BVI-Chef: Gesetzgebung ohne Lobbyismus funktioniert nicht

Im Podcast von FONDS professionell spricht Gastgeber Joachim Nareike mit Thomas Richter, dem Hauptgeschäftsführer des BVI Bundesverband Investment und Asset Management. Der 58-Jährige gibt Einblicke in seine tägliche Lobbyarbeit, kritisiert die Überregulierung der Finanzbranche und erklärt, warum faule Kompromisse seiner Meinung nach zu viele Probleme verursachen.

Vom UNO-Vertrag zur Deutschen Börse

Thomas Richter kam durch puren Zufall in die Finanzbranche. Ursprünglich hatte er einen unterschriebenen Vertrag bei der UNO in Genf. "Ich sollte eigentlich im April '95 in Genf bei der UNO anfangen und ich war total glücklich. Das war ein super bezahlter Vertrag. Ich habe als Referendar 1600 Mark verdient. Ich habe bei der UNO als Einstiegsgehalt 9200 netto bekommen."

Doch sein Vater warnte ihn vor dem Proporzdenken der UNO und empfahl ihm eine Bewerbung bei der Deutschen Börse AG. "Dann haben sie sich so richtig ins Zeug gelegt und haben mich nach New York geschickt und Börsenhändlerlehrgang und all die Dinge." So begann eine Karriere, die ihn über die DWS schließlich zum BVI führte.

Lobbyarbeit: Urdemokratisch und notwendig

Richter verteidigt Lobbyarbeit als "urdemokratisch" und erklärt: "Ohne Lobbyismus würde die Gesetzgebung überhaupt nicht funktionieren." Er betont, dass alle Interessengruppen Lobbyisten seien – von Greenpeace bis zu Gewerkschaften. "Es gibt nichts Demokratischeres, als wenn die beteiligten Gruppen, die von einem Gesetz betroffen sind, vorher gehört werden."

Für erfolgreiche Lobbyarbeit seien Ehrlichkeit und Verlässlichkeit entscheidend. "Ich würde nie jemanden anlügen", betont der BVI-Chef. Dabei müsse man seine Argumente auch belegen können: "Es gibt viel zu viele Lobbyisten, die laufen rum mit irgendwelchen Statements und können sie nicht belegen."

Überregulierung als Hauptproblem

Richter kritisiert die Regulierungsdichte der letzten 15 Jahre scharf: "Wir haben inzwischen auch eine Überregulierung, die dringend beseitigt werden muss. Wir müssen da jetzt wirklich mit der Axt dran."

Die Zahlen sind beeindruckend: "In den letzten zehn Jahren haben die Amerikaner 3.500 Regeln aufgestellt und die EU fast 14.000. Also da haben wir als Europäer die Amis mal richtig outperformed."

Kleinanlegerrichtlinie: Ein fahrender Zug ohne Ziel

Besonders kritisch sieht Richter die geplante Kleinanlegerrichtlinie. "Also diese Kleinanlegerstrategie hatte einen entscheidenden Kern. Und der Kern dieser Kleinanlegerstrategie war ein Provisionsverbot. Alles andere ist dann da drum herum gestrickt worden."

Nachdem das Provisionsverbot politisch gescheitert sei, bleibe nur noch "eine faule Frucht, deren Kern entfernt worden ist". Richter fordert daher: "Lasst uns doch einfach vergessen. Stellen wir es doch einfach ein. Es bringt doch nichts mehr außer Kosten."

Kapitalmarktunion: Neue Hoffnung nach zehn Jahren

Trotz aller Kritik zeigt sich Richter optimistisch bei der Kapitalmarktunion. Nach zehn Jahren ohne nennenswerte Fortschritte sieht er nun "eine erfreuliche kapitalmarktfreundliche Dynamik". Die Umbenennung in "Spar- und Investitionsunion" sei ein Zeichen für den Wandel.

"Wir haben zwei extrem positive Entwicklungen. Die Erkenntnis, dass man regulatorisch abspecken muss, also Bürokratieabbau" und "eine zunehmende Kapitalmarktfreundlichkeit". Dies seien "die besten Entwicklungen in den letzten 15 Jahren".

Der BVI: 98 Prozent der Branche vereint

Der BVI vertritt mit einem Organisationsgrad von 98 Prozent praktisch die gesamte deutsche Investmentbranche. "Wir haben die ganze bunte Welt der Fondswirtschaft bei uns vereinigt", erklärt Richter stolz. Die Assets under Management haben sich in zehn Jahren auf 4,5 Billionen Euro verdoppelt.

Persönlicher Ausblick

Auch der BVI-Chef selbst vertraut auf Beratung: "Ich sage ja auch immer, wenn ich das Provisionsverbot kritisiere, auch erfahrene Leute wie ich brauchen Beratung." Er selbst investiert in Anleihen, Aktien und "zum Glück auch in Gold".

Verfassen Sie den ersten Kommentar