DIN-Normen für die Kunden. Und gegen die EU-Bürokratie.

Es war ein Branchentreffen. Unter der gewohnt kurzweiligen Moderation von Prof. Dr. Hans-Wilhelm Zeidler fand am 10. November in Berlin das Symposium „Mit Normen vor die Welle kommen“ im Hause des DIN statt. Der Titel war bewusst gewählt, wurde doch im Laufe des Tages immer wieder auf eine virulente Entwicklung der Gesetzgebung hingewiesen.

Gleich zu Beginn das Veranstaltungsfazit eines Teilnehmers. Es kam aus dem Herzen und der Praxis des Versicherungsmaklers Helge Kühl: „Die standardisierte Beratung funktioniert. Die Kunden finden das gut und ich würde mir wünschen, dass der Nachwuchs das schon in der Berufsschule lernt. Dort wird die Unfallversicherung heute noch wochenlang behandelt, die Berufsunfähigkeit nur stundenweise und die standardisierte Beratung gar nicht. Das muss man sich vor Augen führen: In der Finanzbranche gibt es DIN-Normen, die in der Berufsausbildung nicht behandelt werden. Das ist in anderen Branchen aus meiner Sicht undenkbar“.

Worum geht es? Die in Abstimmung befindliche Kleinanlegerstrategie der EU will der Branche drei Jahre Zeit geben, um über bessere Ansätze zur Kundenorientierung nachzudenken. So viel Zeit bleibt der Branche, um Initiativen zu ergreifen und sichtbar zu machen, die den angeprangerten vermeintlichen Fehlanreizen entgegenwirken und polarisierend agierenden Verbraucherschützern den Wind aus den Segeln nehmen. Vor diesem Hintergrund ist zu diskutieren, ob und wie Standards und Normen im Sinne der Selbstregulierung sinnvoll und unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten eingesetzt werden können. Es gilt, überzogenen Regulierungsbestrebungen vorzubeugen und bereits erarbeitete Standards in die Breite zu tragen. Auch die Politik muss über bestehende und in Arbeit befindliche DIN-Normen informiert werden.

Der Normierungsprozess hat alle relevanten Kreise zusammengeführt: Verbraucherschutz, Wissenschaft, Vertrieb, Versicherer, Banken, Vermittler und auch die IT. Die Diskussionen und die Normierung verliefen und blieben nicht ohne Widersprüche, aber das Ziel war der Konsens und der wurde erreicht. Mit den Normen wird die Finanzberatung professioneller, da sie den Gesprächen klare Struktur verleihen und Lücken aufdecken. In der anschließenden Beratung und Produktauswahl zur Lückendeckung bleibt der Berater vollkommen flexibel.

Betrieb und Vertrieb, insbesondere Berater, sollten sich mit den Normen auseinandersetzen und in ihren Arbeitsalltag integrieren. Andreas Vollmer zog als BVK-Vizepräsident und praktizierender Makler das Fazit: "Standards schaffen und Normen entwickeln - das fördert die Professionalisierung, entwickelt Qualität und steigert die Reputation der gesamten Branche".

Und Reputationsgewinne kann die Versicherungswirtschaft gut gebrauchen. Also ran an die Normen:

  • DIN 77230/A2: Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte (seit 2019/2022)
  • DIN 77223: Risikoprofilierung von Privatanlegern - Abgleich mit Gesamtvermögen und zweckbezogenen Vermögensteilen (seit 2022)
  • DIN 77235: Basis-Finanz- und Risikoanalyse für Selbstständige sowie kleine und mittlere Unternehmen (seit 2021)
  • DIN 77236: Nachhaltigkeitsscoring für Finanzprodukte - Eine standardisierte Vorgehensweise zur Einordnung von Finanzprodukten anhand von Nachhaltigkeitsmerkmalen (in Bearbeitung, ab 2024?)