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04.02.2011 - dvb-Presseservice

GDV: Probelauf legt erheblichen Nachbesserungsbedarf bei Solvency II offen

- Methodik führt zu volatilen, nicht belastbaren Ergebnissen. - Komplexitätsgrad steht in keinem Verhältnis zum Nutzen.

„Der Probelauf zu Solvency II hat gezeigt, dass das Regelwerk noch nicht reif für die Umsetzung ist. Das war keine gelungene Generalprobe“, sagt Jörg von Fürstenwerth, Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). „Im Gegenteil: Die Studie hat deutlich gemacht, dass es noch erheblichen Nachbesserungsbedarf bei Solvency II gibt. Es geht nicht um Kosmetik. Damit das Projekt zum Erfolg führt, sind wesentliche Änderungen notwendig. In der aktuell vorgeschlagenen Form würde das Regelwerk sein Ziel – ein stabiles Aufsichtsregime für Europa zu schaffen – klar verfehlen.“

Von August bis November 2010 hatten sich die deutschen Versicherer an einem europaweiten Probelauf beteiligt, bei dem die für Solvency II vorgeschlagenen Kapitalanforderungen in der Praxis getestet werden sollten (Quantitative Impact Study 5, QIS5). Diese Studie zur Abschätzung der Auswirkungen von Solvency II wurde von den europäischen Versicherungsaufsehern bereits zum fünften Mal seit 2005 durchgeführt (QIS 1 bis 5) und soll die Generalprobe vor der Umsetzung von Solvency II zum 01.01.2013 sein. Ab dann sollen für alle europäischen Versicherer einheitliche aufsichtsrechtliche Anforderungen an die Kapitalausstattung gelten.

Schon die Durchführung dieses fünften Tests war für die Unternehmen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. So waren Testunterlagen zum Start der Studie fehlerhaft, unverständlich und unfertig. Die endgültigen Unterlagen lagen erst im Laufe der Testdurchführung vor, sodass den Unternehmen wertvolle Zeit verloren ging. Auch waren die mehr als 1.000 Seiten umfassenden Dokumente hauptsächlich nur in englischer Sprache verfügbar, was sich für viele Unternehmen als Hindernis erwies.

Trotz der stark erschwerten Bedingungen hat sich in Deutschland die von der EU-Kommission geforderte Mehrheit der Unternehmen an dem Test beteiligt.

Der Probelauf selbst hat aber gezeigt, dass es vor allem in folgenden Bereichen noch starken Nachbesserungsbedarf bei Solvency II gibt:

  • Die derzeit vorgesehene Methode zur Bewertung langfristiger Verpflichtungen in der Lebensversicherung führt zu stark schwankenden und damit nicht aussagekräftigen Ergebnissen. So wären die Lebensversicherer marktweit in der Testphase innerhalb Wochen und Tagen mit starken Schwankungen im Kapitalbedarf konfrontiert gewesen – obwohl sich in diesem Zeitraum ihre Finanzstabilität nicht verändert hat. Hier ist deutlich geworden, dass die sog. Zinsstrukturkurve, mit der Zinsentwicklungen über viele Jahrzehnte modelliert werden, in der getesteten Form ungeeignet ist. Von ihr hängt ganz wesentlich die Kapitalunterlegung langfristiger Garantien ab. Die derzeit vorgeschlagene Methodik zur Ermittlung der Zinsstrukturkurve würde es den Unternehmen deutlich erschweren, langfristige Zinsgarantien anzubieten. In der Folge würden Altersvorsorgeprodukte erheblich teurer oder könnten nicht mehr angeboten werden.
  • Die Anwendung der Solvency II-Regeln ist zu komplex und wird nicht ausreichend vom tatsächlichen Geschäft eines Unternehmens abhängig gemacht. Unter Solvency II sollen sich die Kapitalanforderungen konsequent an den eingegangenen Risiken orientieren. Das heißt aber auch: Versicherer, die wenig risikoreiches Geschäft betreiben, müssen die Solvency II-Regeln nicht genauso anwenden wie Versicherer, die höhere Risiken eingehen. Unter Solvency II soll es deshalb eine Standardformel geben, die vor allem kleine und mittlere Unternehmen zur Ermittlung des erforderlichen Kapitals nutzen können. Diese Formel ist inzwischen jedoch so komplex geworden, dass sie für diese Unternehmen nicht mehr praktikabel ist. Dabei hat der Test gezeigt, dass eine höhere Komplexität nicht gleichzeitig auch zu einer besseren Risikomessung führt und daher völlig kontraproduktiv ist.
  • Viele Parameter, nach denen die eingegangenen Risiken bewertet werden müssen, sind ungeeignet. Die durch die Bankenkrise geschürte Furcht vor zu laxen Aufsichtsregeln hat zu Vorschlägen geführt, die viele Risiken massiv überbewerten und damit Produkte grundlos verteuern. Beispielsweise ist nicht nachvollziehbar, warum zur Absicherung einer Anleihe mit zehnjähriger Laufzeit und der Bonitätsnote „AA“ beim aktuellen Test etwa vier Mal soviel Kapital vorgehalten werden musste wie beim letzten Test. Durch falsche Parameter setzen die jetzt getesteten Regeln zudem klare Anreize, in kurzfristige Anlagen zu investieren und langfristige zu meiden. Mit kurzfristigen Kapitalanlagen würde es jedoch für die Versicherer deutlich schwerer, ihre zumeist langfristigen Verpflichtungen zu decken. Versicherer würden außerdem als langfristige Investoren ausfallen. Die Folgen für die europäischen Volkswirtschaften wären einschneidend. Allein die deutschen Versicherungen managen Kapitalanlagen in Höhe von 1,2 Billionen Euro.

Die Generalprobe für eines der größten Projekte der europäischen Finanzaufsicht hat durch mangelhafte Qualität und ineffiziente Prozesse das Vertrauen der Unternehmen in die künftigen Kapitalanforderungen untergraben. Für die Unternehmen ist das eine denkbar schlechte Voraussetzung bei der Bewältigung der Aufgaben, die sie bis zur erfolgreichen Umsetzung von Solvency II noch vor sich haben. Die deutschen Versicherer plädieren deshalb nachdrücklich für umfassende Nachbesserungen und haben dazu detaillierte Vorschläge in die europäische Diskussion eingebracht.

Ein ausführliches Positionspapier zu den notwendigen Änderungen für das Gelingen von Solvency II steht zum Download zur Verfügung unter http://www.gdv.de/Themen/Stellungnahmen/inhaltsseite28229.html.

Solvency II in Kurzform: Die seit 2000 geplante Reform der europäischen Versicherungsaufsicht (Solvency II) soll die Versicherungswirtschaft nachhaltig stärken und wettbewerbsfähiger machen. So sollen sich die Kapitalanforderungen an die Unternehmen künftig konsequent an den tatsächlich eingegangenen Risiken orientieren. Aber auch die Anforderungen an das Risikomanagement und die Berichterstattung der Versicherer sollen modernisiert werden. Diese Ziele wurden von der deutschen Versicherungswirtschaft von Anfang an mitgetragen.




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