Nun steht es fest: Trotz der Modellprojekte in einigen anderen ostdeutschen Bundesländern legt Sachsen-Anhalt ein weiteres, vorerst auf drei Jahre begrenztes und aus Landesmitteln zu erforschendes Projekt - mobile Praxisassistentin - auf. Ziel soll es sein, einigen ausgewählten älteren Menschen ab 65 Jahren ein aufsuchendes, hausarztentlastendes Leistungsangebot zu machen. Der Hausarzt soll in drei Modellregionen Leistungen für diese Patienten - vorausgesetzt sie sind chronisch krank und bedürfen einer dauerhaften ärztlichen Behandlung - an seine Arzt- oder Sprechstundenhelferinnen zu Lasten der AOK delegieren können.
Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa), der mehr als
5.300 private Pflegeeinrichtungen vertritt, begrüßt nachdrücklich, dass die
Leistungen für chronisch kranke alte Menschen verbessert werden sollen. Aber
warum ein weiterer Modellversuch für eine kleine Patientengruppe? Dass immobile
ältere Menschen in ihrer Häuslichkeit medizinisch und pflegerisch versorgt
werden müssen, weil sie den beschwerlichen Weg zum Arzt nicht mehr schaffen,
ist bekannt. Dass der Bevölkerungsanteil der alten Menschen zunimmt und immer mehr dieser Mitbürger auf medizinische und pflegerische Hilfe angewiesen sind, war
ursächlich für den flächendeckenden Aufbau von Pflegediensten. Diese
Pflegedienste mit ihren examinierten Pflegekräften haben bisher die
Behandlungspflege auf Verordnung des Hausarztes wahrgenommen. Jetzt werden
zusätzliche Doppelstrukturen mit ärztlichen Helferinnen aufgebaut. Der bpa plädiert dafür, Pflegedienste einzubeziehen, um deren fachliche
Ressourcen und deren hohes soziales Engagement zu nutzen.
Viele der heute in Pflegediensten Beschäftigten waren bis 1990 als Gemeindeschwestern
tätig. "Ehemalige Gemeindeschwestern gründeten damals eigene
Pflegedienste. Damit schaffen sie nicht nur Arbeitsplätze auch in strukturschwachen
Regionen, sondern versorgen in Zusammenarbeit mit den Hausärzten an 365 Tagen
im Jahr rund um die Uhr kranke und hilfebedürftige Menschen. Was wird aus diesen engagierten Fachkräften, die eine
häusliche Versorgungsstruktur für kranke und alte Menschen aufgebaut haben,
falls das Modelprojekt Schule macht?", kommentiert Stephan Richter,
stellvertretender Landesvorsitzender des bpa in
Sachsen-Anhalt.
"Warum werden jetzt neue Parallelstrukturen mit Praxisassistentinnen, die in 160 Stunden qualifiziert werden, aufgebaut? Durch das Engagement der Pflegedienste sind bewährte und gewachsene Angebote bereits jetzt vorhanden", so Richter weiter. "Aufgaben wie das Überwachen des Blutdrucks, die die "Mobilen Praxisassistentinnen" übernehmen sollen, erbringen ambulante Pflegedienste bereits seit vielen Jahren zuverlässig mit hoch qualifizierten Pflegeteams. Die dafür notwendige Zusammenarbeit mit den Hausärzten hat sich während dieser Zeit sehr gut entwickelt und bewährt."
Das Leistungsspektrum ambulanter Pflegedienste umfasst neben der Grund- und
Behandlungspflege die soziale Betreuung, die Pflegeberatung sowie die
Überleitungspflege bis hin zur Unterstützung bei der Hilfsmittelversorgung und
Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge wie z.B. Ernährungsberatung und
Sturzprophylaxe.
"Der drohenden medizinisch-pflegerischen Unterversorgung in ländlichen Regionen
müssen wir eine Vertiefung der Kooperation zwischen Ärzten und Pflegediensten
entgegensetzen. Die vorhandenen Ressourcen müssen gestärkt und ausgebaut
werden. Die Krankenschwestern der Pflegedienste übernehmen die ärztliche
Entlastung bereits heute. Sie führen die Behandlungspflege durch, für die sie
ausgebildet sind, und sie sind bei den immobilen chronisch kranken älteren
Menschen häufig bereits im Einsatz. Daher wäre ein Modellversuch, der an diesen
bestehenden und bewährten Strukturen ansetzt und aufzeigt wie diese zum Wohle
der älteren Menschen ausgebaut und effizienter werden können, dringend erforderlich."
so Stephan Richter abschließend.