Im Digital Insurance Podcast spricht Jonas Piela mit Martin Gräfer, Vorstand von die Bayerische, über ein Thema, das viele Führungskräfte beschäftigt: Die mentale Gesundheit unter dem Druck der modernen Arbeitswelt. Wie man die eigenen Warnzeichen erkennt und warum das "Happiness-Konto" entscheidend ist.
Das Happiness-Konto als Schlüssel zur Balance
Martin Gräfer erklärt seine Sicht auf mentale Gesundheit mit einem einfachen, aber wirkungsvollen Bild: "Ich stelle mir das vor wie ein Bankkonto, da kann ich mit positiver Energie und mit negativer Energie drauf einzahlen. Positive Erlebnisse laden auf, negative entziehen Energie." Es geht nicht darum, negative Erlebnisse komplett zu vermeiden, sondern genug positive Energie zu sammeln, um die negativen auszugleichen.
Gräfer betont dabei einen wichtigen Punkt: "Es hängt im Wesentlichen davon ab, ob dir die Dinge mehrheitlich Freude machen." Nach 40 Jahren im Beruf und 15 Jahren als Vorstand hat er gelernt, dass nicht die Anzahl der Arbeitsstunden entscheidend ist, sondern ob die Tätigkeiten Energie geben oder rauben.
Selbstwahrnehmung: Die unterschätzte Fähigkeit
Eine der größten Herausforderungen liegt darin, die eigenen Warnzeichen zu erkennen. Gräfer beschreibt dies anschaulich: "Erkennst du, wann du selber ein bisschen aus der Spur gerätst? Erkennst du, wenn du mal eine Woche lang jeden Morgen um 3 Uhr aufwachst, dass das vielleicht ein Alarmsignal sein könnte?"
Das Problem: Diese Veränderungen geschehen schleichend. Während man auf kleinste Details im Auto achtet, übersieht man oft die wichtigsten Signale des eigenen Körpers. Übermüdung, Gereiztheit oder Schlafstörungen werden zu leicht als normal abgetan.
Prioritäten setzen: Kinder first
Ein klares Statement kommt von Gräfer bezüglich der Work-Life-Balance: "Wenn sie mich fragen würde, was ist jetzt wichtiger, an der Konferenz teilzunehmen oder die Kinder abzuholen, dann sage ich ganz klar, Kinder first, immer." Diese Haltung baut nicht nur Druck bei den Mitarbeitern ab, sondern schafft auch Vertrauen und Loyalität.
Entscheidungsmüdigkeit als unterschätzter Stressfaktor
Ein besonders interessanter Aspekt des Gesprächs ist die Diskussion über Entscheidungsmüdigkeit. Gräfer erklärt: "Du glaubst gar nicht, wie anstrengend es ist, jeden Tag viele Entscheidungen zu treffen. Das ist wie körperliche Arbeit."
Er illustriert dies mit einem praktischen Beispiel: Der Frust beim Bestellen eines Kaffees, wenn man zwischen verschiedenen Größen und Milchsorten wählen muss. Seine Lösung: "Ich trinke nur noch schwarzen Kaffee, unter anderem auch deswegen." Routinen helfen dabei, die Anzahl der täglichen Entscheidungen zu reduzieren.
Authentizität statt Nacheiferung
Auf die Frage nach dem besten Weg für Karriereerfolg antwortet Gräfer klar: "Wirkung entfalten." Authentizität sei dabei das Mittel, aber gemessen werde letztendlich die Wirkung. "Was ich nicht glaube, ist, dass authentisch und nett reicht, um Karriere zu machen."
Seine wichtigste Lektion: "Du musst authentisch sein, egal wo das dich hinführt. Und wenn du dann merkst, dass deine Authentizität zu dem Job nicht passt, dann gibt es nur eins: wegrennen."
Moderne Führung: Weniger Kontrolle, mehr Vertrauen
Nach 30 Jahren als Führungskraft durchläuft Gräfer gerade einen wichtigen Lernprozess: das Abgeben von Kontrolle. Er reduzierte seine direkten Berichterstatter von 29 auf 12 und sagt dazu: "Ich fahre natürlich maximales Risiko, weil ich auch Kontrolle abgebe."
Das Ergebnis: Seine Arbeitszeit hat sich reduziert, und er fühlt sich besser. "People Management ist viel wichtiger als Inhaltliches", erklärt er seine neue Philosophie.
Mentoring als Karriere-Beschleuniger
Gräfer vergleicht die ersten Berufsjahre mit der frühkindlichen Entwicklung: "So wie bei den Kindern die ersten drei Lebensjahre die prägendsten sind, ist es im Beruf auch nicht anders." Ein guter Mentor in den ersten Jahren könne entscheidend für die weitere Entwicklung sein.
Wichtig dabei: "Du hast auch nie die Absicht, einem Mentor nachzueifern, sondern das, was bei dir entstanden ist, an positiven Energiefaktoren, das beizubehalten."
Praktische Lösungsansätze eines Vorstands
Gräfers konkrete Handlungsempfehlungen:
- Sich etwas gönnen: Kleine Luxusmomente helfen dabei, Stress abzubauen
- Routinen entwickeln: Weniger Entscheidungen bedeuten weniger Stress
- Teams diverser gestalten: Unterschiedliche Perspektiven führen zu besseren Lösungen
- Hilfe suchen: "Auch mal sagen: Ich schaff das jetzt nicht, ich brauche da jetzt gerade Unterstützung"
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