Harte Bandagen bei Stornoabwehr

Hat ein Versicherer eindeutige Anzeichen, dass eine Police kurz vor der Kündigung durch den Kunden steht, ist er verpflichtet, dem Vermittler innerhalb von zwei Wochen eine Stornogefahrmitteilung zu übersenden. Ausnahme: Er will ausschließlich eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 28. Juni 2012 entschieden (Az.: VII ZR 130/11). „Die bloße Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Nachfolger des ausgeschiedenen Versicherungsvertreters ist keine ausreichende Maßnahme der Stornogefahrabwehr“, heißt es in der Urteilsbegründung.

Zum Streit war es gekommen, als ein Vertreter nach Auslaufen seines Mehrfachagenturvertrages über 121.000 Euro Provisionsvorschüsse zurückzahlen sollte, weil zahlreiche Policen nach Beendigung des Agenturvertrages von Kunden storniert worden waren. Dazu hatte der Versicherer nach eigener Auffassung auch selbst Maßnahmen zur Stornoabwehr getroffen sowie der Vermittler über die notleidenden Verträge informiert. Der Vermittler bestritt dies und wurde über alle Instanzen verklagt. Dasselbe Problem haben oft auch Makler.

Versicherer reagierte zögerlich auf die Stornogefahr

Der Ex-Vermittler wehrte sich geschickt: Die Stornogefahr-Mitteilungen habe der Versicherer nicht ihm, sondern seinem Bestandsnachfolger zukommen lassen. Zudem seien die Mitteilungen erst Wochen nach den ersten Anzeichen versandt worden. Er hätte gar keine Chance bestanden, die Verträge zu retten.

Der Ausgang ist noch immer offen, denn der BGH hat den Fall zur Klärung offener Fragen an das OLG Zweibrücken zurückverwiesen. Grundsätzlich stellte der BGH aber klar: Art und Umfang Nachbearbeitung, die zunächst Sache des Versicherers ist, bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls. Der Versicherer kann entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen oder sich darauf beschränken, dem Vermittler durch Stornogefahrmitteilung die Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst zu retten (BGH-Urteil vom 1. Dezember 2010; Az.: VIII ZR 310/09). Entschließt sich ein Versicherer zu eigenen Maßnahmen, so obliegt ihm die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass diese ausreichend waren. Dies habe der Versicherer jedoch „nicht schlüssig vorgetragen“, so der BGH.

Spätestens nach 14 Tagen muss Vermittler informiert werden

Benachrichtigt der Versicherer dagegen den Vermittler, so muss diese Benachrichtigung so rechtzeitig erfolgen, „dass der Vertreter sich sinnvoll und mit Aussicht auf Erfolg um eine Rettung des Vertrages bemühen kann“, so die obersten Bundesrichter. Im Streitfall waren die Mitteilungen „erst Wochen nach dem ersten Anzeichen für ein Notleidendwerden“ versandt worden. Dies könne nicht als rechtzeitig angesehen werden. Der Versicherer ist gehalten, „unverzüglich nach dem ersten Anzeichen für eine Stornogefahr tätig zu werden“ und für die Mitteilung „in der Regel nicht mehr als zwei Wochen abzuwarten“.

Es ist dem Versicherer jedoch gestattet, sich zunächst Klarheit darüber zu verschaffen, ob tatsächlich Anhaltspunkte für eine Vertragsgefährdung vorliegen und wie er damit umgehen will. Ist der Vermittler wie im Streitfall bereits ausgeschieden, so genügt es nicht, ausschließlich den Nachfolger über die Stornogefahr zu benachrichtigen, weil der primär Neuverträge abschließen will, so der BGH. 

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