Auswahlentscheidung des Versicherungsmaklers
In einer aktuellen Entscheidung hat das Landgericht Itzehoe einen Versicherungsmakler zum Schadensersatz verurteilt. Eine Analyse des Sachverhalts.
Das Landgericht hat den Versicherungsmakler zum Schadensersatz verurteilt, weil er seinen Kunden in der Auswahl des Versicherers falsch beraten habe. Der Makler habe dem Kunden nämlich nicht den Marktführer, sondern einen anderen Versicherer vorgeschlagen und vermittelt, der im Mittelfeld der Versicherer lag.
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt
In dem Verfahren machte der Kläger Ansprüche wegen Falschberatung bei einer Darlehensvermittlung geltend. Der Kläger hatte zusammen mit seiner Ehefrau eine Immobilie erworben. Wegen der Finanzierung des Immobilienerwerbs ließen sich die Eheleute von dem beklagten Versicherungsmakler beraten. Der Gesamtfinanzierungsbedarf der Eheleute betrug 380.000 DM (193.800,00 Euro). Der Makler empfahl und vermittelte zwei endfällige Darlehensverträge über insgesamt 380.000 DM und zur Deckung der Tilgung bei Ablauf der Darlehen eine kapitalbildende Lebensversicherung mit einer Versicherungssumme von 217.091 DM und einer Einmalprämie von 142.500 DM. Die Ablaufleistung der Versicherung sollte nach der damaligen Überschussprognose des Versicherers 381.141 DM betragen und damit ausreichen, das endfällige Darlehen zurückzuführen. Im Dezember 2007 forderte die Ehefrau des Klägers bei dem Versicherer eine Vertragsauskunft an. Danach war bei Ablauf der Versicherung in 2010 anstelle der zur Ablösung des Darlehens erforderlichen 193.800 Euro nur eine Ablaufleistung in Höhe von 155.909 Euro zu erwarten. Der Kläger verlangte daraufhin von dem Beklagten die Freihaltung von Forderungen aus den Darlehensverträgen nach Anrechnung der Leistungen aus der Lebensversicherung.
Entscheidungsgründe
Das Landgericht verurteilte den Beklagten antragsgemäß und führte zur Begründung aus, dass der Beklagte dem Kläger aus mindestens fahrlässiger Verletzung des zwischen den Parteien abgeschlossenen Berater- und Maklervertrages über Vermittlung einer Baufinanzierung hafte. Nach der Rechtsprechung des BGH (Sachwalterurteil) bestünden für den Versicherungs- und Finanzierungsmakler besondere Sorgfaltspflichten. Der Versicherungsmakler werde regelmäßig vom Versicherungsnehmer beauftragt und als sein Interessen- oder sogar Abschlussvertreter angesehen. Er habe als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers individuellen, für das Objekt passenden Versicherungsschutz oft kurzfristig zu besorgen. Deshalb sei er üblicherweise sogar zur Tätigkeit, meist zum Abschluss des gewünschten Versicherungsvertrages verpflichtet. Dem entspreche, dass der Makler von sich aus das Risiko untersuche, das Objekt prüfe und den Versicherungsnehmer ständig, unverzüglich und ungefragt über die Ergebnisse seiner Bemühungen, das Risiko zu platzieren, unterrichten müsse. Wegen dieser umfassenden Pflichten könne der Makler für den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als dessen treuhänderähnlicher Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden. Bei der Vermittlung von Finanzierungen habe der Makler dementsprechend die Interessen seiner Vertragspartner zu wahren und insbesondere über Risiken aufzuklären. Er habe ferner dem Vertragspartner von vorhandenen Finanzierungsalternativen diejenige zu empfehlen, die den Interessen des jeweiligen Anlegers am Ehesten entspreche. Diese Pflicht habe der Beklagte verletzt.
Nach der Ansicht des Landgerichts spreche sogar schon Erhebliches dafür, dass der Beklagte seine Pflichten gegenüber dem Kläger schon deshalb vorsätzlich (!) verletzt habe, weil er ihm die Vertragskombination Tilgungsaussetzung mit Lebensversicherung empfohlen und vermittelt habe. Denn die Gesamtfinanzierung hätte – auch unter Berücksichtigung etwaiger Steuervorteile und des Aufwandes für die Abdeckung des Todesfallrisikos – wesentlich günstiger gestaltet werden können, wenn der Kläger den für die Einmalzahlung verwendeten Betrag von 142.500 DM statt als Einmalzahlung in die Lebensversicherung auf den Kaufpreis verwendet und Restbetrag durch ein Annuitätendarlehen finanziert hätten. Durch die gewählte Kombination habe der Kläger auf das eingesetzte Kapital eine negative Verzinsung erzielt. Dies könne aber letztlich dahinstehen. Denn der Beklagte hafte dem Kläger schon deshalb auf Schadensersatz, weil er ihn bei der Auswahl des Versicherers falsch beraten habe. Er habe nämlich nicht den Marktführer oder einen anderen Versicherer vorgeschlagen und vermittelt, sondern ausschließlich einen Versicherer, der nach eigenem Vorbringen des Beklagten im Mittelfeld der Versicherer lag. Der Versicherungs- und Finanzierungsmakler sei aber nicht nur verpflichtet, dem Vertragspartner eine geeignete Finanzierung zu vermitteln. Er sei aufgrund besonderer Fürsorge- und Treupflichten vielmehr gehalten, dem Vertragspartner die Versicherung vorzuschlagen und zu vermitteln, die dem Vertragspartner die bestmögliche (!) Finanzierung und Rendite biete. Das sei aber – nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers – auch schon zur Zeit des Vertragsschlusses die Versicherung des Marktführers gewesen. Diese habe auch in der Folgezeit deutlich über den Erträgen des vom Beklagten vermittelten Versicherers liegende Überschussbeteiligungen ausgeschüttet.
Beurteilung
Ob die von dem beklagten Versicherungsmakler empfohlene Finanzierungsform tatsächlich fehlerhaft war, kann nur eine finanzmathematische Analyse sämtlicher Zahlungsströme unter Berücksichtigung aller steuerlichen und risikorelevanten Umstände ergeben. Die Urteilsbegründung geht zwar auf steuerliche und risikorelevante Umstände ein, lässt aber Aussagen über die finanzmathematische Methodik vermissen. Insbesondere ersetzt die Formulierung „es spricht Erhebliches dafür“ nicht die notwendige mathematische Berechnung. Unklar bleibt auch, ob die Einschätzung der Vorteilhaftigkeit der Annuitätenfinanzierung gegenüber der Tilgungsaussetzung unter Berücksichtigung der ursprünglichen Überschussprognose oder unter Berücksichtigung der später deutlich geringeren Ablaufleistung der Lebensversicherung vorgenommen worden ist. Da die – möglicherweise fehlerhafte – Empfehlung einer Tilgungsaussetzung letztlich nicht entscheidungserheblich war, können die damit im Zusammenhang stehenden Fragen offen bleiben. Doch gerade deswegen schießt die Mutmaßung einer vorsätzlichen Pflichtverletzung des Beklagten wegen der Finanzierungsform über das Ziel hinaus. Dahinter steht offenbar die – nicht durch Tatsachen gedeckte – Unterstellung, der Beklagte habe die Tilgungsaussetzung nur provisionsgetrieben empfohlen. Das passt zwar in die aktuelle Stimmung, ist aber trotzdem ohne Begründung nicht zwangsläufig richtig.
Aber auch die die Entscheidung tragende Begründung, der Makler hafte auf Schadensersatz, weil er den Kläger hinsichtlich der Auswahl des Versicherers falsch beraten habe, vermag nicht zu überzeugen. Nach den von der Kammer zitierten Auszügen aus dem Sachwalterurteil des BGH hat der Makler einen individuellen und passenden Versicherungsschutz zu besorgen. Auch nach den neuen Vorschriften des VVG muss der Makler „lediglich“ eine Versicherung empfehlen, die fachlichen Kriterien geeignet ist, die Bedürfnisse des Versicherungsnehmers zu erfüllen. Weder das Sachwalterurteil noch das VVG verlangen somit vom Versicherungsmakler die Vermittlung des „besten“ Versicherungsschutzes. Und das mit gutem Grund: an welchen Kriterien wäre wohl der „beste“ Versicherungsschutz festzumachen? Im Zweifel ist jeder Versicherungsvertrag unter irgendeinem Aspekt suboptimal. Im Ergebnis würde also eine Verpflichtung zur Vermittlung des „besten“ Versicherungsschutzes den Versicherungsmakler vor unlösbare Aufgaben stellen. In der Risikovorsorge kann es nur darauf ankommen, Risiken zu ermitteln und bewerten und risiko- und marktgerechte Versicherungsverträge abzuschließen. Deshalb muss der Ansicht des Landgerichts, der Makler sei verpflichtet, eine Versicherung zu empfehlen, die dem Vertragspartner die bestmögliche Finanzierung und Rendite bietet, schon im Ansatz widersprochen werden. Gerade bei der kapitalbildenden Versicherung ist es evident, dass weder Kunde noch Vermittler bei Abschluss des Vertrages beurteilen können, welches die „beste“ Versicherung sein wird. Das Bundesverfassungsgericht hat zu Recht darüber nachgedacht, dass die dem Versicherten zu Gute kommende Überschussbeteiligung strukturell transparenter und vor allem nachprüfbar gestaltet werden müsse, weil sie bei Außenstehenden als black box daherkommt.
Die Kammer begibt sich also argumentativ auf dünnes Eis, wenn sie dem beklagten Versicherungsmakler vorhält, er habe nicht den Marktführer vermittelt. Aus der ex post Betrachtung ist das simpel: Für Kundensicht ist im Zweifel die höchste Ablaufleistung die beste. Nur das können weder Makler noch Kunden ohne obskuren Alchimistenzauber vorhersehen. Und es ist unzureichend, aus einer aktuellen Ablaufleistung auf eine zukünftige zu schließen. Es müssen vielmehr weitere Indizien her, die die Annahme rechtfertigen, dass Versicherungsverträge als für den jeweiligen Zweck geeignet eingestuft werden sollen. Bei Lebensversicherungen z.B. Finanzstärke, Überschusskraft, Bewertungsreserven, Vergangenheitsleistungen, Ablaufprognosen, Insolvenzsicherung, Vertriebsmanagement, Asset Management, Vertriebskosten, Verwaltungskosten, Kennzahlen etc. Leider geht das Landgericht nicht darauf ein, nach welchen Kriterien der „Marktführer“ zu bestimmen wäre. Unglücklich vor allem aber der eigene Sachvortrag des Maklers, nur „Mittelmaß“ vermittelt zu haben.
Fazit
Die Begründung der Entscheidung ist nicht überzeugend. Es ist anzunehmen, dass der Berufungssenat am OLG Schleswig differenzierter denkt. Dennoch bleibt als Kernbotschaft des Landgerichts die Mahnung an alle Makler, die Auswahlentscheidung für einen Versicherungsvertrag gründlich zu überlegen und systematisch vorzubereiten. Bei aller Kritik an der Entscheidung des Landgerichts: Es darf nicht umgekehrt geschlossen werden, dass der Versicherungsmakler jeden beliebigen Versicherer vermitteln darf.
Quellenhinweis
Hans-Ludger Sandkühler, Rechtsanwalt in der Kanzlei Wolter - Hoppenberg
Mit freundlicher Genehmigung von AssCompact