FINASS-Übernahme: Vom Partner zum Profitcenter

Der MVP-Markt bleibt in Bewegung: Wie schon im Falle der Salia-Übernahme gibt es auch dieses Mal lange Gesichter bei einigen Maklern. Welche Auswirkungen ergeben sich aus der Übernahme des eigenen MVP-Programms durch einen Investor für die Makler und welche Handlungsoptionen haben sie in dieser Situation?

Im April 2025 hat der Kapitalinvestor BID Equity das Maklerverwaltungsprogramm FINASS übernommen und versucht jetzt mit hohem Druck, die Makler zum Umstieg auf das ebenfalls übernommene System Insurgo zu bewegen. Die Migration bedeutet für die Makler nicht nur Kostensteigerungen um das Fünf- bis Siebenfache, sondern auch das Ende einer jahrelangen partnerschaftlichen Beziehung zwischen Makler und MVP-Hersteller. Und auch wenn das Ende von FINASS aufgrund der Marktkonzentration bei MVP-Anbietern vorhersehbar war, ist die Enttäuschung nach so vielen gemeinsamen Jahren sehr groß. Auf Nachfrage äußert sich BID Equity nicht. Gründer und Inhaber Frank Weber verweist auf seine vertragliche Schweigepflicht. Die Makler sind enttäuscht – und dafür umso auskunftsfreudiger: Einige von ihnen waren zu einem ausführlichen Gespräch mit der dvb bereit.

Die Darstellung auf der Insurgo-Webseite zeigt die Unterschiede der Technologien.

Vom günstigen System zum teuren Profitcenter

Ein langjähriger FINASS-Nutzer mit sechs Arbeitsplätzen soll bei Insurgo das Fünffache zahlen. Das Problem verschärft sich durch nutzungsbasierte Zusatzkosten: 50 Cent pro importiertes Dokument bedeuten bei 12.000 bis 13.000 Dokumenten jährlich weitere Kosten von 5.000 bis 6.000 Euro. Dazu kommen Gebühren für digitale Unterschriften, die pro Stück mit einem Euro abgerechnet werden.

Fairerweise muss angemerkt werden, dass sich die Entwicklungskosten für moderne Softwarelösungen erhöht haben und sowohl das FINASS-Lizenzmodell als auch die Software selbst veraltet waren. Praktisch alle Lösungen für kleinere Maklerunternehmen befinden sich heute auf einem ähnlichen Kostenniveau. 80 % der FINASS-Nutzer wären einer Einschätzung der Makler zufolge auch bei einer Verdopplung der Gebühren bei FINASS geblieben.

Das neue Preismodell wird jedoch heftig kritisiert, da die Kosten jederzeit angepasst werden können und die Makler ein „Open-End-Kostenrisiko” befürchten. Auf der Website von BID Equity wird Insurgo mit einer „Net Revenue Retention” von 111 % beworben – das bedeutet, bestehende Kunden zahlen durch die Ausweitung der Entgelte 11 % mehr als im Vorjahr. Das Ergebnis der neuen Geschäftsstrategie ist die konsequente Ausweitung der Softwaregebühren.

Ende einer Ära: FINASS-Gründer wählt die "Brandmauer"

Bereits vor Jahren hatte FINASS-Gründer Frank Weber offen darüber nachgedacht, seine Software onlinefähig zu machen. Das misslang. Er gestand den Anwendern gegenüber ein, dass er das mit seinen drei Leuten in den nächsten fünf Jahren nicht mehr schaffen würde. Trotzdem hegten die Nutzer die Hoffnung auf Kontinuität: Es gab einen designierten Nachfolger und zu diesem Zweck wurde eine Umfirmierung des Unternehmens vollzogen. Doch größere Kunden hatten das System bereits verlassen, die Zeit für eine interne Lösung war offensichtlich abgelaufen.

Auf der eigenen Website bewirbt sich BID Equity gezielt bei verkaufswilligen Unternehmern: „Wir sind Ihr Partner, wenn ein Eigentümerwechsel dem Inhaber und dem Unternehmen hilft.” Eines der Versprechen für aussteigende Unternehmer lautet „Brandmauer”: die persönliche finanzielle Unabhängigkeit sichern, ohne in Rente zu gehen. Für einen MVP-Hersteller ist dies der ideale Ausweg aus einer technischen Sackgasse bei gleichzeitiger finanzieller Absicherung.

Für die Anwender kam per Videobotschaft die Aufforderung, zu Insurgo zu wechseln. Zu diesem Zeitpunkt war das Unternehmen FINASS bereits an BID Equity übergegangen. Wenige Tage später kontaktierte Weber persönlich einige Anwender und fragte sie, warum sie noch nicht gewechselt hätten. Aus Sicht der Makler war dies sehr ungewöhnlich für den Gründer, der sich in der Vergangenheit lieber mit Softwareentwicklung als mit Kundenkontakten beschäftigt hatte.

Aggressive Verkaufsmethoden statt familiärer Kultur

Makler berichten, bereits bei der ersten Präsentation am 29. April – nur 1,5 Wochen nach der Information über die Veränderung – zeigte sich der neue Kurs des eingestiegenen Investors. Insurgo wurde als hochpreisige Alternative vorgestellt, während konkrete Informationen zur Zukunft von FINASS vage blieben. In nachfolgenden Verkaufsgesprächen manifestierte sich die veränderte Philosophie: Ein Makler schilderte von einem Insurgo-Verkäufer ohne tiefere Systemkenntnisse, der sich wenig für kundenspezifische Anforderungen interessierte und auf eine schnelle Entscheidung drängte. Diese Methoden markieren das Ende der familiären FINASS-Kultur. Von dem harmonischen Umgang zwischen Hersteller und Makler, der von den Maklern immer wieder im jährlichen dvb-Award gelobt wurde, ist nichts mehr übrig.

AGB-Zwang und systematische Vertragsbeendigung

Seit zwei Monaten werden beim Start der FINASS-Software die neuen AGB mit einer Neuregelung der Supportkosten angezeigt. Makler, die diese nicht akzeptieren, erhalten keinen Support mehr. Selbst für früher kostenlose Leistungen wird heute die Bearbeitung verweigert. Ein Makler ließ die AGB über seine Rechtsschutzversicherung anwaltlich prüfen, mit dem Ergebnis, dass der Anwalt zum Widerspruch riet. Die Folge war vorhersehbar: BID Equity kündigte den Lizenzvertrag zum 1. Januar 2026 aus „geschäftspolitischen Gründen” für eine „einheitliche Arbeitsgrundlage”.

Kommunikationsunterbindung und Zensur

Das FINASS-Forum, in dem sich Nutzer neun Jahre lang ohne Moderation gegenseitig halfen, wurde im März aus „Sicherheitsgründen” durch ein neues Forum ersetzt – kurz bevor der Verkauf bekannt gegeben wurde. Jetzt werden sämtliche Beiträge vor einer Freigabe inhaltlich geprüft. Kritische Äußerungen werden nicht veröffentlicht.

Als Reaktion darauf bildeten die unzufriedenen Makler eine WhatsApp-Gruppe, um sich direkt und ohne Zensur untereinander auszutauschen und Erfahrungen mit der Migration und dem neuen System zu teilen.

Support-Verschlechterung: Vom persönlichen Service zu Standardantworten

Ein betroffener Makler berichtet, dass sich die Servicequalität dramatisch verschlechtert habe. Ein konkretes Beispiel: Im April wurden bei GDV-Import-Fehlern die Vertragsnummern unterschiedlicher Kunden vertauscht. Während solche Fehler vor der Übernahme noch persönlich durch den Chef behoben wurden, gab es später auf die Meldung eines gleichen gravierenden Fehlers nur noch eine Standardantwort mit Verweis auf die Fehlerbehebung in der „Product Roadmap”. Die fehlerhaften Daten wurden nicht korrigiert, sondern blieben unverändert im System. Ein Makler beschreibt die Servicementalität seit der Übernahme als „Unterschied zwischen Tag und Nacht“.

Bei Insurgo kostet der Support 120 Euro pro Stunde und Migrationsprobleme werden als kostenpflichtiges „Training” abgerechnet. Der beworbene Support mit einer Reaktionszeit von 2,5 Minuten erweist sich aus Sicht bereits migrierter Makler als reines Marketing-Versprechen. Die tatsächlichen Wartezeiten betragen ein bis vier Wochen. „Damit wollte man mich wohl zum Wechsel bewegen”, fasst ein Anwender seine Erfahrungen zusammen.

Migration mit erheblichen Mängeln und Datenverlust

Ich habe den Versprechungen von Frank Weber vertraut“, berichtet ein Makler, der bereits gewechselt hat. Er lobt die moderne Technik und die neue Freiheit, am Wochenende von der Couch aus Daten per Tablet abrufen zu können. Die Migration empfand er jedoch als dilettantisch: Wichtige Produktpartner fehlen komplett, auch die jeweiligen Ansprechpartner in den Häusern wurden nicht übertragen.

Als er auf die Migrationsprobleme hinwies, bekam er zur Antwort, seine „Ursprungsdatenbank war schlecht gepflegt“. Dabei hatte er seine Daten jahrelang sorgfältig manuell auf Stand gehalten und täglich damit gearbeitet. Noch heute ist der Makler auf das alte System im Parallelbetrieb angewiesen, um essenzielle Unterlagen wie Makleraufträge von Bestandskunden einzusehen.

Nach der Kündigung droht ein weiteres Problem: FINASS kündigte an, nur zwölf Monate lang lesenden Zugriff auf die Daten zu gewähren. Andere MVP-Anbieter ermöglichen nach einem Wechsel einen dauerhaften Datenzugriff im Altsystem. Angesichts der bisherigen Qualität der Migration macht diese Praxis den Makler trotz der langen Vorlaufzeit nervös.

Schwindende Alternativen verstärken Marktmacht

Die Übernahme verschärft die ohnehin schwierige Situation kleinerer Maklerunternehmen. Viele MVP-Anbieter sind vom Markt verschwunden oder haben hohe Mindestanforderungen. So verlangen die Lizenzbedingungen von KEASY drei Arbeitsplätze und die von CODie mindestens fünf. Der Wechsel in ein Pool-System fällt den unabhängigen Maklern schwer. Auch das kostenlose meinMVP wird aufgrund der dahinterstehenden Versicherer von den Maklern der WhatsApp-Gruppe mit gewissen Vorbehalten betrachtet, da FINASS für sie ein Garant völliger Unabhängigkeit war.

Ein Makler formuliert seine Strategie nach dem Wechsel zu Insurgo wie folgt: „Ich habe mir ein Jahr gegeben und werde mir die Entwicklung sehr genau ansehen. Vorsichtshalber beschäftige ich mich jetzt aber schon mit Alternativen.“ Ein anderer Makler, der bereits vor längerer Zeit zu Insurgo gewechselt war, sieht die Kostenexplosion gelassener: „Ich habe heute den doppelten Bestand wie früher und bearbeite diesen mit der Hälfte an Arbeitskräften. Da sind mir die Kostensteigerungen ehrlich gesagt egal.“

Zukunft des MVP-Marktes: Renditeoptimierung als Geschäftsmodell

Ein anderer MVP-Hersteller erwähnte gegenüber dvb, dass BID Equity eine „Turn-and-Flip“-Strategie mit dem Ziel der Renditeoptimierung verfolgt. Das Prinzip lautet: aufkaufen, sanieren und teurer verkaufen. Derzeit erhalten alle Softwarehersteller im Maklermarkt sowie Maklerpools Kaufangebote. Offensichtlich wird der Markt immer noch als rentabel eingeschätzt. Das Problem für die Anwender: Renditeorientierung steht im Widerspruch zur Maklerfreundlichkeit.

Andreas Vollmer vom BVK warnt seit Jahren: „Wenn Finanzinvestoren einsteigen, sind Konsolidierung und höhere Preise die logische Konsequenz. Das ist heute im MVP-Markt zu beobachten, und es gibt bereits erste Anzeichen im Poolmarkt." Die FINASS-Übernahme bestätigt diese Entwicklung und wird nicht der letzte Akt sein.

Makler sollten daher bei der Wahl ihres MVP-Systems die Eigentümerstruktur ihrer Anbieter stärker berücksichtigen und rechtzeitig Migrationspläne entwickeln, bevor externe Investoren diese Entscheidung für sie treffen.

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