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15.11.2005 - dvb-Presseservice

Gesammelte Märchen und Gerüchte

Seit dem BFH-Urteil aus 2003 geistert das „Problem Umsatzsteuer auf Provisionen“ durch die Finanzbranche. Doch selten gab es derart viele halbseidene Kommentare und Gerüchte wie zu diesem Thema.

TUTOR möchte mit einigen Gerüchten aufräumen und dafür Grundsätzlichkeiten geraderücken. Denn während viele qualifizierte Vermittler längst ihre Buchhaltung darauf eingerichtet haben, scheinen sich andere Finanzberater mit dem Thema "Geld und Steuern" etwas weniger auszukennen (obwohl sie ihre Kunden dazu beraten). In diesem Sinne werden in der nachfolgenden Darstellung vornehmlich plakative Argumente denn fachlich komplexe Erklärungen verwendet.

Grundsätzlich ist jeder Selbstständige umsatzsteuerpflichtig. Dies gilt auch für selbstständige Finanz- und Versicherungsvermittler. Die Frage ist nur, ob für den Einzelfall ausnahmsweise eine Befreiung von der Umsatzsteuer nach § 4 des Umsatzsteuergesetzes UStG greift. Eine solche Ausnahme kann dann durchaus auch alle Umsätze eines Vermittlers betreffen und bleibt trotzdem eine Ausnahme von der allgemeinen Regel.

Wer Finanzprodukte, Finanzierungen oder Versicherungen vermittelt, kann sich zwar stets als Vermittler bezeichnen. Ob dies jedoch auch steuerrechtlich so der Fall ist, steht auf einem völlig anderen Blatt Papier.

Einfach dargestellt gilt gemäß Urteil des Bundesfinanzhofes aus dem Oktober 2003 folgendes: Vermittler ist, wer vom Produktlieferanten mit der Vermittlung beauftragt ist. Oder anders ausgedrückt: Wer einen direkten Vertrag mit einem Produktgeber hat, ist und bleibt auch steuerrechtlich Vermittler und bekommt seine Provision umsatzsteuerfrei ausgezahlt. Umkehrschluss: Wer keinen direkten Vertrag mit dem Produktlieferanten hat, ist kein Vermittler sondern ein Erfüllungsgehilfe für denjenigen, der über einen direkten Vertrag verfügt. Und Erfüllungsgehilfen sind nicht von der Umsatzsteuer befreit. Finanzberater, die mit diesen Ausführungen bereits Probleme haben, sollten weniger über den Gesetzeber schimpfen sondern eher eine solide kaufmännische Berufsausbildung belegen.

Das Umsatzsteuergesetz bedeutet im § 4 eindeutig, dass die Vermittlerprovision umsatzsteuerfrei ist. Dieser Umstand ist in den letzten Jahrzehnten weder geändert worden, noch plant irgendeine politische Gruppierung, diesen Paragraphen absehbarer Zukunft zu ändern. Rufe nach Gesetzesänderungen sind somit völlig jenseits der Realität.

Appelle an die Politik, deutsche Finanzprodukte würden teurer und international nicht mehr wettbewerbsfähig sein, wenn Erfüllungsgehilfen umsatzsteuerpflichtig werden, sind eher peinlich. Produktgeber werden auch zukünftig USt-freie Provisionen an ihre Vermittler auskehren. Nur weil diese Vermittler jetzt Untervermittler engagieren, die als Erfüllungsgehilfen eingestuft werden, ändern sich die Preise für deutsche Finanzprodukte nicht.

Umsatzsteuer wirklich erst ab 2006?

Wer glaubt, dass er nur deshalb nicht umsatzsteuerpflichtig sei, weil es ein allgemeines Schreiben des Bundesfinanzministeriums BMF gibt, nach dem die USt-Erhebung angeblich pauschal bis Ende 2005 ausgesetzt wird, handelt wider aller kaufmännischer Logik. Für die persönliche Steuerpflicht ist und bleibt ein rechtsgültiger Steuerbescheid der zuständigen Finanzbehörde maßgeblich und keinesfalls ein allgemein gehaltener Standardbrief, den die meisten Vermittler offensichtlich nicht einmal gelesen haben. So greift dieses einschlägige Schreiben des Finanzministeriums ohnehin nur auf die §§ 4 Nr.8 b-g UStG, - hingegen wird z.B. Kreditvermittlung in Nr 8 a und Bauspar- und Versicherungsvermittlung in Nr. 11 geregelt und sind somit per se davon ausgenommen (s. BMF-Schreiben v. 30.05.05).

Wer glaubt, nur deshalb keine Umsatzsteuer zahlen zu müssen, weil sein Finanzamt ihn dazu noch nicht aufgefordert hat, sollte kurzfristig lernen, dass jeder Selbstständige zur eigenverantwortlichen Abführung seiner Steuer verpflichtet ist. Wer dies als Steuerpflichtiger nicht tut, macht sich ggf. der Steuerhinterziehung strafbar. Stellt sich bei der nächsten Außenprüfung heraus, dass Umsatzsteuern nicht ordnungsgemäß abgeführt wurden, kann diese bis zu fünf Jahre rückwirkend nachgefordert werden, was neben einer saftigen Geldbuße auch strafrechtliche Konsequenzen haben kann.

Wer sich als selbstständiger Finanzberater mit dieser Materie nicht auskennt, sollte statt einer einfachen Verkäuferschulung das nächste Mal ein gutes Steuerseminar belegen, - die Kunden solcher Finanzberater werden dafür dankbar sein.

Eine konkrete Aussage hat das Finanzministerium allerdings schon geliefert: Der Begriff „Vermittler“ ist für den gesamten § 4 UStG einheitlich auszulegen (s. BMF-Schreiben v. 13.12.04). Das bedeutet, dass das BFH-Urteil zur Umsatzbesteuerung von Kreditvermittlungsprovisionen auch für Versicherungs- oder Fondsprovisionen gilt.

Kauft ein Makler seine Produkte über einen Pool ein, so muss er ggf. damit rechnen, dass er selbst der erste Erfüllungsgehilfe ist und damit umsatzsteuerpflichtige Provisionen einnimmt. Grund dafür ist, dass nahezu alle Pools normale Vermittlerverträge mit den Produktgebern vereinbart haben und damit den umsatzsteuerfreien Vermittlungsauftrag erhalten haben. Die Wenigsten haben sich steuerrechtlich als echte Großhändler geoutet. Ein Großhändler wäre dann mit seiner Marge zwar umsatzsteuerpflichtig, weil er kein Vermittler gemäß § 4 UStG wäre, jedoch könnte er den umsatzsteuerfreien Vermittlerauftrag an den Einzelhändler regelrecht „durchreichen“.
Dieser Aspekt dürfte in Zukunft einen maßgeblichen Wettbewerbsfaktor unter den Großhändlern bescheren.

Berater oder Vermittler?

Wer dem Außenprüfer seines Finanzamtes Glauben machen will, er wäre deshalb ein USt-befreiter Vermittler, nur weil er Vermittlungsprovisionen bezieht, sollte sich einmal erklären lassen, dass nicht die Art des Geldflusses sondern die tatsächliche Tätigkeit maßgebend ist. Wenn sich daher ein Finanzberater als Berater und nicht als Vermittler darstellt, kann es sein, dass er mit seiner beratenden Tätigkeit grundsätzlich nicht der USt-Befreiung gemäß § 4 UStG unterliegt.

Umsatzsteuerpflicht bedeutet allerdings nicht, dass auch die Erträge um 16 % niedriger ausfallen. Vielmehr steht diesem die Vorsteuerabzugsberechtigung gegenüber. So enthält die Büromiete ebenso wie das Benzin für den Firmenwagen eine abzugsfähige 16 %ige Vorsteuer. Die reale Provisionssenkung kann also – je nach Ertragslage – bei fünf oder nur zwei Prozent liegen.

Unternehmen, die ihre Provisionsabrechnungen mit den Hinweis vermerken „Zahlungen könnten vielleicht Umsatzsteuer enthalten“, müssen sich fragen lassen, ob ihre Finanzprodukte ebenso sorglos kalkuliert sind. Im Ernstfall helfen solche Sprüche gar nichts, weil die Umsatzsteuer sowohl prozentual als auch monetär explizit auszuweisen ist.

Wer pauschal behauptet, die neue Interpretation der Umsatzsteuerpflicht für Vermittler verstoße gegen europäisches Recht, sollte zu vorderst den Unterschied zwischen Vermittlern und Erfüllungsgehilfen berücksichtigen. Vermittler waren und bleiben nach vorherrschender, politischer Meinung von der Umsatzsteuer befreit.

Tatsächlich haben sich nicht die Gesetze sondern die Arbeitsweisen von Vertriebsunternehmen geändert. Zu Zeiten der Schaffung des UStG waren Strukturvertriebe in Deutschland kaum verbreitet und es gab zumeist nur selbstständige Versicherungsvermittler, die ihrerseits allenfalls ein paar Handelsvertreter bei sich direkt "beschäftigt" hatten. Diese Praxis wurde als "einschlägig" bzw. marktüblich bezeichnet und ist auch von der Umsatzsteuerbefreiung abgedeckt. Heutige Vertriebssysteme teilen jedoch eine einzige Provision auf 10, 15 und gar 20 Hierarchiestufen auf: Neben den 10 Führungskräften, die gemeinsam einen nebenberuflichen Vermittler führen, erhält noch der Prokurist eine Teilprovision ebenso wie der Ausbildungsleiter, der Werbegrafiker und der selbstständige Innendienstleiter. Dass unter derart veränderten Bedingungen der Gesetzgeber einmal fragen könnte, wer von diesen zahllosen Teilprovisionsempfängern denn nun der wirkliche Vermittler sei, kann schwerlich dem Gesetzgeber angelastet werden.

Im Grunde genommen könnte man sich glücklich schätzen, dass diese Praxis so viele Jahrzehnte ungeprüft durchgehen konnte und viele Vertriebsunternehmen reich gemacht hat. Fachleute haben jedoch schon Anfang der neunziger Jahre hinter vorgehaltener Hand über dieses Problem gemunkelt und einen „Big Bang“ erwartet. „Seit dem BFH-Urteil aus 2003 haben Betriebsprüfer immer wieder Umsatzsteuer und Hinterziehungszinsen von Finanzdienstleistern eingefordert. Einige Steuerberater haben dabei verabsäumt, in Zweifelsfällen schriftliche Auskünfte vom Finanzamt einzufordern,“ bestätigt Rechtsanwalt Johannes Fiala, München. Denn: Die entscheidende Gefahr ist dabei nicht das Abführen der laufenden Umsatzsteuer sondern eine Nachzahlung für bis zu fünf Kalenderjahre.

Jeder Staubsaugervertreter führt die Umsatzsteuer ab

Im normalen Wirtschaftsleben kennt jeder kleine Staubsaugerverteter diese Steuerpraxis und führt seine Umsatzsteuer ab. Peinlich dürfte es nur werden, wenn ein Finanzvermittler, der fremde Menschen in Sachen Geld beraten will, sich dieses Thema vom Staubsaugervertreter erklären lassen muss. Wer es unter solchen Bedingungen immer noch nicht für nötig hält, sich eine solide finanzwirtschaftliche Ausbildung anzueignen, handelt grob fahrlässig und muss sich vorhalten lassen, dass genau solche Vermittler dem Ruf der Branche abträglich sind.

Und selbst wenn ein Vermittler tatsächlich USt-befreite Vermittlungsprovisionen einnimmt, kann er trotzdem gleichzeitig USt-pflichtige Einnahmen haben. So sind Bürokosten- oder Marketingzuschüsse selbst dann nicht pauschal von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie an Umsatzziele geknüpft sind.

Ungeachtet davon bleibt allerdings stets die Einzelfallprüfung maßgeblich und jeder Vermittler sollte dringlichst jede einzelne Bezugsquelle von Finanzprodukten in Sachen Umsatzsteuer überprüfen. Normalerweise wurde dies bereits vom Steuerberater geprüft und entsprechend schriftlich beurteilt. Sollte dies jedoch nicht geschehen sein, wäre zu prüfen, ob der Steuerberater ggf. seine Beratungspflichten verletzt hat. Darüberhinaus empfiehlt TUTOR jedem Finanzvermittler, eine fundierte Berufsausbildung zu absolvieren, die besonders auf die betriebwirtschaftlichen Erfordernisse eines selbständigen Kaufmanns im Finanzgewerbe eingeht. "Wer nämlich selbst Bescheid weiß, fällt nicht so schnell auf Gerüchte des Marktes herein und macht bei seinen gewerblichen Kunden eine deutlich bessere Figur," so TUTOR-Chef Peter L. Pedersen. Die IHK-MFC-Lehrgänge der TUTOR berücksichtigen diese Themen in besonders praxisorientierter Weise und sind zudem als Betriebsausgaben steuerlich absetzbar.



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