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14.03.2008 - dvb-Presseservice

Recht auf Zahnarztwechsel bestätigt

Landessozialgericht: Krankenkassen müssen ihren Versicherten den Wechsel des Zahnarztes erlauben, wenn der Zahnersatz unbrauchbar oder die Nachbesserung dem Versicherten nicht zumutbar ist

Frau S lässt sich beim Zahnarzt Dr. K zwei Brücken im Frontzahnbereich anfertigen. Die sitzen jedoch nicht richtig, spannen und drücken und verursachen Kopfschmerzen, die Aussprache ist gestört, Ober- und Unterkiefer schließen nicht mehr, die Zähne stehen schräg und die vereinbarte Keramikverblendung fehlt. Außerdem waren dem Zahnarzt während des Beschleifens der Zähne, die die Brücke tragen sollen, mehrere Geräte ausgefallen und er schickte die Patientin für zwei Tage mit fünf teilweise geschliffenen Zähnen nach Hause, bis seine Maschinen wieder funktionierten.

Frau S weigert sich, die Brücken endgültig eingliedern zu lassen, und bittet ihre Krankenkasse, die DAK, einem Wechsel des Zahnarztes zuzustimmen. Die Kasse lässt die Arbeit des Dr. K begutachten. Der Gutachter stellt fest, die Brücken seien mangelhaft und müssten neu angefertigt werden. Die Kasse lehnt jedoch den Behandlerwechsel ab, da Dr. K zur Neuanfertigung bereit und außerdem im Rahmen der zweijährigen Gewährleistung zur kostenlosen Nachbesserung verpflichtet sei.

Frau S will aber nicht mehr zu Dr. K gehen, denn der hat die Brücken als fehlerfrei bezeichnet und gemeint, sie müsse sich nur daran gewöhnen. Von ihm erwartet sie keine mängelfreie Arbeit mehr. Die DAK jedoch lehnt ihren formellen Widerspruch ab – mit denselben Gründen, mit denen sie schon die Bitte um Behandlerwechsel abgelehnt hat. Sie sieht keinen zwingenden Grund, warum die Nachbesserung durch Dr. K unzumutbar sein sollte, außerdem gelte das Wirtschaftlichkeitsgebot. Denn die Krankenkasse hat Dr. K bereits bezahlt – obwohl die Brücken noch gar nicht endgültig eingegliedert, die Arbeit also von der Patientin noch gar nicht abgenommen worden ist.

Nun muss Frau S vor dem Sozialgericht klagen. Das Gericht gibt ihr Recht. Es sagt, die freie Arztwahl und der Charakter der ärztlichen Behandlung als „Dienstleistung höherer Art“, die jederzeit mit sofortiger Wirkung gekündigt werden kann, sei vorrangig vor der Verpflichtung des Zahnarztes zur Nachbesserung innerhalb der zweijährigen Gewährleistungsfrist. Auch das Wirtschaftlichkeitsgebot müsse hinter dem Anspruch der Patientin auf einen einwandfreien Zahnersatz zurückstehen.

Die DAK will das nicht akzeptieren und geht in Berufung.

Nun verurteilt auch das Landessozialgericht die Kasse, den Behandlerwechsel zu bewilligen und den Festzuschuss ein zweites Mal zu bezahlen. Sie könne sich ja den bereits an Dr. K bezahlten Festzuschuss zurückholen, den sie vor der endgültigen Eingliederung des Zahnersatzes schon überwiesen hatte.

Ein wegweisendes Urteil

Beide Gerichte folgen der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, folglich wurde keine Revision zugelassen und das Urteil ist sofort rechtskräftig. Eigentlich ist das Ganze also nichts Neues. Aber bemerkenswert ist es doch. Denn Krankenkassen versuchen immer wieder, Patienten den Wechsel des Zahnarztes zu verweigern, und argumentieren wie hier die DAK mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot, der Verpflichtung zur Mängelbeseitigung bis hin zur Neuanfertigung im Rahmen der Gewährleistungsfrist usw. – und sie bezweifeln, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Zahnarzt gestört ist, auch wenn der Zahnersatz unbrauchbar ist oder bereits mehrmals erfolglos nachgebessert wurde.

Hier hat das Gericht noch einmal klargestellt: Die Weiterbehandlung ist unzumutbar, wenn (1) der Zahnersatz unbrauchbar ist und (2) entweder (2a) eine Neuanfertigung notwendig oder (2b) die Nachbesserung für den Patienten unzumutbar ist. Im Fall 2a ist die Unzumutbarkeit automatisch gegeben, im Fall 2b muss sie dargelegt werden.

Auch ein weiteres Argument der DAK hat das Gericht eindeutig verworfen: durch die Einführung der Festzuschüsse habe sich die Lage geändert. Frau S habe einen „gleichartigen“ Zahnersatz gewählt, also mehr als die Regelversorgung (keramische Verblendungen an den Innenseiten von Kronen und Brücken werden von der Kasse nicht bezahlt), und folglich müsse für den Mangel nicht die Krankenkasse einstehen, sondern die Patientin müsse sich selbst mit dem Zahnarzt streiten. Dem hält das Gericht entgegen, hier sei der Mangel an dem Teil des Zahnersatzes aufgetreten, der der Regelversorgung entspricht. Dadurch sei, wie bei der Regelversorgung, die Krankenkasse verpflichtet, für die Beseitigung des Mangels zu sorgen.



Herr Christoph Kranich
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