BU-Kunde kann seltsamen Test ablehnen

Wenn es darum geht, Leistungen hinauszuzögern, sind Versicherer manchmal erfinderisch. Eine Frau sah sich mit knapp 50 wegen verschiedener gesundheitlicher Handicaps nicht mehr in der Lage, als Zahntechnikerin zu arbeiten. Daher beantragte sie in Abstimmung mit ihrem Hausarzt privat versicherte BU-Leistungen.

Der Versicherer, ein Unternehmen mit Sitz in einer Karnevals-Hochburg, verlangte die üblichen Arzt-Unterlagen und noch etwas mehr: Die Kundin sollte sich einem so genannten EFL-Test unterziehen, damit der Versicherer ihre Leistungsfähigkeit beurteilen kann. Der Test ist vornehmlich in sozialrechtlichen Verfahren anerkannt. Dabei werden Kunden unter ärztlicher Aufsicht über mehrere Stunden teilweise bis an die Leistungsgrenze belastet.

 Dies lehnte die Kundin ab. Daraufhin warf ihr der Versicherer eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung vor und weigerte sich, BU-Rente zu zahlen. Die Frau zog vor Gericht. Der Prozess läuft zwar noch; voraussichtlich wird in einigen Tagen das Urteil gesprochen. Vorab gab das Landgericht Berlin per Hinweisbeschluss vom 29. Juni 2011 aber zu erkennen, dass der Versicherer einen solchen Test nicht verlangen und deswegen auch nicht die Leistung verweigern kann (Az.: 7 O 194/11).   

Begründung: Der Test zielt auf die absolute Maximalleistung („bis zum Geht-nicht-Mehr“). Er birgt laut Richterin bei Patienten mit Beschwerden oder reduzierter Belastbarkeit das Risiko, dass sich die Beschwerden verschlimmern, wenn die Belastung bis zur Leistungsgrenze getestet würde.

„Im Übrigen bestünde die Gefahr, dass der Versicherer über derartig umfangreiche Tests an Informationen gelangt, die für die Beurteilung der Leistungsverpflichtung nicht erforderlich sind – ein Eingriff in das Recht auf informelle Selbstbestimmung“, erklärt Tobias Strübing von der Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte (Berlin).

Der Versicherer kommt somit wohl nicht mit Leistungsfreiheit durch, nur weil die Kundin den Test abgelehnt hat, ergänzt der Fachanwalt für Versicherungsrecht, der die Frau vor Gericht vertritt. Der Hinweisbeschluss sei dafür eine gewichtige Rechtsauffassung. Selbstverständlich bestünde kein Problem mit einem „normalen“ Sachverständigengutachten. Dazu hatte der Anwalt bereits mehrere Sachverständige vorgeschlagen.

Spannend ist der Ausgang noch aus einem anderen Grund: Die Police beinhaltet keine Möglichkeit abstrakter Verweisung auf andere Tätigkeiten mit vergleichbaren Kenntnissen und Fähigkeiten bei ähnlicher Lebensstellung. Der Versicherer könnte allenfalls auf eine andere konkrete Tätigkeit verweisen. Dabei kann es auf die Frage der allgemeinen Leistungsfähigkeit gar nicht ankommen, die jedoch der EFL-Test messen würde.

Rechtsanwalt Strübing rät: „Spätestens wenn der Betroffene bemerkt, dass der Versicherer nicht zahlen will oder nach Ausreden sucht oder sogar seltsame Tests verlangt, sollte man kompetenten Rat suchen.“