Versicherungsprobleme im Homeoffice

11.12.2020 11:32:00

Werte Kolleginnen und Kollegen,

einer meiner Mandantinnen fragt mich, ob Sie einen besonderen Versicherungsbedarf hat, wenn Sie in Ihrem Homeoffice für Ihren Arbeitgeber mit Ihrem privaten Laptop tätig ist?

Wir haben in diesem Bereich niemals Schwierigkeiten gehabt, im Prinzip kann man sich aber Probleme vorstellen.

Der Computer meiner Mandantin könnte durch einen Virus, der durch die Verbindung mit dem Arbeitgeber eingeschleust wird, ihren Laptop so beschädigen, dass er verschrottet werden muss. Wie weit könnte der Arbeitgeber behaupten, dass meine Mandantin einen Virus in Firmennetzwerke eingeschleust hat und Sie in Regress nehmen oder rausschmeißen? Hat sich vielleicht jemand von Ihnen mit der Problematik beschäftigt und kann Versicherungslösungen anbieten oder gibt es allgemeine Informationen zu dem Thema (vielleicht von Rechtsanwälten erstellt), die sich mit der Problematik beschäftigt haben und die versuchen im Vorfeld durch Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Konfliktrisiken zu meiden.

Kennt jemand von Ihnen Fälle, bei denen es zu Konflikten gekommen ist?

Viele Grüße

[Name ausgeblendet]

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11.12.2020 12:38:04

Hallo Herr [Name ausgeblendet],

egal wo, Arbeitnehmer haften dem Arbeitgeber und Dritten stets für Schäden,
die sie bei ihrer Tätigkeit verschulden. Egal ob im Betrieb, beim Kunden,
auf "Baustellen" oder im Homeoffice.

Nur bei leichter Fahrlässigkeit haben sie einen Anspruch, dafür vom
Arbeitgeber freigestellt zu werden - bei mittlerer und grober Fahrlässigkeit
und bei Vorsatz haften sie anteilig oder gar voll.

Ich kenne hingegen kaum Fälle, wo sich Arbeitnehmer deshalb größere Gedanken
machen oder gar nach einer Absicherung ihrer Arbeitnehmerhaftung fragen.
Wenn jemand also hier an einer bestimmten Stelle sich ein Risiko vorstellt,
würde ich ihn doch erst einmal fragen, ob er denn sein übriges
Haftungsrisiko als Arbeitnehmer gar nicht sieht.

Wie er diese Arbeitnehmerhaftung allgemein absichern könnte, etwa mit
welchem Versicherungsangebot, ist eine andere Frage. Es gibt m.E. weder eine
allgemeine Nachfrage noch Angebote, und ich wüsste auch nicht, dass
Versicherungsvermittler das Arbeitnehmerrisiko bei ihrer Ermittlung
abzusichernder Risiken ansprechen. Und: was sagt denn ein Vermittler, wenn
ein Arbeitnehmer von sich aus ihn wegen dieses Risikos anspricht?

Die meisten werden sich wohl sagen, dass sie halt aufpassen und nicht grob
fahrlässig handeln.

Wenn der AG das Homeoffice wünscht, kann doch auch konkret für das
beschriebene Risiko ein Haftungsausschluss zu Gunsten des AN vereinbart
werden, auch für grobe Fahrlässigkeit.

Dass Rechtsanwälte sich mit dem Thema der Arbeitnehmerhaftung stärker
auseinandersetzen, glaube ich nicht, ebenso auch nicht die
Versicherungsunternehmen. Was würde denn geschehen, wenn dieses Risiko den
Arbeitnehmern in schwarzen Bildern vor Augen geführt würde? Sie würden ggf.
Angst bekommen und viele sehr viel vorsichtiger werden, alles genauer prüfen
und weniger risikobereit werden. Sie würden die gleiche Tätigkeit zwar
sicherer ausführen, aber sehr viel länger dafür brauchen. Statt sich unter
Zeitdruck setzen zu lassen würden sie schlicht sagen, dass sie den Auftrag
nicht rechtzeitig erledigen können. Das wäre der Sand im Getriebe, den
unsere Wirtschaft (auch Rechtsanwaltskanzleien, Versicherungsagenturen und
Maklerbüros sowie Versicherungsunternehmen) gerade noch gebrauchen können,
inkl. der hohen Kosten für zusätzliches Personal, das man deshalb anstellen
müsste.

Also besser ist es, das Arbeitnehmerrisiko gar nicht anzusprechen oder zu
bagatellisieren.

Schöne Grüße

[Name ausgeblendet]

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11.12.2020 13:35:19

Moin Herr [Name ausgeblendet],

das ist ja alles richtig, mit Ausnahme Ihres letzten Satzes.

Richtig ist, dass es praktisch keine persönliche Absicherung gegenüber dem
Arbeitgeber gibt (Ausnahme bei bestimmten Berufen z.B. Bundeswehr etc).
Offenbar hat die Versicherungswirtschaft auch kein Interesse an solchem
Geschäft. Einzig eine D&O wäre möglich, aber versuchen Sie mal eine solche
für einen "gemeinen Arbeitnehmer" zu placieren.

Dennoch bin ich auch für Eigenverantwortung und darauf weise ich meine
Kunden immer hin. Wenn ein Busfahrer jemanden "umfährt" dann kommt immer
Staatsanwalt und dessen Sanktionen trägt er immer persönlich!
Das Berufsleben ist auch ohne Probleme eben nicht leicht.

Grundsätzlich empfehle ich bei HOMEOffice, dass niemals eigene Geräte
genutzt werden und auch als AG hätte ich daran ein großes Interesse! Mit
Firmen-Laptop über das private Netz ist sicher kein Problem. Macht der AN
damit "dummes Zeug" ist das nicht anders zu bewerten, als er den selben
Quatsch von der Firma aus macht.

Mit freundlichen Grüßen

[Name ausgeblendet]

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11.12.2020 14:39:47

Herzlichen Dank an die Diskussionsteilnehmer. Ich hatte so etwas schon geahnt, aber möglich wäre es doch gewesen, dass es noch Dinge gibt in der Versicherungslandschaft, die ich nicht kenne.

Vor etwa 28 Jahren gab es einmal eine Privathaftpflichtversicherung mit Einschluss der Berufshaftpflichtversicherung für einen Zuschlag von 10 € jährlich plus Steuer. Die wurde über Carl-Rieck Rodgau über den Versicherer Nippon angeboten nur für Mitglieder des Verbundes der Fairsicherungsläden eG. Sehr viele Menschen haben dieses Zusatzpaket abgeschlossen (für das bisschen Geld), ein Versicherungsfall ist mir nicht bekannt. Die Vertrieb dieser Haftpflichtversicherung wurde dann nach ein paar Jahren nicht fortgeführt.

Viele Grüße

[Name ausgeblendet]

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11.12.2020 22:34:35

Hallo Herr [Name ausgeblendet],

neben Versicherungen gibt es auch Unterstützungskassen, und da gibt es
tatsächlich etwas zum Schutz vor Arbeitnehmer-Haftung, schon seit 1910:

Die "Gewerkschaftliche Unterstützungseinrichtung der DGB-Gewerkschaften" ist
keine Versicherung. Sie ist eine Einrichtung der Einzelgewerkschaften im
Deutschen Gewerkschaftsbund.

Die Mitglieder schützen sich damit gegen Risiken bei beruflicher und
dienstlicher Tätigkeit

https://www.guv-fakulta.de/unsere-leistungen.html

mit Schadenbeispielen der Arbeitnehmerhaftung, wo geholfen wurde:

https://www.guv-fakulta.de/schadenbeispiele.html

Kollege [Name ausgeblendet]beim Entladen eines LKW mit dem Stapler rückwärts gegen eine
Wand. Es entstand ein beträchtlicher Schaden. Regressforderung: 600 Euro

Die GUV/FAKULTA unterstützte mit 576 Euro Schadenersatzbeihilfe.

Beim Ausbaggern einer Baugrube kippte Baumaschinist L. mit seinem Bagger um.
Gesamtschaden 16.362 Euro. Vor dem Arbeitsgericht wurde Kollege [Name ausgeblendet]. zu einem
Schadenersatz in Höhe von 5.625 Euro verurteilt.

Die GUV/FAKULTA unterstützte mit 5.400 Euro Schadenersatzbeihilfe.

Kundenberater S verlor seinen Dienstschlüssel Schaden für eine neue
Schließanlage 20.000 Euro. Der Arbeitgeber verlangte Schadenersatz ver.di
erteilte Rechtsschutz Der Kollege [Name ausgeblendet]10.000 Euro zahlen.

Die GUV/FAKULTA unterstützte den Kollegen mit 9.200 Euro
Schadenersatzbeihilfe.

Schöne Grüße

[Name ausgeblendet]

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12.12.2020 10:18:03

Lieber Hans-Anton,

genau die gute alte Police mit Nippon / Carl Rieck - ich saß mit am Tisch als Frank + Harald sie mit Heuer + [Name ausgeblendet] erarbeitet haben.

In meiner PHV-Beratung gehört die Arbeitnehmerhaftung zu meinem Standard. Es gibt die Lehrer- und Amts-HV für alle Personen die im öffentlichen Dienst (oder eben gleichgestellt) arbeiten. Da wäre für ein Busfahrer eventuell eine Absicherung bei einem VR möglich. Bislang durfte ich diese Berufsgruppe noch nicht beraten.

Bei 95% meiner Beratung ist die Haftung als Arbeitnehmer unbekannt. Viele glauben mir nicht und versichern sie auch nicht. Bei Lehrern ist es wohl Standard es zu tun - oder?

Du könntest nach Cyber-Bausteinen in der PHV schauen ...

Und wenn hier das Problem auf den Betrieb abgewälzt wird, dann müssen wir uns als Makler dringend um unsere Betriebe kümmern.

Bin gerade in Quarantäne und wenn die ausläuft, dann gibt es den Lockdown ...
Weihnachten sollte irgendwie anders sein
In diesem Sinne
pe

[Name ausgeblendet]

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12.12.2020 12:07:48

Hallo alle,

es gibt gute Gründe, weshalb zum einen die Haftung des Beamten wie auch
sonst im öffentlichen Dienst zum einen besser versicherbar ist, zum anderen
eine Versicherung wegen der Höhe der Haftung auch notwendiger ist.

Ein Beamter der während der Ausübung eines öffentlichen Amtes und damit
hoheitlicher Tätigkeit eine Pflichtverletzung begeht, haftet. Im
Außenverhältnis gegenüber Dritten haftet grundsätzlich der Dienstherr [Name ausgeblendet]
dessen schuldhafte Pflichtverletzung im Dienst. Im Innenverhältnis haftet
der Beamte für das Vermögen des Dienstherrn [Name ausgeblendet]
Drittschäden. Ein Regressanspruch besteht - und zwar unbegrenzt - aber nur
bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Handeln, nicht bei mittlerer oder
leichter Fahrlässigkeit.
Bei Arbeitnehmern - wenn keine andere Vereinbarung besteht - hat die
Rechtsprechung Grundsätze zur Schadenshaftung entwickelt. Danach haftet der
Beschäftigte auch für mittlere Fahrlässigkeit - diese ist allerdings unter
Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse begrenzt.

Ausnahme: Arbeitnehmer im ÖD. Hier haben § 3 Abs. 7 TVöD und § 3 Abs. 7 TV-L
den § 14 BAT, der bisher die Haftung der Angestellten regelte, ersetzt. In §
3 Abs. 7 TVöD bzw. § 3 Abs. 7 TV-L ist vereinbart, dass für die
Schadenshaftung der Beschäftigten die Regelungen für Beamte entsprechend
angewendet werden.

Es gibt also große Unterschiede zwischen ÖD und Privatwirtschaft, die für
ersteren eine Versicherbarkeit und wegen der möglichen Schadenhöhe die
Notwendigkeit dazu ergeben, für letztere aber dies relativ erschweren.
Obwohl auch ein Arbeitnehmer der Privatwirtschaft existentiell betroffen
sein kann.

Hinzu kommt, dass Arbeitgeber wohl nicht Wert darauf legen, ihre
Arbeitnehmer wegen deren Haftung zu verschrecken. Eher wird ja sogar eine
Kultur des Vertrauens, einer gewissen Eigeninitiative und Risikobereitschaft
und einer Inkaufnahme von Fehlern propagiert, aus denen man lernen könne. So
ein deutscher Vorstandsvorsitzender, wo man meinte, es müsse ja alles nur zu
90 % richtig sein, das genüge, und mehr Personal bräuchte man nicht. Als
dann aber ein in Deutschland verursachter relativ kleiner Fehler von 400
Mio. EUR in der internationalen Bilanz bis zu seiner Bereinigung zu einer
Verschiebung der Bilanzpressekonferenz des internationalen Konzerns führte,
musste er als deutscher Vorstandsvorsitzender abtreten. Wer will schon
Arbeitnehmer, die meinen, sie sollten besser überall zweimal hinsehen, weil
sie realisiert haben, wie sie haften.

Zudem würde in dem Fall, dass normale Arbeitnehmer sich hoch versichern, die
Rücksichtnahme auf das Einkommen bei der hier hinzukommenden mittleren
Fahrlässigkeit wohl wegfallen, die Haftung also noch teurer werden. Anders
wenn es sich um eine freiwillige Unterstützungskassenleistung handelt, wie
für 21 EUR im Jahr über den DGB oder über eine allgemeine
Unterstützungskasse. Generell haften sie Dritten gegenüber indes sogar auch
bei leichter Fahrlässigkeit neben dem Arbeitgeber und sollten stets mit
verklagt werden. Denn man weis als Geschädigter ja nicht, ob und wie hoch
der Arbeitgeber versichert ist und ob er nicht vielleicht sogar - nicht nur
wegen des Schadens - insolvent wird. Wonach dann ggf. vom Arbeitnehmer noch
etwas zu holen ist, bevor auch dessen ganzes Vermögen aufgebraucht ist und
er dann in die Privatinsolvenz und spätere Restschuldbefreiung geht.

Schöne Grüße

[Name ausgeblendet]

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12.12.2020 13:06:50

Herr [Name ausgeblendet]an alle:

Die von Ihnen, unten beschriebenen Regeln sind ja nicht neu und ein Makler sollte sie auch kennen - was offenbar nicht so ist.

Es ist für mich nicht ersichtlich, warum Bedienstete des öD besser abgesichert sein müssen als normale AN.
Die Nischenregelungen über Gewerkschaft etc. sind unzureichend und kosten relativ viel.

Bestimmte Risiken kann ein AN aber reduzieren: erstens DENKEN und dann gibt es ja durchaus private HaftplichtVS die in ausreichendem Maß z.B. Schlüsselschäden und auch Haftpflichtansprüche des Arbeitgebers und von Arbeitskollegen absichert. Leider mit relativ geringen Summen, aber 10.000 EUR sind ja auch erst mal etwas und werden sicher 98% aller Ansprüche dieser Art abdecken..
Mit grauweißgemütstrübenden, coronageschwängerten Grüßen

[Name ausgeblendet]

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12.12.2020 14:35:55

Hallo Herr [Name ausgeblendet],

umgekehrt war es wohl für AN des öD nicht einzusehen, warum sie hier
schlechter gestellt sein sollen als Beamte.

Bei diesen kommt es aus der besonderen Fürsorgepflicht des Dienstherrn [Name ausgeblendet]
die Berufsbeamten. Warum aber soll dann ein Nicht-Beamter im öD, der neben
dem Beamten im Grunde die gleiche Tätigkeit verrichtet, schlechter gestellt
sein? Da haben die Gewerkschaften für den öD wohl sich gut durchsetzen
können, zumal wenn dieser seine Vorstellungen über den Abbau von Beamten und
deren Ersetzung durch normale Beschäftigte im öD wiederum dort durchsetzen
wollte. Also eine Verhandlungssache.

Bei den AN in der Privatwirtschaft gibt es das Argument nicht - wer wollte
denn fordern, dass sie Beamten gleichgestellt werden? Außer als es darum
ging, dass auch ihre Renten wie die Pensionen voll versteuert werden, ab
2040.

Mal davon abgesehen handelt es sich doch vielleicht auch um ein
sinnstiftendes Betätigungsfeld für Betriebsräte und Gewerkschaften, im
Einzelfall den von Haftung betroffenen AN als Gewerkschaftsmitglieder oder
gar solchen der entsprechenden Unterstützungskasse beizustehen. Es gibt ja
nach Beendigung des Klassenkampfes, nach der Einführung der
Sozialpartnerschaft, der Friedenspflicht und der Betriebsgemeinschaft sowie
der weitgehenden Gültigkeit von Tarifverträgen auch für
Nicht-Gewerkschaftsmitglieder sonst nicht mehr viel, wo sich eine
Gewerkschaft als nützlich erweisen kann. Ein paar verbleibende Streitpunkte
sollte man sich dann vielleicht doch noch erhalten, als Gewerkschaft
gegenüber Arbeitgebern. Oder wie es bei G'trok [Name ausgeblendet]t: "Hoch jaghpu'Daj
HoHbogh SuvwI' yIvup".

Schöne Grüße

[Name ausgeblendet]

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12.12.2020 16:30:37

Nochmals herzlichen Dank für Behandlung des spannenden Thema,
vor allem an Sie Herr [Name ausgeblendet].

Und allen ein schönes Wochenede

Hans Anton [Name ausgeblendet]

[Name ausgeblendet]

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