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Klaus Wiener: Selbst Leitzins nahe 1% nicht mehr auszuschließen

Köln, Januar 2008 - Nach der überraschend deutlichen Zinssenkung der US-Zentralbank um 75 Basispunkte auf 3,5% geht Dr. Klaus Wiener, Geschäftsführer Research und taktische Allokation der Generali Investments Deutschland Kapitalanlagegesellschaft mbH, von weiteren deutlichen Zinsschritten aus. „Bei entsprechend negativer Entwicklung ist selbst ein Leitzins von 1%, wie er in der Greenspan-Ära erreicht wurde, nicht mehr auszuschließen“, sagt Wiener.

„Diese Zinssenkung war unerwartet hoch und kam zudem nur eine Woche vor der nächsten regulären Fed-Sitzung“, so der Generali Investments Chefvolkswirt. Seiner Meinung nach fürchtet die Fed ernsthafte Auswirkungen der Kreditkrise auf die US-Konjunktur. „Bernanke scheint nun gezwungen, entschlossen zu handeln. Dieser Schritt unterstreicht die Abkehr der Fed von der noch bis zum Monatsanfang vertretenen Haltung, der Inflation entgegenwirken zu müssen.“

Nahende Rezession in den USA 

Wiener unterscheidet deutlich zwischen den Auswirkungen dieser Zinssenkung auf die Konjunktur und ihre Folgen für die Finanzmärkte.

„Die Zinssenkung der Fed führt zu einer steileren Zinsstrukturkurve und unterstützt so über eine günstigere Fristentransformation den Bankensektor“, sagt Wiener. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Anfang 2008 zahlreiche zweitklassige Hypothekenkredite an den Marktzins angepasst würden ("adjustable rate mortgages"). „Je niedriger der Kreditzins, desto geringer der Druck auf die Häuserpreise.“ Dies stütze zum einen den Konsum und verhindere zum anderen weitere Abschreibungen auf hypothekengedeckte Wertpapiere.

Dennoch: „Eine Rezession in den USA lässt sich auch durch diese Zinssenkung kaum noch verhindern“, so der Ausblick des Generali Investments Chefökonomen. „Vielmehr deutet dieser Zinsschritt noch deutlicher darauf hin, dass die Rezession in den USA länger andauern und zudem flacher verlaufen wird als üblich“, sagt Wiener. Die Erholung des Bankensektors und des Kreditmarktes brauche Zeit. Zugleich werde die Rezession jedoch unter anderem durch starkes Wachstum in den Emerging Markets und Eingriffe der Zentralbanken abgeschwächt.

Kein Wendepunkt – kurzfristig aber Erholung möglich

Für die Finanzmärkte ergibt sich laut Wiener ein gemischtes Bild. Die erste, reflexartige Reaktion an den europäischen Aktienmärkten war zunächst positiv, ehe die Indizes wieder leicht drehten. „Die Marktteilnehmer fürchten, dass sich bei den geldpolitisch Verantwortlichen der amerikanischen Zentralbank Panik breitmachen könnte“, sagt Wiener. Er gibt zu bedenken: „Die Zinssenkung der Fed bedeutet keinen nachhaltigen Wendepunkt für die Finanzmärkte. Ohne den Eingriff der US-Zentralbank hätte es heute zu einem Ausverkauf amerikanischer Aktien kommen können.“

Dennoch könnte die Zinssenkung Basis für eine vorübergehende Erholung sein, vor allem wenn positive Nachrichten folgen sollten. „Aufgrund der milden Temperaturen im Januar erscheint ein positiver US-Arbeitsmarktbericht Anfang Februar wahrscheinlich“, sagt Wiener. Stützend könnten zudem die für diese und nächste Woche anstehenden Zahlen zahlreicher Unternehmen außerhalb des Finanzsektors wirken.