Im ZEIT-Podcast "Nur eine Frage" stellt Gastgeber Jochen Wegner eine einzige, aber entscheidende Frage: Ist die Rente wirklich sicher? Seine Gesprächspartnerin, die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, Chefin des Sachverständigenrates, liefert eine ernüchternde Antwort und erklärt, warum das deutsche Rentensystem auf tönernen Füßen steht.
Die diplomatische Bankrotterklärung
Auf die direkte Frage nach der Sicherheit der Rente antwortet Schnitzer zunächst diplomatisch: "Das würde man gerne bejahen und natürlich wird hier keiner im Alter am Hungertuch nagen, aber wir müssen schon was dafür tun, dass sie sicher bleibt." Nachgehakt wird sie deutlicher: "Eigentlich nicht, wenn wir so weitermachen wie bisher."
Eine stetig steigende Lebenserwartung bedeutet, dass Menschen heute durchschnittlich acht Jahre länger in Rente sind als noch vor 40 Jahren. Gleichzeitig liegt die Geburtenrate seit den 1970er Jahren unter dem Erhaltungsniveau von 2,1 Kindern pro Frau. Die Folge: Derzeit finanzieren drei Beitragszahler einen Rentner, in 10 bis 15 Jahren werden es nur noch zwei sein.
Warum die Krise bisher ausblieb
Obwohl bereits vor 20 Jahren vor dem Kollaps gewarnt wurde, ist das System nicht zusammengebrochen. Zwei Faktoren verhinderten das: Die Arbeitslosigkeit sank von 12-13 Prozent auf etwa sechs Prozent, und die Zuwanderung aus EU-Ländern stützte das System. "Wir hatten also in der Zwischenzeit Zuwanderung und das hat natürlich auch geholfen. Wenn Menschen ins Land kommen, hier arbeiten, dann unterstützen die natürlich auch das Rentensystem."
Der teure Staatskomfort
Ein Viertel des Bundeshaushalts, etwa 110 bis 120 Milliarden Euro jährlich, fließt bereits als Zuschuss in das Rentensystem. Schnitzer kritisiert politische Wahlgeschenke wie die Mütterrente scharf: "Das ist einfach Geld, das wir ein reines Wahlgeschenk ausgeben." Besonders perfide: Die ärmsten Rentner profitieren gar nicht davon, da ihnen die Erhöhung auf die Grundsicherung angerechnet wird.
Länger arbeiten als Lösung
Die Expertin schlägt eine pragmatische Formel vor: "Für jedes Jahr mehr Lebenserwartung. Acht Monate mehr arbeiten, vier Monate mehr Rentner." Dies würde das bisherige Verhältnis von 40 Jahren Arbeit zu 20 Jahren Rente beibehalten.
Das Aktienmarkt-Dilemma
Deutschland hinkt bei der privaten Altersvorsorge hinterher. Schnitzer beklagt: "Viel zu wenig Menschen sparen, indem sie in Aktien investieren." Der Staat sollte bereits Kinder ab sechs Jahren mit zehn Euro monatlich in einen breit diversifizierten Aktienfonds einzahlen lassen, als Finanzbildung und Grundstock für die spätere Rente.
Der Japan-Vergleich als Warnung
Ein Blick nach Japan zeigt, wohin demographischer Wandel ohne Zuwanderung führt: "Es fehlen auch die jungen Menschen auf der Straße. Und die Älteren, die man sieht, die sind einfach sehr viel aktiver. Das heißt, die arbeiten sehr viel länger." Viele Japaner arbeiten aus finanzieller Not heraus weit über das Rentenalter hinaus.
Die perfekte Reform
Bei einer Neugründung würde Schnitzer ein kapitalbasiertes System bevorzugen: "Dann würde man selber für seine eigene Rente vorsorgen." Als Vorbild nennt sie Schweden, das bereits vor 20 Jahren auf ein Mischsystem umgestellt hat und damit gute Erfahrungen macht.
Beamte im Fokus
Die Einbeziehung der Beamten in das allgemeine Rentensystem würde zunächst wenig bringen: "Es bringt aber nicht das, was man sich davon verspricht, dass das jetzt sofort das Rentensystem stabilisiert." Beamte leben überdurchschnittlich lang und würden das System eher be- als entlasten.
Der Appell an die Politik
Schnitzers dringlicher Appell richtet sich an die Politik: "Was ich mir wünsche, sind Politiker, die sich einfach trauen, das anzugehen. Die Nachwelt würde es ihnen danken." Franz Müntefering habe vor 20 Jahren diesen Mut bewiesen, seiner Partei habe es nicht geholfen. Aber manchmal müsse man das in Kauf nehmen.
Das Wohnungsdilemma
Neben der Rente macht Schnitzer auf ein weiteres Problem aufmerksam: Ältere Menschen können oft nicht umziehen, weil Neumieten deutlich teurer sind als Bestandsmieten. Dies belastet sowohl die Rentner als auch den Wohnungsmarkt insgesamt.
Erbschaftssteuer als Gerechtigkeitsfrage
Abschließend plädiert die Expertin für eine stärkere Erbschaftssteuer: "Leute, die nicht so viel Glück hatten bei der Elternwahl, die müssen dann schauen, wo sie bleiben." In einer alternden Gesellschaft entscheide zunehmend das Erbe über Wohlstand oder Armut im Alter.
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