Theorie und Praxis: Argentiniens Präsident als ökonomisches Vorbild

In „Make Economy Great Again“ präsentieren WELT-Herausgeber Ulf Poschardt und Ökonom Daniel Stelter ein subjektives, aber sehr unterhaltsames Ökonomen-Ranking. Sie stellen ihre ganz persönliche Hitliste der einflussreichsten Wirtschaftsdenker vor. Von Javier Milei über Karl Marx bis hin zu den „liebsten Ökonomie-Darstellern” – die beiden nehmen kein Blatt vor den Mund.

Javier Milei: Der Rockstar unter den Ökonomen

Argentiniens Präsident Javier Milei führt beide Rankings an. Poschardt schwärmt von dem ehemaligen Rockmusiker, der als Ökonom zum Politiker wurde: "Er hat das revolutionäre Potenzial der Nationalökonomie auf eine extrem interessante Art und Weise in einen sehr populären politischen Wahlkampf integriert." Milei habe die berühmte Marx'sche Feuerbach-These umgedreht: "Die Ökonomen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern."

Stelter bewundert Mileis Mut: "Er hat gesehen, wie genau das Gegenteilige, die Politik des Staatsinterventionismus, der Vetternwirtschaft, des Aufblähens des Staates" Argentinien ruiniert habe. Der Erfolg gibt ihm recht – das Land stabilisiert sich schneller als erwartet.

Besonders beeindruckt zeigt sich Poschardt von Mileis kommunikativer Brillanz: "Man merkt Mileis Intelligenz daran, dass er egal wo er ist, immer weiß, welches Sprachspiel nötig ist, um den maximalen Impact kommunikativ zu haben." Seine Davos-Rede sei wie ein Manifest gegen die "mit dem Privatflieger anfliegende Davoser Bubble-Welt" gewesen.

Die historischen Größen: Von Marx bis Sowell

Als historische Top-Figuren nennt Stelter Ludwig Erhard, Walter Eucken und Hans-Werner Sinn. Eucken habe als Begründer der Sozialen Marktwirtschaft das geschaffen, "was im Prinzip Deutschland ausmacht" – einen Staat, der Rahmenbedingungen schafft, aber nicht interventionistisch eingreift.

Poschardt überrascht mit seinem zweiten Favoriten Thomas Sowell, dem 95-jährigen Ökonomen der Hoover Institution. Auf die Frage, wie er vom Marxisten zum Libertären wurde, habe Sowell nur vier Buchstaben gesagt: "Facts" – Fakten. Sein erkenntnistheoretischer Ansatz fasziniert: "Wissen ist verteilt, keine zentrale Instanz kann alles wissen."

Die "liebsten Ökonomie-Darsteller"

Bei den umstrittenen Figuren führt Marcel Fratscher das Ranking an. Stelter attestiert ihm zwar wissenschaftliche Kompetenz, kritisiert aber: "Er ist planbar, erwartbar, immer auf der Aussage von Rot-Grün." Die FAZ habe ihn treffend als "Claqueur der SPD" bezeichnet.

Noch härter fällt das Urteil über Claudia Kemfert aus. Stelter wirft ihr vor, "systematisch objektive physikalische Tatsachen als nicht existent abzutun". Bei Begriffen wie Dunkelflaute oder Geisterstrom behaupte sie, "so etwas gäbe es alles gar nicht".

Besonders kritisch sehen beide die Vermischung von Wissenschaft und Aktivismus bei "Scientists for Future". Poschardt bringt es auf den Punkt: "Wer Scientists for Future ist, ist halt Teil von Fridays for Future, aber kein Scientist mehr."

Thomas Piketty: Der falsche Prophet der Ungleichheit

Als Negativbeispiel dient Thomas Piketty, dessen Buch "Das Kapital im 21. Jahrhundert" Stelter scharf kritisiert. "Er hat das Wort Schulden in seinem ganzen Buch nicht drin. Er versteht den Leverage-Effekt nicht." Piketty beschreibe nur Symptome, analysiere aber nicht die wahren Ursachen der Ungleichheit.

Poschardt sieht in Piketty einen typischen "Public Intellectual", der "auf den Ruinen, auf den Leichenbergen des Sozialismus" tourt und dabei "eine wissenschaftliche Unterhaltung für diese Milieus" anbietet, die ihre politischen Träume sterben sehen.

Die Botschaft: Raus aus dem Elfenbeinturm

Beide Gesprächspartner fordern mehr mediale Präsenz seriöser Ökonomen. "Die Ökonomie muss raus aus dem Elfenbeinturm", so Poschardt. "Sie müssen mehr in Talkshows sitzen, sie müssen populär sein, sie müssen auf Instagram, sie müssen in Social Media und sie müssen Podcasts wie diesen machen."

Stelter warnt jedoch vor falscher Neutralität: "Die Medien sollten aufhören, immer die Ökonomen als neutral darzustellen. So etwas gibt es in dem Sinne nicht." Wichtig sei, diejenigen zu belohnen, "die Versuche sind nach der Wahrheit" statt gleich mit vorgefassten Meinungen zu starten.

Fakten statt Ideologie

Am Ende ihres Rankings plädieren beide für einen faktenbasierten Diskurs. "Ökonomie ist keine exakte Wissenschaft", gibt Stelter zu bedenken. Sie versuche sich der Realität anzunähern "mit Irrungen und Wirrungen". Umso wichtiger sei es, Ökonomen zu belohnen, die nach Wahrheit suchen, statt ihre Agenda zu verbreiten.

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