Trotz der Rekordüberschüsse bei der gesetzlichen Rentenversicherung und der
Bundesagentur für Arbeit von insgesamt mehr als acht Milliarden Euro sowie
vermeintlicher Fortschritte bei der Gesundheitsreform: Die Träger der
gesetzlichen Sozialversicherung blicken eher skeptisch in die Zukunft. Jeder
fünfte Entscheider erwartet, dass sich die Situation im eigenen Zweig bis 2008
verschlechtern wird. Fast die Hälfte wagt keine Prognose über die finanzielle
Entwicklung. Vor allem die Krankenkassen, mit einem Schuldenberg von vier
Milliarden Euro, haben es schwer. Mit einem verstärkten Controlling wollen die
Träger der Sozialversicherung ihre Ausgaben für die Erbringung der jeweiligen
Leistungen und die dafür notwendigen Verwaltungsstrukturen in den Griff
bekommen. Kooperationen sollen Synergien für neue Investitionen in mehr
Transparenz und Service für die Versicherten freisetzen. Das ist das Ergebnis
der Top-Entscheiderbefragung „Branchenkompass 2006 Sozialversicherungen“ von
Steria Mummert Consulting in Zusammenarbeit mit dem F.A.Z.-Institut.
Vier
der fünf Säulen der gesetzlichen Sozialversicherung stehen in den kommenden
Jahren vor weit reichenden Veränderungen. Konsolidierungsdruck bei
gleichzeitiger Unklarheit über Rahmenbedingungen und Gestaltungsspielräume
führen dabei zu Verunsicherung im Management. Um die künftigen Herausforderungen
zu bewältigen, wollen die Träger der Sozialversicherung insbesondere das
Controlling verbessern und Kosten senken. In erster Linie soll dies mit
einheitlichen Geschäftsabläufen erreicht werden. Eine verbesserte Budgetplanung
und Qualitätssicherung können ebenfalls zu einem Rückgang der Ausgaben beitragen
und für mehr Transparenz bei den internen Kosten sorgen.
In vielen Fällen
führen Integrationsmaßnahmen im Rahmen von Fusionen zu den gewünschten
Einspareffekten. Der Grund: Der Gesetzgeber wünscht sich eine kleine Anzahl
schlagkräftiger und fokussierter Träger. Sieben von zehn Befragten sehen sich
deshalb von der Politik unter Fusionsdruck gesetzt. Jeder vierte befragte
Sozialversicherungsträger bereitet gegenwärtig einen Zusammenschluss vor. Auch
Outsourcing-Maßnahmen können sich die Versicherer vorstellen: Knapp zwei Drittel
überlegen, ihr Rechenzentrum in externe Hände zu geben. Andere klassische
Outsourcing-Bereiche wie IT-Betreuung, Kantine oder Facility Management nehmen
über die Hälfte der Befragten jedoch als Aufgabe des eigenen Hauses wahr. Das
Streichen von Arbeitsplätzen ist bei den Sozialversicherungen mittelfristig kein
Thema: Lediglich elf Prozent der Befragten erwägen auch Kosteneinsparungen durch
Personalabbau.
Als einzige der fünf Säulen hat die Deutsche
Rentenversicherung die Konsolidierung bereits größtenteils hinter sich. Bei ihr
sind sich zumindest zwei Drittel der Entscheider sicher, dass es ihrem Zweig in
Zukunft nicht schlechter ergehen wird als der Gesamtwirtschaft. Mit diesem
Wissen können sie konkret die strategische Neuausrichtung planen: Angesichts der
gestiegenen Bedeutung zusätzlicher Altersversorgung will sich die Deutsche
Rentenversicherung – neben ihrem Kerngeschäft – als der zentrale
Beratungsdienstleister für Altersvorsorge in Deutschland
positionieren.
Die anderen Zweige der Sozialversicherung haben es
schwerer, ihre Geschäftsplattform zu erweitern. Der Weg zum Erschließen neuer
Geschäftsfelder ist für sie keine Option: Eine Ausweitung der Geschäftstätigkeit
lässt der Gesetzgeber nur in einem eng gesteckten Rahmen zu. Er bestimmt, was
zum Kerngeschäft zählt. Für eine Erweiterung des Aufgabenfeldes wäre eine
Gesetzesänderung notwendig. Um sich als Dienstleister breiter aufzustellen,
setzen die Sozialversicherungsträger daher auf Kooperationspartner aus Branchen
außerhalb der eigenen Geschäftstätigkeit. Der Gesetzgeber sieht für die
Tätigkeiten der Sozialversicherer zwar eine enge rechtliche Beschränkung vor,
aber durch Kooperationen können die Träger ihr Produktportfolio ohne rechtliche
Hindernisse erweitern.
Neben den Kosten spielt die Ausrichtung am Kunden
für alle Träger der betrachteten Sozialversicherungszweige eine wichtige Rolle.
Jeweils acht von zehn Entscheidern aus diesen Zweigen bewerten das Thema als
sehr bedeutend. Die Befragten legen in den nächsten Jahren den größten Wert auf
den Ausbau der individuellen Kundenberatung sowie auf die Erweiterung von
Leistungen. Zur Verbesserung des Kundenservice gehört, dass eine Mehrheit der
Träger den Kommunikationskanal Internet ausbauen will. Die Versicherten sollen
sich künftig leichter online über ihre Anwartschaften auf Sozialleistungen und
über Zusatzleistungen der Sozialversicherer informieren können. Dazu kommt die
Möglichkeit, beispielsweise elektronische Anträge zu versenden.
Nicht nur
im digitalen Bereich soll der Service verbessert werden. Die Versicherer setzen
verstärkt auf eine qualifiziertere Beratung ihrer Kunden: Häufig sind die
einzelnen Leistungsangebote bisher gar nicht bekannt, da zum Produktportfolio
jener – wie etwa in der gesetzlichen Unfallversicherung – auch zahlreiche
versicherungsfremde Leistungen gehören. Deshalb sollen die
Versicherungsmitarbeiter zukünftig auch in der ganzheitlichen Betreuung ihrer
Kunden geschult werden, um diese über die Möglichkeiten der jeweiligen
Sozialleistungen umfassend aufzuklären.
Die aktuelle Studie
„Branchenkompass 2006 Sozialversicherungen“ von Steria Mummert Consulting
entstand in Zusammenarbeit mit dem F.A.Z.-Institut. In einer
Topentscheiderbefragung informierten 100 Führungskräfte deutscher
Sozialversicherungsträger über ihre Investitionsziele und die Marktpolitik bis
2008.
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