Im FONDS professionell Podcast spricht Gastgeber Joachim Nareike mit Marcel Reyers, Senior Partner und Vermögensverwalter bei der Deutschen Wertpapiertreuhand, über die Standards und Zukunft des Financial Planning in Deutschland.
Reyers, seit über 26 Jahren in der Finanzbranche tätig und Vorstandsmitglied des FPSB Deutschland, erklärt, was echte Finanzplanung von klassischer Produktberatung unterscheidet und warum nur einer von 100 Verbrauchern das CFP-Siegel kennt.
Vom Banker zum Financial Planner
Marcel Reyers Karriere führte ihn durch alle drei Bankengruppen in Deutschland: Sparkassen, Genossenschaften und Privatbanken. 2018 wagte er den Sprung in die Selbstständigkeit mit Schwerpunkt Financial Planning und Vermögensverwaltung. "Ich bin ehrenamtlich immer sehr engagiert gewesen im Bereich Finanzbildung, Financial Planning", erklärt Reyers, der bereits 2007 seine CFP-Zertifizierung absolvierte.
1.630 CFP-Zertifizierte in Deutschland
Aktuell tragen 1.630 Berater in Deutschland den Titel "Certified Financial Planner" und gehören damit zu einer internationalen Gemeinschaft von über 230.000 CFP weltweit. Die Verteilung in Deutschland zeigt einen interessanten Trend: "ungefähr 50/50 Angestellte und freiberuflich", wobei "in den letzten Jahren ein starker Trend hin zur freiberuflichen Tätigkeit oder zur selbstständigen Tätigkeit" zu beobachten ist.
Die 4E-Regel zum CFP-Titel
Der Weg zum Certified Financial Planner folgt der sogenannten 4E-Regel: Education (Ausbildung), Examination (Zentralprüfung), Experience (Berufserfahrung) und Ethics (Ethik). Die anderthalbjährige Ausbildung umfasst ein breites Spektrum von Volkswirtschaftslehre über Immobilien und Versicherungen bis hin zu Steuern und rechtlichen Grundlagen. "Das sind anderthalb Jahre vollgepackt und da geht ja keiner dümmer raus, als er reingegangen ist", betont Reyers.
Interdisziplinärer Ansatz statt Produktdenke
Financial Planning unterscheidet sich fundamental von klassischer Beratung durch seinen ganzheitlichen Ansatz. "Financial Planning ist immer quasi interdisziplinär, dass man sagt, ich muss die Wechselwirkung meiner Entscheidung betrachten nachher", erklärt Reyers. Statt Produktempfehlungen stehen Lebensziele im Mittelpunkt: "Kein Mensch steht morgens auf und sagt, ich will 7% Rendite. Das ist mein Ziel. Sondern der steht auf und sagt, ich möchte in 20 Jahren noch genauso gut leben wie heute."
Ethische Standards und Qualitätssicherung
Die CFP-Zertifizierung geht über reine Fachkompetenz hinaus und umfasst strenge ethische Standards. Reyers nennt ein praktisches Beispiel: Ein Berater, der sich nicht in Immobilien auskennt, aber trotzdem eine entsprechende Beratung anbietet, verstößt gegen das Professionalitätsprinzip. "Einfach dazu zu stehen, zu sagen, ich kann bestimmte Kompetenzen nicht ausüben, das wäre ein ethisch korrektes Verhalten."
Realistische Erwartungen statt falscher Versprechungen
Ein zentraler Baustein erfolgreicher Finanzplanung ist das Erwartungsmanagement. Reyers plant bewusst Stress-Szenarien ein: "Ich plane in der Regel zum Beispiel auf der Aktienseite 40% Crash direkt im zweiten Jahr." Diese Vorbereitung auf schwierige Zeiten führt zu entspannteren Kunden: "Die Kunden rufen an und sagen, wir sind ja jetzt in diesem Crash-Szenario. Ich sage genau, sehr gut erkannt. Dann kommt die Frage: Ist mein Weg gefährdet? Und Ich sage 'nein'".
Verbraucherwissen noch ausbaufähig
Trotz der hohen Standards ist das CFP-Siegel bei Verbrauchern noch wenig bekannt. "Das wird Ihnen nicht bekannt sein, das weiß ich", räumt Reyers ein. "Meine Erfahrung ist, das hat einer von 100 vielleicht gehört." In angelsächsischen Ländern und den Niederlanden ist die Anerkennung deutlich höher.
Optimismus trotz schwieriger Zeiten
Auf die Frage nach einem optimistischen Ausblick angesichts aktueller Krisen antwortet Reyers gelassen: "Bei allen schlechten Nachrichten, und ich kenne die Diskussionen natürlich mit den Kunden auch, muss man immer sehen, also langfristig gesehen, wenn ich mir die Börsen anschaue etc., wie sagt der Kölner, es ist noch immer gut gegangen." Sein Grundvertrauen in die Marktmechanismen bleibt unerschüttert.
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