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19.11.2008 - dvb-Presseservice

Feuer frei bei Clerical Medical

Unter gegenseitigen Beschuß genommen haben sich die Clerical Medical Investment Group Ltd./London und die Firma Poly-Market GmbH/Bodelshausen. Bevor wir auf die Schwere der Geschütze eingehen, ein Blick auf die jüngste Entwicklung zu diesem Scharmützel: Unter der Überschrift „Nicht immer die feine englische Art“ berichtete Euro am Sonntag (EuramS) am 03.08.2008 über „Wirbel um britische Lebensversicherungen von Clerical Medical“. Dabei geht es um frühere Hebelgeschäfte, die zunehmend aufgrund fehlender Renditen aus dem Ruder laufen. So berichtet EuramS: „Angelockt von garantierten Wertzuwächsen und einer Steueroptimierung, zahlten viele bspw. bei der Lex-Konzeptrente, der Sicherheits-Kompaktrente oder der Europlan-Rente – wie die Konzepte heißen – einen günstig via Kredit in Schweizer Franken oder Yen finanzierten Einmalbetrag in britische Kapitallebens- und Rentenpolicen ohne feste Laufzeit ein.“ Für manche Anleger erweise sich diese Rente auf Pump „jetzt jedoch als hochspekulatives Zinsdifferenzgeschäft. Schuld daran sind nicht etwa gestiegene Kreditzinsen, sondern niedrigere Renditen der Assekuranzen als erwartet.“ Für die fatale Entwicklung, auch bei den „Deklarationen für Neueinsteiger“, gäbe es zwei Mechanismen: „Alte Vertragspartner aus den Jahren vor 2000 und neu beigetretene Versicherungsnehmer ab 2003 werden zu deren eigener Überraschung für Garantien aus den Problemjahren 2000 bis 2002 in Anspruch genommen.“ Als zweite Erklärung wird die Verpflichtung der Financial Service Authority (FSA) erläutert, daß Anbieter „noch höhere Schwankungsreserven zu bilden und somit das Smoothing auszuweiten“ hätten. Rüdiger Krege, ehemaliger Geschäftsführer der Poly-Market GmbH, ergänzt, Clerical Medical habe „freiwillig mehr freie Reserven gebildet“. Dies offenbar als „Marketinginstrument zum Einwerben neuer Kundengelder“.

Der Bericht dürfte bei CMI für Verärgerung gesorgt haben. Am 17.09.2008 erscheint in der EuramS ein Interview mit John Edwards, Chief Executive der HBOS European Financial Services, Mutter des deutschen CMI-Vertriebes HBOS European Financial Services Vertriebs GmbH. Die Interview-Aussagen Edwards lesen sich fast wie eine Gegendarstellung: „Clerical Medical hat immer erklärt, lediglich Geber von Lebensversicherungsprodukten zu sein und hat Bündelungen seiner Produkte mit Kreditfinanzierungen zu keinem Zeitpunkt angeboten oder sogar empfohlen.“ Während er CMI für vollkommen unschuldig hält, macht er die Vermittler als Übeltäter aus: „Einige schwarze Schafe auf der unabhängigen Vertriebsebene sind in den angesprochenen Fällen ganz offensichtlich ihrer Aufklärungspflicht nicht nachgekommen, ja, man muß leider sagen, haben falsche Erwartungen bei ihren Kunden erzeugt. Das ist sicherlich bedauerlich und Clerical Medical kann verstehen, daß einige Kunden nun sehr sauer reagieren.“ Auch der Vorwurf überhöhter Reserven sei unzutreffend: „Die Annahmen zu überhöhten Reserven und die resultierende Schlußfolgerung, daß Clerical Medical auf Kosten der Anleger ein hohes verkaufsförderndes Rating sichert, weisen wir klar zurück.“

Krege, ein früherer Vermittler der angesprochenen kreditfinanzierten Renten und zugleich selbst betroffener Anleger, ist offenbar höchst empört über einige Edwards-Aussagen. Als Ansprechpartner fungierend für die Poly-Market (GF: Gisela Krege), veröffentlicht er im Online-Portal Newsmax die Pressemitteilung „Nichts als die Wahrheit, Sir!“ mit feurigen Stellungnahmen. Er verweist auf „zahllose Schulungsveranstaltungen“ für Vermittler, bei denen die „CMI- Masterdistributoren aus Hamburg, Rheine und Luxemburg intensiv für Hebelprogramme geworben“ hätten. CMI habe durch die Darlehen bei den Kapitalzugängen erheblich profitiert. Im Jahre 2002 seien bspw. 775 Mio. € eingenommen worden, „davon aber lediglich rund 28 Mio. € durch ratierliche Verträge“. Sein Vorwurf: „Die Kreditfinanzierung wurde ab 1997 von deutschen Banken als eine absolut sichere Darlehensgewährung beurteilt, da die 175- jährige „ehrwürdige“ CMI werbewirksam von einem „garantierten Wertzuwachs“ sprach, der in den vergangenen Jahrzehnten in Großbritannien immer zweistellig gewesen wäre. Ähnliches wurde auch für den deutschen Markt suggeriert.“ Der Kanonendonner wird nun immer lauter. Bevor Pulverschwaden den Blick vernebeln, werfen wir einen Blick auf die nächsten Großangriffe: CMI mandatiert die internationale Rechtsanwaltsozietät Latham & Watkins LLP/Hamburg und schießt mit der Anforderung einer Unterlassungs-Verpflichtungserklärung zurück. Dies wiederum kontert die Kanzlei Doornkaat Hindahl Sternemann/Düsseldorf im Auftrag von Poly-Market mit einer der ‚vt‘-Redaktion vorliegenden „Schutzschrift zur Abwehr des Erlasses einer einstweiligen Verfügung“. Einige Details:

++ Aus Sicht der CMI sind die Krege-Aussagen zur Werbung mit immer zweistelligen garantierten Wertzuwächsen unwahr. Dem hält RA Christian Hindahl in der Schutzschrift eine „Darstellung der Clerical Medical vom 11.11.1999“ zur „Langzeitperformance von Clerical Medical“ entgegen. Hier sind, über eine Laufzeit von je 25 Jahren (beginnend 1963 - 1988), Renditen zwischen 11,67 und 13,35 % ausgewiesen. Herangezogen wird auch ein Ausdruck der Internetseite des ehemaligen CMI-Masterdistributors EMF AG/Hamburg. Als auf Pfund-Basis erzielte Nettorendite in der Vergangenheit werden 13,35 % genannt. Zum Konvolut gehört auch ein CMI-Verkaufsprospekt mit zweistelligen Rendite-Zahlen, die „Clerical Medicals hervorragende Leistungen in den vergangenen Jahren“ reflektierten ++ Krege sieht Dr. Christoph von Teichmann, Anwalt bei Latham & Watkins, in Unregelmäßigkeiten verstrickt: „Auch Rechtsanwalt von Teichmann [...] hat vorzugsweise über Anwaltskollegen die CMI in zahllosen Schriftsätzen als Unbeteiligte bezeichnet. Die Serie der bewußten Falschdarstellung belastet jetzt die Glaubwürdigkeit der Kanzlei.“ Die unterstellte bewußte Falschdarstellung weist CMI als unwahr zurück. Hindahl weist allerdings darauf hin, daß von Teichmann Aufsichtsrat der EMF AG war „und somit über eine direkte Verbindung zu dem Masterdistributor und der Clerical Medical verfügt“ habe. Entsprechend einer der ‚vt‘-Redaktion vorliegenden Kopie einer notariellen Niederschrift der Hauptversammlung der EMF AG vom 02.12.2002 benannte die Clerical Medical Europe Financial Services S.àr.L. als die von ihr zu entsendenden zwei Aufsichtsratsmitglieder Roland Gordon Ward und Christoph von Teichmann. Ward war damals CMI- Finanzdirektor, später Chairman von CM Europe.

‚vt’-Zwischenfazit: •• Vermutlich wird Clerical Medical bestrebt sein, eine einstweilige Verfügung gerichtlich durchzusetzen •• Bisher vertritt CMI u. a. den Standpunkt, daß man ++ ausschließlich für die Versicherungsprodukte verantwortlich sei ++ man sich zu keinem Zeitpunkt an der Entwicklung von Hebelgeschäften beteiligt, solche Geschäfte entworfen oder beworben habe ++ die Entwicklung und Bewerbung solcher Modelle außerhalb der Kontrolle von CMI gelegen habe und ++ die Verantwortung für diese Modelle zu jedem Zeitpunkt ausschließlich bei den Vermittlern gelegen habe •• Indes besagt der Jahresbericht für 2004 der EMF AG: „Die 1.629 Verträge für Einmalanlage enthalten 70 Verträge fremdfinanziertes Geschäft mit einer Versicherungssumme von 10,0 Mio. €.“ Bei einem Umsatz von 22,1 Mio. € in 2004 ein nicht unerheblicher und daher u. E. unübersehbarer Anteil. Nachdem CMI- Direktor Roland Ward seit 05.02.2003 sogar stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der EMF AG war und der Aufsichtsrat sich „zu der Erfüllung seiner Aufgaben fortlaufend ausreichend zu informieren“ hat, erscheinen die bisherigen CMI-Aussagen in einem neuen Licht. Ist es vorstellbar, daß Ward seinen Aufgaben nicht nachkam? Oder muß sich CMI das zumindest satzungsgemäß bei Ward vorhandene Wissen zurechnen lassen? •• Der vermutlich anstehende Gerichtsweg könnte weitere Erkenntnisse bringen. Ob dies zu einer einstweiligen Verfügung gegen Poly-Market führt oder zu einer Initialzündung zahlreicher Haftungsprozesse gegen die CMI wird, bleibt abzuwarten.



Herr Erwin Hausen
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