Nachhaltigkeit in der Finanzberatung? Abgelehnt.

Seit April 2023 sind Vermittler gesetzlich verpflichtet, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden zu erfragen und ihre Beratung daran auszurichten. Doch nur 22 Prozent der Kunden zeigen ein aktives Interesse an dem Thema, die große Mehrheit steht dem Thema gleichgültig gegenüber oder lehnt es ab, darüber zu sprechen. Im Rahmen des 16. AfW-Vermittlerbarometers wurden über 1.000 Finanz- und Versicherungsvermittler in einer Online-Befragung zu ihren Erfahrungen mit den Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden befragt, zu deren Erhebung sie gesetzlich verpflichtet sind.

Nachhaltigkeit im Alltag. Wenn die Versuchung der Bequemlichkeit nur nicht so groß wäre.

Die Ergebnisse der Umfrage sind eindeutig: Nur 22 Prozent der Kunden zeigen Interesse, über ihre Nachhaltigkeitspräferenzen zu sprechen. 16 Prozent der Kunden lehnen das ab und für die große Mehrheit (62 Prozent) ist das Thema Nachhaltigkeit schlichtweg irrelevant. Dies ist eine deutliche Veränderung zum Vorjahr, als noch 53 Prozent der Kunden bereit waren, über ihre Nachhaltigkeitspräferenzen zu sprechen.

Norman Wirth, Vorstand des AfW, sieht eine mögliche Ursache für das schwindende Interesse an Nachhaltigkeit in der Verschiebung der öffentlichen Diskussion. Themen wie steigende Preise, Wohnungsnot und geopolitische Risiken dominieren die öffentliche Aufmerksamkeit und drängen die Nachhaltigkeitsdebatte in den Hintergrund.

Die Umsetzung der Nachhaltigkeitsabfrage stellt die Vermittler vor erhebliche Schwierigkeiten. Viele Produkte sind noch nicht entsprechend kategorisiert, was eine Zuordnung zu den Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden erschwert. Trotz dieser Herausforderungen hält nur etwa die Hälfte der Vermittler das Produktangebot in den Bereichen Geldanlage (46,7 Prozent) und Versicherungen (48,2 Prozent) für ausreichend, um eine optimale Beratung hinsichtlich der Nachhaltigkeitswünsche der Kunden zu gewährleisten. Etwa jeder vierte Vermittler hält das vorhandene Produktangebot sogar für unzureichend.

Zur Orientierung im Bereich nachhaltiger Investmentfonds nutzen 33 Prozent der Vermittler ESG-Ratings, z.B. von Morningstar, während nur 15 Prozent auf Gütezeichen und Siegel wie das FNG-Siegel zurückgreifen. Ein Großteil der Vermittler muss sich auf die Angaben der Produktanbieter verlassen, was eine objektive Beratung erschweren kann.

Die aktuellen Befragungsergebnisse zeigen, dass Nachhaltigkeit eine regulatorische Vorgabe ist, die erfüllt werden muss, die Kunden aber nicht interessiert. Die Vermittler wurden offensichtlich nicht nach ihrer Meinung zur Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Finanzberatung gefragt.