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GDV fordert weiter erhebliche Nachbesserungen bei Solvency II

Die guten Ergebnisse des deutschen Marktes beim jüngsten Solvency II-Testlauf, die die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA heute veröffentlicht hat, ändern aus Sicht des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) nichts an dem dringenden Nachbesserungsbedarf bei Solvency II. „So erfreulich die gute Eigenkapitalausstattung der deutschen Unternehmen einerseits ist, so wenig darf sie darüber hinwegtäuschen, dass es weiterhin wichtige Großbaustellen im vorgeschlagenen Regelwerk gibt“, sagt Jörg von Fürstenwerth, Vorsitzender der GDV-Hauptgeschäftsführung. „Im Fokus der Nachbesserungen muss vor allem die Reduzierung der Volatilität und der Komplexität der aktuellen Kapitalanforderungen stehen. Reine Kosmetik wird hier nicht ausreichen.“

Von August bis November 2010 hatten sich die deutschen Versicherer an einem europaweiten Probelauf beteiligt, bei dem die für Solvency II vorgeschlagenen Kapitalanforderungen in der Praxis getestet werden sollten (Quantitative Impact Study 5, QIS5). Schon die Durchführung des Tests war für die Unternehmen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, weil Testunterlagen zum Start der Studie fehlerhaft, unverständlich und unfertig waren. Neben dem unbefriedigenden Ablauf besteht aus Sicht des GDV in folgenden Bereichen weiterhin erheblicher Nachbesserungsbedarf:

  • Vor allem muss es darum gehen, in Solvency II eine geeignete Methode zur Bewertung langfristiger Verpflichtungen in der Lebensversicherung zu verankern. Aktuell führt die Methodik der sog. Zinsstrukturkurve zu stark schwankenden und damit nicht handhabbaren Ergebnissen. Zwar zeigen die von EIOPA jetzt veröffentlichten Ergebnisse eine marktweit hohe Stabilität der deutschen Unternehmen zum 31.12.2009. Betrachtet man jedoch Stichtage über einen längeren Zeitraum, erweisen sich die Ergebnisse für die Lebensversicherung als stark volatil – weit über die tatsächliche Volatilität der Kapitalmärkte hinaus. So wären die Lebensversicherer innerhalb von Wochen und Tagen mit starken Schwankungen im Kapitalbedarf konfrontiert gewesen, obwohl sich ihre Finanzstabilität in diesem Zeitraum nicht verändert hat. Diese Volatilität würde es den Unternehmen deutlich erschweren oder unmöglich machen, langfristige Zinsgarantien anzubieten.
  • Für eine erfolgreiche Einführung von Solvency II muss die Komplexität des Regelwerks auf ein beherrschbares Maß zurückgefahren werden. Die Standardformel hat einen Grad der Komplexität erreicht, der nicht nur für kleine und mittlere Unternehmen nicht mehr zumutbar ist. Dabei hat der QIS5-Test gezeigt, dass eine höhere Komplexität nicht gleichzeitig auch zu einer besseren Risikomessung führt.
  • Für ein stabiles Aufsichtssystem ist zentral, dass vernünftige Parameter zur Bewertung der eingegangenen Risiken festgelegt werden. Viele der jetzt vorgeschlagenen Parameter bewerten die Risiken zu scharf oder setzen Anreize, in kurzfristige Anlagen zu investieren und langfristige zu meiden. Aufsichtsbedingte Fehlallokationen in der Kapitalanlage der Versicherer wären aber nicht nur für die Branche selbst, sondern auch für die europäischen Volkswirtschaften einschneidend. Allein die deutschen Versicherer managen Kapitalanlagen in Höhe von 1,2 Billionen Euro.

Solvency II in Kurzform: Die seit 2000 geplante Reform der europäischen Versicherungsaufsicht (Solvency II) soll die Versicherungswirtschaft nachhaltig stärken und wettbewerbsfähiger machen. So sollen sich die Kapitalanforderungen an die Unternehmen künftig konsequent an den tatsächlich eingegangenen Risiken orientieren. Aber auch die Anforderungen an das Risikomanagement und die Berichterstattung der Versicherer sollen modernisiert werden. Diese Ziele wurden von der deutschen Versicherungswirtschaft von Anfang an mitgetragen.