Risiko Magenkrebs: Lügen mit Statistik

Die Medien nutzen einen statistischen Trick, um den in Wahrheit geringen Anstieg des absoluten Risikos schlimmer und schwerwiegender auszusehen zu lassen. Zu diesem Zweck wird einfach der relative Anstieg (41 Prozent) betont, der geringe absolute Anstieg wird verschwiegen. Und die Menschen tappen in eine psychologische Falle, wie sie auch aus der „Behavioral Finance Forschung“ bekannt ist: Die hohe Zahl stellt einen Ankerpunkt dar, die aufgrund der Größe als Gefahr wahrgenommen wird, weil der Mensch eher in absoluten als in relativen Größen denkt.

Krebsrisiko, 41 Prozent: 
Verhaltensmuster sind tief im Menschen verankert und führen nicht nur an den Finanzmärkten zu Fehlleistungen.

Ein genauerer Blick auf die ursprüngliche Studie in der Fachzeitschrift „Gastric Cancer“ zeigt, dass der tatsächliche absolute Anstieg des Magenkrebsrisikos durch Nachsalzen nur 0,108 Prozentpunkte beträgt. 471.144 Menschen nahmen an der Studie teil, von den Salzverweigerern erkrankten 0,123 Prozent an Magenkrebs. Bei den Salzliebhabern lag der Anteil bei 0,231 Prozent. Faktoren wie Diät, Rauchen und Alkoholkonsum wurden herausgerechnet, so dass sich der absoluter Anstieg auf 0,05 Prozentpunkte verringerte. Zu gering für eine Mediennachricht, also erfolgt die Angabe des relativen Anstiegs auf 41 Prozent.

Der Unterschied zwischen absolutem und relativem Risiko wird oft missverstanden. Eine Schlagzeile wie „Nachsalzen erhöht das Risiko für Magenkrebs um 0,05 Prozentpunkte“ würde keine Aufmerksamkeit erregen. Viele Menschen, einschließlich einiger Ärzte, verwechseln immer noch die relative Erhöhung mit der absoluten Erhöhung eines Risikos. Selbst der Bericht über die Studie auf aerzteblatt.de berichtete nur über die relative Risikoerhöhung. Das macht aus der sprichwörtlichen Mücke oft einen Elefanten. Diesen Unterschied zu verstehen, ist gar nicht so schwer und wichtig für die Risikokompetenz, die wir alle brauchen. Bis dahin werden die Medien und manchmal auch Wissenschaftler und Gesundheitsminister weiterhin relative Risiken überbewerten und damit unnötige Ängste schüren.

Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer, die STAT-UP-Gründerin Katharina Schüller und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen. Alle „unstatistiken“ finden Sie im Internet unter www.unstatistik.de und auf Twitter.

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