Mit der Ausschreibung des AOK-Systems zu Rabattverträgen für 64 patentfreie
Wirkstoffe tritt die Diskussion über die Risiken dieses neuen
Wettbewerbsinstruments in eine neue Runde. "Nicht zuletzt vor dem Hintergrund
der Therapietreue sind auch aufgrund der aktuellen Ausschreibung erhebliche
Probleme zu erwarten", erklärt Peter Schmidt, Geschäftsführer des
Branchenverbandes Pro Generika. Denn da für die AOK-Versicherten ab 1. Januar
2009 für jeden ausgeschriebenen Wirkstoff nur noch das Präparat eines
Herstellers (bisher waren es mindestens drei oder vier) zur Verfügung stehen
soll, müssen zum Jahresbeginn zahlreiche Patienten wieder einmal auf ein neues
Medikament umgestellt werden.
"Vor dem Hintergrund des Gesundheitsfonds
ist nachvollziehbar, dass Krankenkassen versuchen, auch ihre
Arzneimittelausgaben zu drücken", so Schmidt. "Das dürfen sie aber nicht - so
wie jetzt wieder - auf dem Rücken ihrer Versicherten tun. Die Patienten, die
sich bislang gut versorgt fühlten, erhalten in der Apotheke von einem Tag auf
den anderen ein Präparat mit einer anderen Packung, einer anderen Form und einer
anderen Farbe, das allerdings denselben Wirkstoff enthält. Sie werden dabei aber
nicht gefragt", kommentiert Schmidt diesen Vorgang, "sondern haben die Pille zu
schlucken, die ihre Kasse für sie ausgesucht hat." Dabei wissen die Kassen ganz
genau, wie wichtig es ist, dass Patienten "ihr" Arzneimittel akzeptieren. Dies
gilt insbesondere für ältere Menschen, die häufig an mehreren chronischen
Erkrankungen leiden und deshalb viele Medikamente einnehmen müssen. Gerade ihnen
fällt es erfahrungsgemäß sehr schwer, sich an ein anders aussehendes Produkt zu
gewöhnen.
Und das kann negative Auswirkungen haben. Mit ihrem Medikament
zufriedene Patienten wirken nämlich aktiv im Behandlungsprozess mit und sorgen
durch seine regelmäßige Einnahme für die Minimierung ihrer Therapiekosten.
Patienten die mit ihrem Arzneimittel nicht zufrieden sind, kündigen ihre
unverzichtbare Mitarbeit im Behandlungsprozess hingegen vielfach auf und legen
das neue Arzneimittel einfach beiseite. Dieses Verhalten ("Non-Compliance")
schadet sowohl ihnen selbst als auch ihrer Krankenkasse. Denn nicht nur die
Lebensqualität der Patienten nimmt ab. Auch die Krankheit verschlimmert sich, es
kommt nicht selten zu Folgeerkrankungen - und damit auch zu zusätzlichen Kosten.
Insgesamt verursacht die Non-Compliance Ausgaben von rund 10 Milliarden Euro
jährlich. Nach Schätzungen des gerade vorgestellten Arzneimittelatlas wurden mit
Rabattverträgen dagegen "nur" 89 Millionen Euro eingespart. "Die Kasse spart
durch Rabattverträge einerseits ein paar Cents oder Euro, muss aber andererseits
für Patienten Hunderte und Tausende Euro mehr ausgeben, die sich schlichtweg
weigern, das von der Kasse für sie bereit gestellte Arzneimittel einzunehmen.
Das ist ganz sicher kein gutes Geschäft", so Schmidt weiter. Zumal zahlreiche
Versicherte bereits im letzten Jahr nicht zuletzt aus Ärger über abgeschlossene
Rabattverträge ihrer bisherigen Krankenkasse den Rücken kehrten. Allein 2007 hat
das AOK-System hunderttausende von Patienten an andere Kassen verloren.
"Wettbewerb ja, aber nicht auf Kosten der Patienten. Es ist höchste
Zeit, dass Politik und Krankenkassen sich über die Sinnhaftigkeit von
Rabatt-verträgen Gedanken machen", fordert Schmidt.
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