Oliver Brüß steigt bei InsurTechs ein: Hoodie statt Anzug

Nach 25 Jahren in Managementfunktionen, zuletzt als Vertriebsvorstand der Gothaer, beschreitet Oliver Brüß nun neue Wege. Anstatt eine weitere Konzernkarriere zu verfolgen, machte er sich als Investor und Berater selbstständig. Im Oktober 2025 stieg er dann operativ bei PolicenTransfer ein, dessen Geschäftsführer er heute gemeinsam mit dem Gründer Maximilian Würz ist. Die digitale B2B-Plattform ermöglicht Maklern den Handel und die Umdeckung von Versicherungsbeständen über einen neutralen Marktplatz.

Unternehmerisches Engagement in der digitalen Versicherungswelt

Oliver Brüß
PolicenTransfer

"Nach meiner Vorstandszeit habe ich bewusst verschiedene Wege geprüft und mich für das unternehmerische Engagement entschieden", erklärt Brüß. Seine Rolle sieht er dabei klar definiert: "Ich bin kein Techniker, sondern komme von der Nutzerseite. Meine Aufgabe ist es, komplexe technische Konzepte in verständliche Use Cases zu übersetzen."

Die Zielgruppe kennt er genau: Makler, häufig 52 Jahre und älter, die aus der traditionellen Versicherungswelt kommen. "Diese Generation lässt sich nicht nur mit digitaler Sprache erreichen. Es braucht Übersetzung und Einordnung", betont er.

25.000 Makler warten auf Lösungen

Brüß sieht in der demografischen Entwicklung des Maklermarktes die zentrale Herausforderung der kommenden Jahre. "Es gibt etwa 25.000 kleinere Makler in Deutschland, viele mit einem Courtageumsatz unter 100.000 Euro", sagt Brüß. "Auch diese Bestände brauchen regelmäßige 'Pflege' oder werden gehandelt, genau wie bei den größeren Maklerunternehmen. Darüber wird nur nicht berichtet, obwohl solche Bestandstransaktionen z.B. von Makler zu Makler zahlreich stattfinden."

Genau hier setzt das Geschäftsmodell von PolicenTransfer an. Brüß beschreibt es als "Mix aus MyHammer und eBay": Als Dienstleister für Bestandsumdeckungen bringt die Plattform Makler mit Versicherern und Assekuradeuren zusammen. Gleichzeitig können Makler Teil- oder Komplettbestände anonym anbieten und Gebote einholen. "Wir sind der neutrale Marktplatz, der Transparenz schafft und faire Marktpreise ermöglicht."

Die Plattform soll Makler an die Hand nehmen. "Viele haben Angst vor Bestandsübertragungen. Wir zeigen den Maklern: So schlimm ist das gar nicht. Es gibt einen einfachen, transparenten Weg", betont Brüß. Die Hürde der unterschiedlichen Datenformate und -quellen kann Policentransfer durch Einsatz von KI und Data Analytics sehr gut unterstützen. 

Strategisches Portfolio statt Einzelengagements

Darüber hinaus ist Brüß als Senior Advisor bei Hypoport tätig, die digitale Versicherungsplattformen und einen Marktplatz für betriebliche Vorsorgelösungen betreiben. Als Investor engagiert er sich zudem bei Muffintech, einem KI-Insurtech, das sich auf die Digitalisierung von Versicherungsprozessen spezialisiert hat. Alle Unternehmen haben eines gemeinsam: Sie basieren vollständig auf technikgetriebenen Geschäftsmodellen.

Für Brüß ergibt das ein strategisches Gesamtbild: "Alle drei verbindet die Idee, als Transmissionsriemen zwischen der klassischen Versicherungswelt und der digitalen Zukunft zu arbeiten. Es geht darum, gute technische Ideen in reale Anwendungen zu übersetzen."

Den Kulturwandel nimmt er auch persönlich vor: "Heute fühle ich mich im Hoodie sehr wohl und vielleicht laufe ich auf der DKM mit einem Hoodie von PolicenTransfer umher", sagt Brüß. Nach Jahrzehnten im Anzug sei dieser Schritt befreiend, auch wenn die sachlichen Herausforderungen dadurch nicht kleiner würden.

Das Technik-Gen war schon immer da

Brüß' Engagement für Digitalisierung und technologische Innovation begann nicht erst bei PolicenTransfer. Bereits während seiner aktiven Zeit als Versicherungsvorstand trieb er verschiedene Digitalisierungsinitiativen voran. Er war Mitglied im Beirat von BiPRO e.V., dem Verein zur Standardisierung von Datenaustauschformaten im deutschen Maklermarkt. Zudem hatte er ein Aufsichtsratsmandat bei easy Login, einer Initiative zur vereinfachten digitalen Authentifizierung. Er war Gründungsvorstand des Vereins hinter meinMVP, dem unabhängigen Maklerverwaltungsprogramm. "Das Technik-Gen war immer vorhanden, aber ich bin prozessbegeisterter Praktiker, der aus der Not heraus erkannt hat: Das ist die Gegenwart, und damit müssen wir arbeiten."

Konventionelle Geschäftsprozesse mit modernen Mitteln

Die Digitalisierung von Bestandsübertragungen basiert auf BiPRO-Schnittstellen, die Brüß bereits bei der Gothaer vorangetrieben hat. Unter seiner Leitung gewann die Gothaer den dvb-Award als bester BiPRO-Maklerversicherer. Als einer der ersten Versicherer stellte die Gothaer auch ihre BiPRO-Dienste über den zentralen BiPRO-Hub zur Verfügung und beschleunigte damit die Digitalisierung des Maklermarktes.

Doch Brüß warnt vor reinem Technik-Fokus: "Die Technik allein reicht nicht. Man braucht auch Vertrauen in der Branche." Seine Erfahrung als Investor bei Muffintech hat ihn darin bestärkt. "Nach zehn Minuten Erklärung habe ich kein einziges Wort verstanden und habe gesagt: Übersetzt mir das in die reale Geschäftswelt", erinnert sich Brüß. Genau diese Übersetzungsleistung will er nun bei PolicenTransfer erbringen.

Kennenlernen auf der DKM

Brüß formuliert seine Strategie klar: "Wir wollen eine solide Basis schaffen und zeigen, welchen Mehrwert PolicenTransfer für den Maklermarkt bietet." Gelegenheit dazu bietet die DKM-Messe in Dortmund, wo PolicenTransfer in Halle 3 im Themenpark Insurance Innovation & Technology vertreten ist.

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