"Standardprodukt für Altersvorsorge ist eine Fata Morgana"

Der Chef des VOTUM-Verbandes Martin Klein im Gespräch: Warum Standardprodukte eine "Fata Morgana" sind, weshalb Brüssels Pläne die Finanzbranche revolutionieren werden und wie Provisionsverbote Kunden schaden.

"Aus Vermittlersicht steht auch einiges Gutes im Koalitionsvertrag. Man möchte keine Eingriffe in die Vergütungssystematik vornehmen, sondern ist mit der Dualität von Honorar und Provisionsberatung einverstanden." Klein sieht den Koalitionsvertrag trotz seiner Länge von 144 Seiten grundsätzlich positiv, da keine größeren Eingriffe in die Vergütungssystematik geplant sind. Die BaFin soll lediglich prüfen, ob ausreichend Instrumente vorhanden sind, um gegen schwarze Schafe vorzugehen.

Altersvorsorge: Reformen ohne Systemwechsel

Martin Klein
VOTUM

Bei der Rente bemängelt Klein die Zurückhaltung im Koalitionsvertrag bezüglich dringend notwendiger Rentenreformen. Die geplante Mütterrente sieht er kritisch, da sie eine "weitere Belastung on top" darstellt. Die Aktivrente hingegen bewertet er positiv, da sie eine "Brücke bauen" könnte, um länger zu arbeiten.

Zum gescheiterten Altersvorsorge-Depot-Gesetz der Ampelregierung äußert sich Klein lobend: "Das war ein schon auf dem ersten Entwurf gut gemachtes Gesetz, das wäre auch etwas gewesen, wo wir gesagt hätten, ja, das ist eine Riester-Reform, wie wir sie gerne gehabt hätten." Er hofft, dass die künftige Regierung an diesen Ansätzen anknüpft, insbesondere beim Abbau von Garantien und der Vereinfachung der Produkte.

"Fata Morgana Standardprodukt"

Die Idee eines Standardprodukts für die Altersvorsorge bezeichnet Klein pointiert als "übliche Fata Morgana, die offensichtlich immer noch dahinten in einer Wüste der Altersvorsorge kommt." Er kritisiert, dass es den "Standardbürger" nicht gibt und individualisierte Beratung notwendig bleibt: "Wer einmal sich mit einer Analyse eines Privathaushaltes auf einer DIN-Basis beschäftigt hat, der wird feststellen, dass es dafür dann nicht immer die standardisierte Lösung gibt."

EU-Politik: Kleinanlegerstrategie und Bürokratieabbau

Klein erklärt die aktuellen Entwicklungen in Brüssel, insbesondere zur Kleinanlegerstrategie und der Financial Data Access-Verordnung (FIDA). Die FIDA soll alle Finanzdienstleister verpflichten, Vertragsdaten ihrer Kunden an eine digitale Schnittstelle zu liefern – betroffen wären etwa 400 Millionen Versicherungsverträge allein in Deutschland.

Zur Kleinanlegerstrategie berichtet Klein, dass ein mögliches Provisionsverbot nach Widerstand aus Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien vom Tisch sei. Aktuell fordere das Europäische Parlament und der Europäische Rat von der Kommission einen vereinfachten Vorschlag: "Europäischer Rat und Europäisches Parlament haben der EU-Kommission gesagt: Ihr habt jetzt sechs Wochen Zeit, einen neuen Vorschlag auf den Tisch zu legen mit einer ganz starken Vereinfachung dieses ersten Entwurfs."

Klein kritisiert mehrere problematische Punkte der Strategie: ein europäisches Produktbenchmarking, die Verpflichtung zum kosteneffizientesten Produkt und die Forderung, zusätzlich ein günstigeres Alternativprodukt vorzuschlagen. Diese würden zu mehr Bürokratie und Informationsüberflutung der Kunden führen.

Einfluss nehmen in der Politik

Auf die Frage, wie Verbände Einfluss nehmen, betont Klein die Wichtigkeit von Allianzen: "Wir schreiten ja nie alleine, sondern wir müssen immer jemanden auch an unserer Seite finden, der das Problem genauso wie wir sieht." Als Mitglied im Direktorium des europäischen Dachverbandes vernetzt er sich mit Kollegen aus anderen Ländern, um gemeinsam in Brüssel aufzutreten.

Klein warnt vor dem Provisionsverbot als Irrweg und verweist auf negative Erfahrungen in England und Holland: "Der Zugang eben gerade der kleineren und mittleren Einkommen zu Anlageberatung, Vermögensberatung, Planung ist in England deutlich weniger geworden für diese Gruppen." In Holland sei eine "starke Unterversorgung der Selbstständigen" mit Produkten wie Berufsunfähigkeitsversicherungen zu beobachten.

Trotz aller Herausforderungen bleibt Klein optimistisch für den deutschen Markt: "Für den deutschen Markt ist es immer noch eine sehr gute Situation, hier als Berater tätig zu sein." Nicht umsonst fließe amerikanisches und englisches Kapital in den deutschen Versicherungsmaklermarkt.

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