphasige europäische Technologiefirmen" tätigt, betont die Bedeutung echter Partnerschaft: "Wenn der Johannes anruft, dann geht der Jens dran." Diese persönliche Ebene der Zusammenarbeit zeigt sich als entscheidender Erfolgsfaktor.

Warum investieren statt einkaufen?

Eine zentrale Frage des Gesprächs: Warum sollten Versicherer in Start-ups investieren, anstatt fertige Lösungen einzukaufen? Rath liefert überzeugende Argumente: "Erstens geht es ja oft auch um Zugang. Man hat einfach eine andere Beziehung zu so einem Unternehmen. Es gibt auch Geschwindigkeit und es geht auch nicht nur darum, etwas zu suchen, sondern auch gefunden zu werden."

Ein praktisches Beispiel: Signal Iduna investierte in CoachUp, eine digitale Coaching-Plattform, die später während der Corona-bedingten Transformation des Unternehmens entscheidend wurde. "Wir haben in der Phase rund 200 neue Führungskräfte in Rollen gebracht, die alle remote waren und die Unterstützung brauchten", so Rath. Das Investment zahlte sich doppelt aus – finanziell und operativ.

KI als neuer Investitionsfokus

Die aktuelle Investmentstrategie von Angel Invest Fonds 3 konzentriert sich stark auf künstliche Intelligenz. "70 Prozent oder so der Investments sind KI fokussierte Investments", erklärt Lapinski. Dabei geht es nicht nur um oberflächliche KI-Integration: "Wenn ich irgendeine Firma baue, wo es eine starke Softwarekomponente gibt, da ist in jeder Softwarekomponente mittlerweile KI dran."

Besonders spannend wird es bei konkreten Anwendungen: Lapinski berichtet von einem Investment in ein Unternehmen, das KI in SAP-Umgebungen integriert. Das Problem kennt jeder SAP-Nutzer: "Jeder der eine SAP Installation hat, muss irgendwelche Berater reinholen, da hat man dann große Projekte, die dauern lange, die sind teuer."

Der deutsche Gründer hat eine KI-Lösung entwickelt, die dieses Problem radikal löst: "Das was sonst 18 Monate dauert, das habe ich hier programmiert, das ist jetzt schon fertig". Möglich wird dies durch moderne Hardware: "Die AI ist mittlerweile gut genug, selbst die zwei Nvidia Chips, die bei ihm im Schrank laufen, können die Arbeit vollziehen, on premise quasi, in seiner Wohnung."

Die Zukunft der Kundeninteraktion

Johannes Rath sieht besonders im Bereich der Sprachinteraktion revolutionäre Veränderungen kommen. Nach einem Besuch bei Eleven Labs prognostiziert er: "Das Thema Sprache und Sprachportal, wie wir es heute nennen, wird nochmal einen enormen Sprung haben, so wie wir uns auch nicht vorstellen konnten, täglich mit einem Chat-GPT oder mit einem Gemini zu interagieren."

Für Signal Iduna, das „mehrere Millionen Anrufe“ verzeichnet, könnte dies einen entscheidenden Unterschied machen. Statt der bekannten "Drücken Sie die 3"-Menüs werden natürliche Unterhaltungen möglich, die Transaktionen direkt lösen können.

Technology Briefing Center als Wissensdrehscheibe

Ein innovativer Ansatz ist das gemeinsam aufgebaute Technology Briefing Center. "Wir haben drei Analysten eingestellt, die sich auf diese drei Themenbereiche fokussieren: KI, Fintech und Klima", erklärt Lapinski. Diese Experten publizieren vierteljährlich öffentliche Berichte und stehen großen Partnern wie Signal Iduna direkt zur Verfügung.

Das Zentrum verkörpert die neue Arbeitsweise: "Da steht ein großer runder Tisch zu Beginn, weil nicht wichtig ist, ob ich gerade Vorstand, CEO, Unternehmer oder Analyst oder Praktikant bin, sondern es geht darum, die relevanten Fragen unserer Zeit darauf Antworten zu finden."

Debattenfähigkeit als Erfolgsfaktor

Johannes Rath betont einen oft übersehenen Aspekt erfolgreicher Innovation: "Nicht sofort eine Meinung zu haben. Nur weil ich heute in einem Vorstand eines Versicherungsunternehmens sitze, habe ich ja jetzt nicht den besseren Blick darauf, wie die Welt irgendwie in Zukunft geht."

Diese Offenheit zahlt sich aus: Signal Iduna nutzt mittlerweile OKRs (Objectives and Key Results) für die Strategieumsetzung – ein direktes Ergebnis des Investments in WorkPath. "Wir operationalisieren unsere Konzernstrategie Momentum 2030 mit Hilfe von OKRs", so Rath.

Herausforderungen und Chancen

Die demografische Herausforderung ist real: "Bis 2030 gehen bei uns rund 30% unserer Belegschaft altersbedingt in den Ruhestand." Gleichzeitig wächst das Unternehmen und fokussiert sich auf "das deutsche Handwerk und den Handel" als Zielgruppe.

Die Lösung sehen beide Partner in der beschleunigten Adaption neuer Technologien. "Speed matters. Wir müssen von Erkenntnisgewinn in die Umsetzung einfach schneller werden", fasst Rath zusammen.

Praktische Erfolge im Portfolio

Die Investments zeigen bereits konkrete Erfolge: Way, ein Unternehmen für teleoperiertes Fahren, ermöglichte Signal Iduna den Einstieg in New Mobility-Versicherungen. "Wir waren eine Zeit lang glaube ich der größte New Mobility Versicherer", berichtet Rath stolz.

Besonders beeindruckend ist die Geschwindigkeit der aktuellen Investments: "In den letzten sechs Monaten haben wir 35 Investments gemacht" – eine Schlagzahl von ein bis zwei Investments pro Woche. Dabei geht es um sehr frühe Phasen: "Bei den letzten zwei oder drei Investments, die ich zugesagt habe, gab es die Firma noch gar nicht."

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