"Europa ist krank. Und wenn wir in Deutschland keine Trendwende hinkriegen, ist der Verfall unausweichlich". Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt von Netfonds, nimmt im Podcast "Smartes Geld" kein Blatt vor den Mund. Während die USA mit fast 4 Prozent Wachstum durchstarten und selbst Japan energiepolitisch clever agiert, verharrt Europa in einer selbstgewählten Abwärtsspirale. Der Experte warnt vor dramatischen Folgen für den Standort Deutschland.
Amerika first – und es funktioniert
Die US-Wirtschaft brummt mit einem Wachstum von 3,8 Prozent, während Deutschland bei minus 1,4 Prozent dümpelt. Hellmeyer attestiert Trumps Zollpolitik überraschenden Erfolg: "Man wird in diesem Jahr über die Zölle 300 Milliarden US-Dollar in etwa mehr einnehmen als im Vorjahr." Die befürchteten volkswirtschaftlichen Verwerfungen? Fehlanzeige. Stattdessen zeigt die US-Wirtschaft eine "enorme Widerstandskraft".
Besonders bitter für europäische Exporteure: Durch die Euro-Aufwertung um 13 Prozent seit Januar haben sich deren Bedingungen gegenüber den USA um satte 28 Prozent verschlechtert, eine doppelte Belastung neben den Zöllen.
Europas energiepolitisches Harakiri
Während Großbritannien mit Trump-Besuch pro Atomkraft umschwenkt und dreistellige Milliarden-Investitionen einsammelt, während Japan trotz US-Druck weiter günstiges russisches LNG importiert, leistet sich Europa den Luxus moralischer Überlegenheit. Hellmeyers sarkastischer Kommentar: "Wir machen das 19. Sanktionspaket und sanktionieren jetzt sogar Kloschüsseln aus Russland. Das wird langsam absurd."
Die Folgen sind verheerend: Europa ist bei den Energiepreisen nicht mehr konkurrenzfähig, die Versorgungssicherheit wackelt. "Wir leben in Europa in einer Parallelwelt, wenn wir den Rest der Welt anschauen."
Deutschland und Frankreich: Die kranken Männer Europas
Die beiden Schwergewichte der EU schwächeln dramatisch. Frankreich ist mit Haushaltsdefiziten von 5-6 Prozent "reformunfähig, politikunfähig und gesellschaftsunfähig". Deutschland hingegen hat laut Hellmeyer "ein ökonomisch strukturelles Problem wie noch nie zuvor seit 1949".
Der BASF-Standort Ludwigshafen wird zum Symbol des Niedergangs. Hellmeyer bezeichnet ihn bissig als "demnächst vielleicht ein Museum", während in China "Ludwigshafen 2" mit 15 Jahre laufenden günstigen Energieverträgen hochgezogen wird.
Investmentchancen trotz Krise
Trotz düsterer Prognosen für den Standort sieht Hellmeyer Chancen bei deutschen Aktien. Der Trick: Die DAX-Konzerne sind längst Global Player, die ihre Produktion weltweit diversifizieren. BASF etwa kann so am weltweiten 3-Prozent-Wachstum partizipieren, während der deutsche Standort schwächelt.
Auch bei der Automobilindustrie sieht er Potenzial, überraschenderweise durch verstärkte Militärgüterproduktion. "Die Unternehmen sind gezwungen, den Standort Europa bestenfalls zu erhalten, aber das Wachstum in anderen Regionen zu generieren."
KI-Revolution ohne Europa
"Die Welt wird in zehn Jahren vollkommen anders aussehen als heute", prognostiziert Hellmeyer. Sie wird KI- und Robotik-getrieben sein. China hat bereits vollautomatische Fabriken ohne Menschen. Und Europa? Plant einen Hightech-Gipfel, zwölf Jahre zu spät und ohne über die nötigen Energiekapazitäten zu sprechen. "Das ist für mich eine Beleidung unterdurchschnittlicher Intelligenz."
Der globale Süden als Gewinner
70 Prozent der Weltwirtschaft (kaufkraftbereinigt) entfallen bereits auf den globalen Süden, dort spielt die Musik. Während deren Wirtschaft in drei Jahren um 13 Prozent wuchs, schaffte die Eurozone mickrige 2,5 Prozent. China führt heute in 57 von 64 zukunftsrelevanten Wissenschaftsfeldern.
Gold und Silber bleiben attraktiv
Trotz jüngster Korrektur bleibt Hellmeyer bei Edelmetallen optimistisch. Besonders Silber sieht er durch die hohe industrielle Nachfrage (KI, Robotik) mit besseren Chancen als Gold. Der globale Süden arbeite zudem an einer rohstoffbasierten Verrechnungseinheit als Alternative zum Dollar.
Aufwachen oder untergehen
Wenn Europa nicht schleunigst aus seiner "Parallelwelt" erwacht und pragmatische statt moralische Politik macht, droht der wirtschaftliche Abstieg in die Bedeutungslosigkeit. Die gute Nachricht: Deutsche Unternehmen wissen sich zu helfen und werden überleben, nur eben woanders produzieren.
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