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Investec Asset Management Standpunkt: Zahlungsausfall der Griechen unausweichlich

Griechenland macht aller Orten Schlagzeilen, denn der Sisyphos-Kampf der Republik gegen ihre Schulden eskaliert. Neu ist an dieser Aufmerksamkeit allerdings nichts, wenn man nur einen ausreichend langen Zeitraum betrachtet. Wie die Autoren Carmen Reinhart und Ken Rogoff* feststellten, befand sich Griechenland seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1829 genau 50,6 Prozent der Zeit entweder in Zahlungsunfähigkeit oder schuldete gerade um.

Und auch diesmal ist ein Zahlungsausfall nach unserem Dafürhalten unausweichlich. Die Frage ist lediglich, welche Form er annimmt – zur Auswahl stehen eine Verlängerung der Laufzeiten oder Forderungsverluste der Gläubiger (sogenannte Haircuts). Der Grund hierfür ist simpel: laut dem jüngsten Finanzbericht des IWF müsste Griechenland einen zyklisch bereinigten Primärhaushalts-Überschuss von 6 Prozent erreichen, wollte es lediglich seine Schulden bei 145 Prozent des BIP stabilisieren. Anders gesagt braucht die Staatskasse über mehrere Jahre hinweg Einkünfte, die die Ausgaben übersteigen, nur um zu erreichen, dass die Schulden nicht noch weiter steigen. Die griechische Öffentlichkeit ist ganz offensichtlich nicht bereit, dies zu akzeptieren, wie der Generalstreik der vergangenen Woche gezeigt hat.

Mit ausstehenden Schulden in Höhe von EUR 262 Milliarden (Quelle: Bloomberg) und keinem Zugang zu Marktfinanzierungen ist das Land zur Begleichung fälliger Schulden von weiteren Darlehen des IWF, der EU und der EZB abhängig. Die europäischen Behörden befürchten jedoch, dass ein griechischer Zahlungsausfall wegen der Kernschmelze des griechischen Bankensektors eine Kettenreaktion auslösen könnte (wie wir sie nach der Lehman-Insolvenz erlebt haben), und zögern deshalb, einer geordneten Umschuldung zuzustimmen.

Dieses Zögern ist vielleicht verständlich, fände damit doch der erste Zahlungsausfall eines entwickelten Landes seit Ende des Zweiten Weltkrieges statt. Doch angesichts des riesigen Schuldenbergs und der taumelnden Wirtschaft scheint der Versuch wenig sinnvoll, das Problem mit zusätzlichen Darlehen und Sparmaßnahmen doch noch in den Griff zu bekommen.

Q&A zur Lage

Ist die Krise vorbei?
Nein, noch lange nicht. Die Haushaltskürzungen werden gerade erst umgesetzt, und die Peripheriebanken sind völlig von EZB-Mitteln abhängig.

Wann wissen wir, dass es vorbei ist?
Wenn bei den oben genannten Punkten nachhaltige Fortschritte erkennbar sind (d.h. wenn die Budgetkürzungen auf gutem Wege sind und die Länder sich nicht mehr zu stark auf EZB-Mittel verlassen).

Kommt es zum griechischen Zahlungsausfall?
Nach unserem Dafürhalten ist dies sehr wahrscheinlich. Selbst nach massiven Haushaltskürzungen betragen die Schulden immer noch 145 Prozent des BIP.

Kommt es zu einem irischen Zahlungsausfall?
Nein, das glauben wir nicht. Irland ist eine dynamische Volkswirtschaft mit einem wettbewerbsfähigen Exportsektor. Allerdings muss das Land nach unserer Meinung die Generalgarantie für Bankschulden aufheben.

Welche Entwicklung ist am wahrscheinlichsten?
Vermutlich erleben wir eine der für Europa typischen "Durchwursteleien", in der eine von Deutschland ausgehende Erholung den Rest der Eurozone mitzieht.
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* Reinhart, C., & K.Rogoff, Dieses Mal ist alles anders: Eine Panoramaschau über acht Jahrhunderte Finanzkrise, 16. April 08