Eine umfassende Metaanalyse von über 560 wissenschaftlichen Studien zur Degrowth-Bewegung zeigt erhebliche methodische Mängel auf. Die Forscher Ivan Savin und Jeroen van den Bergh stellten ihre Erkenntnisse im Podcast "Think beyond the obvious" von Daniel Stelter vor und liefern damit wichtige Einblicke für die Bewertung nachhaltiger Anlagestrategien.
Wissenschaftliche Basis fragwürdig
Die Forscher Ivan Savin (ESCP Business School) und Jeroen van den Bergh (Universität Barcelona) untersuchten die Qualität der Degrowth-Literatur systematisch. Ihr Befund: "Fast 90 Prozent der 561 untersuchten Degrowth-Studien basieren auf Meinungen, nicht auf belastbaren Analysen". Nur 14 Prozent verwenden quantitative Methoden oder formale Modellierungen.
Van den Bergh kritisiert die methodischen Schwächen deutlich: "Eine kleine Insel mit 1000 Einwohnern ist einfach zu untersuchen. Aber wie relevant ist das, wenn man etwas über eine komplexe, große Welt mit Milliarden von Menschen aussagen will?" Viele Studien konzentrieren sich auf solche lokalisierten Fallbeispiele, deren Erkenntnisse sich kaum auf komplexe Volkswirtschaften übertragen lassen.
Politische Umsetzbarkeit unterschätzt
Die Metaanalyse deckt eine weitere Schwachstelle auf: Die meisten Degrowth-Studien ignorieren die politische Machbarkeit ihrer Vorschläge. Eigene Erhebungen der Forscher zeigen, dass nur 8-10 Prozent der Bevölkerung Degrowth-Konzepte unterstützen. "Als Strategie, politische Unterstützung zu gewinnen, ist Degrowth wahrscheinlich nicht sehr effektiv", konstatiert van den Bergh.
Psychologische Studien belegen zudem, dass Diskussionen über Wachstumsverzicht bei vielen Menschen Verlustängste auslösen. Die Ironie dabei: Degrowth-Befürworter kritisieren moderate Klimamaßnahmen für mangelnde politische Unterstützung, schlagen aber noch radikalere Lösungen vor.
Rebound-Effekte bei Umverteilung
Degrowth-Studien propagieren häufig Umverteilungsmaßnahmen als Klimaschutzinstrument. Savin kritisiert jedoch: "Viele Degrowth-Forscher suggerieren, Umwelt- und Klimaprobleme zu lösen, sind aber stark von Gerechtigkeitserwägungen motiviert." Diese Studien blenden systematisch Rebound-Effekte aus: Erhalten einkommensschwache Haushalte mehr Geld, steigt deren Konsumneigung überproportional.
Eine parallele Studie von Jonathan Moyer (2023) bestätigt diese Bedenken. Seine Modellrechnungen zeigen: Globaler Wachstumsverzicht könnte zwar CO₂-Emissionen um 45 Prozent senken, würde aber extreme Armut um 15 Prozentpunkte erhöhen. Selbst massive Umverteilung kann diese negativen Effekte nicht vollständig kompensieren.
Technologieinvestitionen gefährdet
Van den Bergh warnt vor den klimapolitischen Folgen: "Ohne Wachstum wird weniger in erneuerbare Energien investiert." Die Degrowth-Literatur unterschätzt systematisch das Innovationspotenzial technologischer Lösungen und deren Finanzierungsbedarf.
Zur Klimawirksamkeit zeigt sich van den Bergh skeptisch: "Wenn es eine Eins-zu-Eins-Beziehung zwischen Emissionen und Wirtschaftsaktivität gibt, wie viele Degrowth-Verfechter annehmen, müssten wir das Aktivitätsniveau um 80 bis 99 Prozent reduzieren. Das wird natürlich nicht passieren."
Ideologie statt Wissenschaft
Die Reaktion der Degrowth-Community auf Kritik war entlarvend. "Sehr wenige Menschen haben diese Kritik ernst genommen", berichtet Savin. Statt sachlicher Auseinandersetzung gab es persönliche Angriffe. Van den Bergh sieht darin ein grundsätzliches Problem: "Wenn Menschen dogmatisch und ideologisch sind, ist es sehr schwierig, mit ihnen zu sprechen."
Erfolgreicher Klimaschutz braucht wissenschaftliche Fundierung statt ideologischer Wunschvorstellungen. Investoren und Anlageberater sollten bei Nachhaltigkeitsstrategien auf technologische Innovation und marktwirtschaftliche Anreize setzen, nicht auf Verzichtsideologien ohne empirische Basis.
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