Kapitalisierungsgeschäfte

01.10.2005 14:47:45

Hallo Listenteilnehmer,

welche Bedeutung haben Kapitalisierungsgeschäfte (Kg) als Produkte von
Lebensversicherungsunternehmen?

Kg (Anlage Teil A Nr. 23 zum VAG) dürfen seit 1994 in Deutschland von
deutschen Lebensversicherern betrieben werden. Die manchmal zu findende
Aussage, dass sie als versicherungsfremde Geschäfte nur als Nebenleistung
angeboten werden dürfen, ist wohl nicht zutreffend.

Kg sind nach § 1 (4) VAG "Geschäfte, bei denen unter Anwendung eines
mathematischen Verfahrens die im voraus festgesetzten einmaligen oder
wiederkehrenden Prämien und die übernommenen Verpflichtungen nach Dauer und
Höhe festgelegt sind" - entsprechend Art 1 Nr. 2b 1. LV-RL.

Sie fallen nach § 1 (4) VAG jedoch nur unter das VAG, wenn sie von
Lebensversicherern betrieben werden, ansonsten können es auch Bankprodukte
sein.

Farny, Versicherungsbetriebslehre, 3. Aufl., 2000, S. 127 sagt: "
Kapitalisierungsgeschäfte ... sind Spargeschäfte nach mathematischen
Grundsätzen für Prämien und Leistungen, wobei Leistungen für den Todesfall
einer versicherten Person nicht vorkommen."

Prölss, VAG , 11. Aufl. sagt dazu:

"Bei derartigen Geschäften wird eine Erlebensfall-Leistung in einem
bestimmten Alter ausgezahlt, der Vers.-fall aber durch eine bestimmte
Auslosung ersetzt. In D wurde die Auffassung vertreten, dass ein
Risikotransfer auf das Kapitalisierungsunternehmen nicht stattfinde. .. Mit
der Einbeziehung in die VersAufsicht ... sind die Kg den VersGeschäften
gleichgestellt."

In Frankreich sind Kg bereits vor 1994 von LVU betrieben worden und eine
dort typische Form der Altersvorsorge.

Die Definition für Kg ist sehr weit auslegbar. KarstattQuelle LV AG bietet
darunter z. B. eine Monatsgeldanlage an, bei der ein Einmalbeitrag mit
vierteljährlich im Voraus festgelegten Zinsen verzinst wird. Die Zinsen
richten sich nach der Überschussbeteiligung des Gewinnverbandes dieser Kg -
90 % der Kapitalerträge abzgl. 1 %Punkt für Kosten. Es sind jederzeit
flexible Ein-und Auszahlungen möglich.

Der Geschäftsbericht der DeltaLloyd für 2004 erwähnt, dass die
Prämieneinnahme in Deutschland gerade durch den Erfolg der "Kg" stärker
gestiegen sei. Offenbar wird der Begriff hier aber in einem übertragenen
Sinn verwendet (oder?).

Kg wäre aber danach auch ein Sparvertrag mit laufenden oder einmaligen
Prämien, der am Ende eine bestimmte Leistung vorsieht. Garantiezins und
zusätzliche Überschussbeteiligung sind nach dem Gesetzeswortlaut nicht
ausgeschlossen. Auch kann im Todesfall wohl einfach das vorhandene Kapital
ausgezahlt werden.

Eine versicherte Person wird aber eigentlich gar nicht benötigt: auch die
Anlage einer juristischen Person von bspw. 10 Mio. EUR mit der Verpflichtung
des LVU, nach 10 Jahren 13.000.000 EUR auszuzahlen, fiele zunächst unter die
Definition eines Kg. Zusammen mit der Chance auf zusätzliche
Überschussbeteiligung wäre das ein interessantes Angebot auch für
institutionelle Anleger. Und eine Monatsgeldanlage über 1 Mio. EUR mit der -
jeweils für ein Quartal im Voraus sicheren - Aussicht auf eine Verzinsung
aus Überschussbeteiligung von 90 % von 4,5% Kapitalerträgen = 4,05 % (3,95 %
nach Kosten) wäre auch nicht uninteressant.

Gibt es hier entsprechende Produkte und Angebote? Was sind ggf.
Hinderungsgründe und wo liegen die Probleme? Mit Versicherungsmathematik hat
das natürlich wenig zu tun, umsomehr aber mit einer anderen Kernkompetenz
der Lebensversicherer, nämlich Kapital sicher und ertragsreich anzulegen und
evtl. - über längere Zeit - im Voraus sogar eine bestimmte Mindestverzinsung
zu garantieren.

Schöne Grüße

[Name ausgeblendet]

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