Starre Regulierung belastet deutsche Pensionskassen
Die betriebliche Altersvorsorge wird immer beliebter. Allianz Global Investors hat gemeinsam mit der OECD untersucht, wie sich gesetzliche Regulierung auf Risiko und Rendite von Pensionsvermögen auswirkt. Das Ergebnis: Deutschen Pensionskassen würde etwas mehr Flexibilität gut tun.
Dieser Artikel von Brigitte Miksa erschien am 13. Mai 2007 in "Euro am Sonntag". Brigitte Miksa ist bei Allianz Global Investors verantwortlich für das Research der globalen Pensionsmärkte und die Strategie in Kernmärkten des Pensionsgeschäfts. Die studierte Psychologin publizierte unter anderem über die Entwicklung internationaler Pensions-Systeme.
Weltweit strengere Regeln
Wenn der Staat schmale Renten zahlt, bleibt Bürgern nur private Vorsorge. In Großbritannien und den USA etwa sind Arbeitnehmer auf Betriebsrenten angewiesen, um ihren Lebensstandard zu sichern. Umso erschreckender ist die finanzielle Schieflage vieler angelsächsischer Pensionsfonds. Diese Vehikel setzten in der Vergangenheit oft auf hohe Aktienquoten, sodass nach dem Platzen der Internet-Blase stattliche Kursverluste zu Buche schlugen.
Ein besonders schlechtes Beispiel lieferte der
US-Energiekonzern Enron, bei dem große Teile des betrieblichen
Pensionsvermögens in eigene Aktien investiert waren. Als Enron pleite ging,
standen die Betriebsrentner vor dem Nichts. Ihre letzte Hoffnung war der
öffentliche US-Pensionssicherungsfonds Pension Benefit Guaranty Corporation
(PBGC), doch der übernimmt Leistungen nur in begrenzter Höhe - und ist selber
unterfinanziert.
Infolge dieser Entwicklung erkannte der Gesetzgeber Handlungsbedarf; nicht nur
in den USA. Weltweit wurden Pensionsvermögen strenger reguliert, um künftig
Unterdeckungen zu vermeiden. Gemeinsam mit der Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat Allianz Global Investors jetzt die
Auswirkungen der unterschiedlichen Regulierungen in Deutschland, Japan, den
Niederlanden, Großbritannien und den USA untersucht. Die OECD-Studie betrachtet
dabei nicht nur das Investitionsverhalten der Vorsorgevehikel, sie befasst sich
auch mit der Sicherheit und Höhe künftiger Rentenleistungen. Doch nicht nur die
Perspektive des Arbeitnehmers zählt. Genauso wichtig ist, wie sich für den
Arbeitgeber die Finanzierungskosten eines Pensionsschemas durch Regulierungs-
und Bilanzierungsvorschriften verändern.
Risikoverlagerung auf den Arbeitnehmer
Von den Finanzierungskosten hängt es nämlich ab, in welcher Form Unternehmen die betriebliche Altersvorsorge durchführen. Unterschieden wird dabei zwischen Leistungs- und Beitragszusagen. Leistungsbezogene Systeme sind gut für sicherheitsbewusste Arbeitnehmer, denn sie garantieren eine Rente in festgelegter Höhe. Weniger glücklich sind damit die Unternehmen, denn bei schlechter Kapitalmarktentwicklung müssen sie Gelder in das Pensionsvermögen nachschießen, um die zugesagten Leistungen zu finanzieren.
Vor allem in den USA und Großbritannien setzen sich daher beitragsorientierte Systeme durch. Dabei leistet das Unternehmen einen festen Beitrag zur Betriebsrente, die Höhe der Auszahlung wird aber nicht garantiert. Das Kapitalmarktrisiko wird damit vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer verlagert. Brummt die Börse, bekommt er mehr als bei der Leistungszusage. Fallen die Kurse aber ins Bodenlose, muss er den Gürtel enger schnallen.
Wandel in Deutschland
In Deutschland wurden Betriebsrenten bislang oft über
betriebliche Rückstellungen finanziert, sodass sie den Schwankungen der
Kapitalmärkte nicht ausgesetzt waren. Unterfinanzierungen sind deswegen selten.
Pensionsrückstellungen haben allerdings bilanzielle Nachteile für Unternehmen,
sie verteuern die Kapitalaufnahme. Deswegen neigen inzwischen auch deutschen
Firmen dazu, ihre Pensionsverpflichtungen über kapitalgedeckte Vehikel
auszufinanzieren.
Diese unterliegen zwar den Kapitalmarktschwankungen, Verhältnisse wie in den
USA und Großbritannien sind dennoch unwahrscheinlich. Erlaubt sind nämlich nur
"Beitragszusagen mit Mindestleistung". Diese nähern sich zwar dem
angelsächsischen Modell an, enthalten aber Mindestgarantien und die
Verpflichtung des Arbeitgebers, für Leistungsversprechen einzustehen. In
Deutschland ist der Trend zu Beitragszusage damit angekommen, die Regulierung
sorgt aber noch für relative Sicherheit.
Quantitative Regulierung senkt Ertragschancen
Dominierendes Instrument der kapitalgedeckten betrieblichen
Altersvorsorge in Deutschland sind Pensionskassen. Diese Vehikel unterliegen
allerdings - anders als viele kapitalgedeckte Pensionsfonds im Ausland –
bestimmten Anlagebeschränkungen. Maximal 35 Prozent ihres Vermögens dürfen sie
in risikobehaftete Anlagen wie Hedgefonds, Hochzinsanleihen oder Aktien
investieren. Die starre Regulierung soll Risiken begrenzen, hat aber einen
großen Nachteil: In der Baisse entstehende Verluste können während positiver
Marktphasen nicht durch höhere Aktien- oder Hochzinsinvestitionen ausgeglichen
werden, der Diversifikation auch in alternative Anlageklassen sind enge Grenzen
gesetzt.
Quantitative Anlagebeschränkungen schützen also nur mangelhaft vor
Kapitalmarktrisiken, sie behindern zudem eine effiziente, den langfristigen
Verpflichtungen optimal entsprechende Geldanlage. Besser funktioniert das
international übliche Sorgfaltsprinzip ("Prudent Person Principle"),
das eine höhere Flexibilität bei der Wahl der Anlageinstrumente und
Anlagestrategien erlaubt ebenso wie eine risiko-basierte Regulierung, die eine
direkte Steuerung des Anlagerisikos ermöglicht.
Niederländische Pensionsfonds müssen beispielsweise genau wie deutsche
Pensionskassen ihre künftigen Zahlungsverpflichtungen zu über 100 Prozent
ausfinanzieren. Unterdeckungen können im Nachbarland aber über einen Zeitraum
von bis zu einem Jahre ausgeglichen werden, während die deutsche Finanzaufsicht
im Falle einer Unterdeckung sofort einschreitet. In den Niederlanden ist zudem
eine Anpassung an die künftige Gehaltsentwicklung ("Indexierung")
möglich, während deutsche Pensionskassen in der Regel fest mit jährlichen
Rentensteigerungen von einem Prozent kalkulieren müssen. Dabei kann flexible
Indexierung Unterdeckungen massiv reduzieren, der Wert künftiger Pensionsverpflichtungen
schwankt je nach Grad der Indexierung um bis zu 40 Prozent.
Passive oder aktive Sicherheit
Betriebsrenten entwickeln sich von der freiwilligen
Absicherung zur wichtigen Ergänzung staatlicher Rentenansprüche. Das Ziel
gesetzlicher Regulierung sollte daher sein, ein für Arbeitgeber und
Arbeitnehmer sicheres System zu begünstigen. Für den Arbeitgeber zählen dabei
Finanzierungskosten und die Gewissheit, dass Nachschusspflichten den
Unternehmenswert nicht gefährden. Arbeitnehmer wollen demgegenüber ein berechenbares
Rentenniveau und höchste Anlagesicherheit. Deutsche Pensionskassen sollen dank
strenger Vorschriften nahezu ausfallsicher sein, die starre Regulierung
behindert aber eine effiziente, verpflichtungsgerechte Geldanlage. Wird eine
Kasse zahlungsunfähig, muss zudem der Arbeitgeber die zugesagten Leistungen
erbringen, während bei den Pensionsfonds und Direktzusagen ein
Pensionssicherungsverein einspringt.
In den Niederlanden kommt die betriebliche Altersvorsorge ganz ohne kollektive
Absicherung aus, weil sie flexibler auf Unterdeckungen reagieren und den
Kapitalmarkt effizienter nutzen kann. Auch Deutschland sollte diesem Vorbild
folgen und die Regulierung von Pensionskassen bedarfsgerecht ausstatten.
Geschieht dies mit Augenmaß, werden Pensionsvermögen dadurch zukunftssicherer,
ohne dass Fehlinvestitionen wie in Großbritannien oder den USA zu befürchten
sind. Dass dort inzwischen Sicherungsfonds als Notmaßnahme aufgelegt wurden,
dürfte nur ein schwacher Trost für die von Leistungskürzungen betroffenen
Betriebsrentner sein. Regulierung ist nicht einfach - aber wichtig.
Frau Claudia Mohr-Calliet
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