Wenn der KI-Agent komplett übernimmt: 'Dann haben wir alle ein Problem.'

Im you.talk Podcast von Ingolf Putzbach ist Fynn Monshausen zu Gast, Bereichsleiter und Geschäftsführer der BarmeniaGothaer-Gruppe. Es geht um Herausforderungen einer Versicherungsfusion im digitalen Zeitalter, den massiven Umbau aller digitalen Plattformen und die Rolle von KI im Vertrieb. Über eine Zukunft, in der KI-Agenten möglicherweise alle Versicherungsangelegenheiten übernehmen.

Konsolidierung mit Schmerzen und Chancen

Die Fusion von Barmenia und Gothaer bringt den neuntgrößten Versicherer Deutschlands hervor, doch der Weg zur digitalen Einheit ist steinig. "Erstmal kommt die neue Marke überhaupt in die Welt. Ab Januar nächsten Jahres kann man über diese neue Webseite dann überhaupt erst kaufen", erklärt Monshausen den Zeitplan. Der große Knackpunkt: Im Januar 2026 werden barmenia.de und gothaer.de in einem "Hauruck-Moment" auf die neue barmeniagothaer.de umgeleitet. "Da stecken Risiken drin", räumt er ein.

Die Konsolidierung hat zunächst Nachteile: "Jede Marke, die wir jetzt sozusagen aufgeben in diesem Prozess, bedeutet erstmal, derjenige, der das gekauft hätte, kauft jetzt einmal irgendwas anderes." Bei Google oder Check24 bedeuten weniger Plätze schlicht weniger Reichweite. 

Unterschiedliche Stärken zusammenführen

In der Tierkrankenversicherung ist die Barmenia vermutlich einer der zwei größten Versicherer Deutschlands, und das lief bereits stark online. Jetzt gilt es, diese Stärken zu kombinieren: "Wenn man auf einmal ein sehr starkes Analytics-Setup auf eine Webseite legt oder ein Umfeld, wo man das vorher mehr oder weniger gar nicht hatte, dann sieht man Dinge, bei denen hat man vorher gar nicht geglaubt, dass die möglich sind."

Die neue digitale Plattform

Die neue Webseite ist für die Zukunft gebaut: "Heute baut man natürlich eine Webseite, die ist bereit für Large Language Models, die ist bereit für Individualisierung, die ist bereit sozusagen für GEO statt SEO." Die Plattform kann jedem Menschen ein völlig eigenes Erlebnis ermöglichen, alle Module können KI-generiert designt sein. "Die Seite kann dem Grunde nach jedem Menschen ein völlig eigenes Erlebnis ermöglichen." Die Webseite soll sich wie eine Sandbox selbst anpassen, je nachdem, wer gerade kommt.

Embedded Insurance? Nicht interessiert

Auf die Frage nach Embedded Insurance antwortet Monshausen deutlich: "Es interessiert mich wirklich gar nicht. Das hat nichts damit zu tun, dass ich nicht glaube, dass es Menschen gibt, die dieses Geschäft betreiben können. Aber ich kann relativ sicher sagen, wenn ich überlege, was unsere Stärken und was unsere Schwächen sind, wir sind es nicht. Punkt." White Label Fähigkeiten hält er in bestimmten Kontexten für sinnvoll, etwa bei Wearables für Tiere, aber das klassische Embedded Insurance Geschäft gehört nicht zur Kernstrategie.

Service und Vertrieb zusammendenken

Für Monshausen ist digitaler Vertrieb mehr als nur der Kaufprozess: "Zwischen einem guten Nutzererlebnis in einer Schadenmeldung oder Schadeninteraktion oder einem guten Erlebnis bei einem Adresswechsel oder bei der Einreichung einer Krankenrechnung und dem Abschluss eines Vertrages oder dem Stellen einer Anfrage, dem Grunde nach ist es immer die gleiche Disziplin."

Das Team baut Lösungen für alle Bereiche: Beratung, Vertrieb, Service und Schaden. "Wir haben grob 1,5 bis 2 Millionen Logins im Monat, da stellst du jetzt, weiß ich nicht, Bescheinigungen zur Verfügung für die Haftpflichtversicherung zum Skifahren. Auf einmal siehst du, das machen 100 Leute am Tag, das sind wieder 30.000 Vorgänge im Jahr."

Zusammenspiel mit dem Vertrieb

Die digitalen Plattformen sind eng mit dem traditionellen Vertrieb verzahnt. "Wir bieten in beiden Kundenportalen die Kontaktdaten des Vermittlers an. Und allein darüber kommen pro Tag 400 Anfragen an Agenturen. Jeden Tag."

Die Conversion bei Dropouts, die an die Ausschließlichkeit weitergeleitet werden, liegt je nach Segment zwischen 10 und 20 Prozent bei Interessenten, bei Bestandskunden deutlich höher. Die Fusion hilft dabei, Lead-Management-Systeme zusammenzulegen und besser zu verstehen, wie schnell Anfragen bearbeitet werden.

KI: Produktivität und Kundenerlebnis

Monshausen sieht zwei Dimensionen für KI: "Die eine ist, welche Veränderung in der Produktivität der eigenen Leistung und Arbeit ist möglich, und das zweite ist, wie stark lässt sich das Kundenerlebnis nicht nur personalisieren, sondern einfach strukturell verbessern."

Bei der Personalisierung geht es weit über Ansprache hinaus: "Das fängt an bei personalisierter Ansprache. 18-Jährige wollen das vielleicht eher in einem Interface nutzen, das videolastiger ist oder was eher wie TikTok funktioniert." Die neue Plattform soll sich automatisch an soziodemografische Faktoren anpassen können.

Von SEO zu GEO

Die Verschiebung von klassischer Suchmaschinenoptimierung zu Generative Engine Optimization ist bereits Realität: "Wer jetzt sozusagen den nächsten Ratgeber baut, der muss halt schon die ganze Zeit darüber nachdenken, wie maximiere ich das jetzt nach GEO und vielleicht nicht mehr nach SEO?"

Interessanterweise hat Google von der KI-Entwicklung profitiert: "Google-Aktien in den letzten zwölf Monaten nochmal ordentlich gestiegen. Warum? Die haben jetzt viel mehr Suchanfragen als vorher, weil die Leute einfach Fragen sich stellen, die sie vorher bei Google so noch gar nicht gestellt haben."

Die Zukunft: Agentic AI

Monshausen blickt weiter voraus auf die nächste Phase: "Agentic AI, das was jetzt als nächstes kommt, das wird eigentlich viel spannender, weil dann werden auf einmal Agents entstehen, die sind wie Menschen, die können alle möglichen Fragen im Duktus eines Menschen beantworten, über Sprache, über Chat, über was auch immer."

Diese Entwicklung könnte die Branche fundamental verändern: "Jetzt ist die Frage, wie viele von der Gruppe, die wir eben besprochen haben, einen Bezug zu Versicherung haben, kommen irgendwann auf die Idee zu sagen, seinem Agent die Aufgabe zu geben, kümmere dich um meine Versicherung und sorge dafür, dass das billig ist und lass mich damit in Ruhe. Dann haben, glaube ich, alle erstmal ein Problem."

Die große Herausforderung für alle: "Dieser Agent ja auch nur zufriedenstellend für den Kunden arbeiten kann, wenn er Dinge auch in Real-Time sofort erledigen kann. Und dafür muss ich dann als Versicherer natürlich den Prozesse auch erstmal zur Verfügung stellen."

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