Volkswohl Bund: Spagat zwischen IT-Modernisierung und Innovation

Im "Digital Insurance Podcast" spricht Gastgeber Jonas Piela mit Dr. Gerrit Böhm, Vorstandsvorsitzender des Volkswohl Bund, über die gewaltigen Herausforderungen der Versicherungsbranche. Zwischen IT-Modernisierung, Regulatorik und Innovation müssen Versicherer einen komplexen Dreiklang managen. Und das möglichst, ohne dass der Markt etwas davon mitbekommt.

Der unsichtbare Umbau als Kernaufgabe

"Wir wollen, dass der Markt das gar nicht mitkriegt, dass wir uns im Hintergrund modernisieren", beschreibt Böhm den Anspruch seines Unternehmens. Diese scheinbar paradoxe Aufgabe prägt die aktuelle Phase der Versicherungswirtschaft: Während im Hintergrund massive IT-Modernisierungen laufen, sollen gleichzeitig neue Produkte und Services entwickelt werden. Der Markt soll erst an den neuen Services merken, dass etwas passiert ist, nicht durch Blockaden oder Verzögerungen.

Das Problem mit dem Spaghetti-Berg

Die Schnittstellen zwischen alten und neuen Systemen stellen die größte Herausforderung dar. Böhm verwendet das Bild eines "Spaghetti-Bergs", um die Komplexität zu verdeutlichen. Das Problem lasse sich nicht einfach mit mehr Geld oder Personal lösen: "Dieses Know-how kann ich nicht einfach so mal eben mit einem Dritten skalieren." Es braucht Mitarbeiter, die sowohl alte als auch neue Systeme verstehen und diese sinnvoll miteinander verzahnen können.

Die Gleichzeitigkeit von Modernisierung und Tagesgeschäft bezeichnet Böhm als "ständiges Ringen um Prioritäten und Ressourcen". Teams arbeiten parallel an der Hintergrundmodernisierung und der aktuellen Marktbearbeitung: Eine Aufgabe, die "nicht immer perfekt gelingt", wie er offen zugibt.

Regulatorik: Zwischen Sinn und Sweetspot

Bei der Regulatorik sieht Böhm durchaus den sinnvollen Kern: "Ich kann nicht erkennen, dass das in der Regel sinnfrei wäre." Dennoch habe die Branche den "Sweetspot" zwischen sinnvoller Regulierung und überbordenden Vorschriften noch nicht gefunden. Die viel beschworene Proportionalität sei "gut gemeint und auch schnell formuliert. Aber das in die Praxis zu überführen, das ist nicht so trivial."

Auf die Frage, ob der Regulierungsdruck irgendwann nachlasse, antwortet Böhm knapp: "Ich glaube nicht."

Der Großrechner ist nicht böse

Differenziert betrachtet Böhm die Technologiediskussion. Der Großrechner sei "nicht per se böse, er hat sogar viele Stärken und vor allem ist er wartungsarm". Die moderne IT-Welt mit ihren vielen Schichten und Komponenten sei dagegen "sehr wartungsintensiv". Man müsse realistisch sein: "Es gab ja auch mal die These, mit Cloud kann ich per se viel Geld sparen, das sehe ich überhaupt nicht."

Compliance als Dienstleister statt Kontrolleur

Ein zentraler Erfolgsfaktor ist die neue Rolle der Compliance-Abteilungen. Statt als "liebevoll Johnny Controlletti" zu agieren, verstehen sich diese Einheiten zunehmend als Dienstleister: "Wir helfen dir, das compliant hinzubekommen." Diese beratende Funktion reduziere Ängste in der Organisation und sorge dafür, dass "Hilfe immer nur einen Anruf entfernt" sei.

Der Weg nach vorne

Die Strategie für die Zukunft ist klar: IT parallel modernisieren, während neue Features geliefert werden, und Regulatorik so integrieren, dass sie nativ mitgedacht wird. Das Ziel sei ein "Steady State" mit kontinuierlicher Modernisierung. Keine Revolution, sondern Evolution. Dabei müssen alle Beteiligten verstehen: "Es gibt nichts mehr, was isoliert in einer Einheit ist."

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