In Deutschland werden jährlich pro Kopf 3.628 US-Dollar für medizinische Behandlung und Vorsorge aufgewendet – in etwa so viel wie in Großbritannien (3.064 $), Kanada (3.419 $) und Australien (3.181 $). In den USA sind es hingegen 6.350 US-Dollar. Auch beim Anteil der Gesundheitskosten am BIP liegen die USA unangefochten an der Spitze. In der Studie „Comparative Effectiveness: Perspectives for Consideration“ hat Deloitte existierende Programme des US-Gesundheitswesens zum Effektivitäts-Check von Behandlungsmethoden denen der genannten Länder gegenübergestellt. Diese sind sehr unterschiedlich: So beeinflussen beispielsweise britische und australische Programme den politischen Entscheidungsprozess direkt, während deutsche und kanadische lediglich beratenden Charakter haben. Mit dieser detaillierten Vergleichsanalyse von Deloitte ist es möglich, die jeweiligen Stärken und Schwächen der nationalen Gesundheitssysteme zu bestimmen. Die Studie kann so als Vorlage für eine Gesundheitsversorgung der Zukunft dienen.
„In einer korrespondierenden Studie haben wir festgestellt, dass lediglich 27 Prozent der US-Amerikaner ihr Gesundheitssystem wirklich verstehen, 16 Prozent gaben sogar an, überhaupt keine Ahnung davon zu haben. Das unterstreicht den hohen Reformbedarf und war Anlass für unseren Vergleich mit dem Status in Großbritannien, Australien, Kanada und Deutschland“, erklärt Prof. Dr. Peter Borges, Partner im Bereich Gesundheit bei Deloitte. „Aber auch diese können weiterführende Erkenntnisse aus der Untersuchung ziehen und so ihre Systeme zielgerichtet optimieren.“
Beratende Körperschaften
Untersuchungen zu Wirksamkeit und Kosteneffizienz verschiedener Behandlungsmethoden werden in den jeweiligen Ländern unterschiedlich durchgeführt. In Großbritannien ist es das National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE), das Tests und Gutachten erstellt und den National Health Service berät. In Kanada prüft die Canadian Agency for Drugs and Technologies in Health Care (CADTH) Technologien, Prozesse und Systeme. In Deutschland ist das Institut für Qualität und Wirksamkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), eine unabhängige, nicht-amtliche Stiftung zur wissenschaftlichen Beratung in gesundheitspolitischen Belangen, für die Qualitätssicherung zuständig. In Australien schließlich sorgt das Pharmacy Benefits Advisory Committee (PBAC) für die Beratung des Gesundheitsministeriums.
Beispiele: Darmkrebsvorsorge, Cholesterinsenkung, Prostataeingriff
Der Deloitte-Report zeigt in den drei Bereichen Darmkrebsvorsorge, Statineneinsatz bei zu hohem Cholesterinspiegel sowie chirurgische Eingriffe bei Prostatahyperplasie die unterschiedliche Arbeitsweise der oben genannten Institute. Insbesondere bei der Darmkrebsvorsorge sind neben vielen Gemeinsamkeiten auch die Unterschiede deutlich sichtbar: So wird in Deutschland innerhalb des nationalen Vorsorgeplans jedes Jahr eine FBOT-Untersuchung vorgenommen, in Großbritannien hingegen nur alle zwei Jahre. Auch liegt das „Einstiegsalter“ mit 60 um zehn Jahre höher als in Deutschland. In Australien werden die Vorsorgeprogramme seit mehreren Jahren evaluiert, jedoch steht die Umsetzung noch aus. In Kanada vergleicht man bisher nur Vorsorge- und Diagnosemethoden und listet deren Effekte und Kosten auf.
Zur Bekämpfung erhöhter Cholesterinwerte durch Statine bieten Evaluationsprogramme aller vier Vergleichsländer konkrete Anknüpfungspunkte: Australien und Großbritannien nutzen die „Head-to-Head-Comparison“-, Deutschland und Kanada die „Deemed Insufficient Evidence“-Methode – die Programme umfassen überdies in Australien und Deutschland keine wirtschaftlichen Aspekte. Auch bei der Prostatahyperplasie unterscheiden sich die Methoden: So vergleichen die Australier die Standardmethode mit einer, die Deutschen mit mehreren Alternativen; auch die Briten und Kanadier ziehen jeweils eine einzige, jedoch neue Behandlungsalternative zum Vergleich heran. Hierbei werden sowohl von Briten als auch von Deutschen wirtschaftliche Belange ausgeklammert.
„Die US-Amerikaner wollen derzeit etwa 1,1 Milliarden US-Dollar in vergleichende Effizienzstudien investieren. Der Blick auf die Praxis anderer Länder kann hierfür durchaus lehrreich sein. Faktisch variieren jedoch die Studienergebnisse von Land zu Land erheblich, aber der Report beweist, dass sie insgesamt ein wichtiges Element im Hinblick auf Kosten- und Effizienzoptimierung im Gesundheitswesen sind“, resümiert Prof. Dr. Peter Borges.