Von Michael Schopf, CFA – SMC
Ihre Analysten haben Konkurrenz. Und sie ist nicht menschlich.
Sechs KI-Modelle traten kürzlich gegen erfahrene Aktienanalysten an, um SWOT-Analysen zu erstellen. Das Ergebnis war eindeutig: Die KI lieferte oft präzisere Analysen und entdeckte Risiken, die selbst Profis übersehen hatten. Kein Laborexperiment, sondern ein echter Praxistest: Wir ließen führende Sprachmodelle (LLMs) gegen Analystenkonsens zu drei Unternehmen antreten – Deutsche Telekom, Daiichi Sankyo und Kirby Corporation. Alle drei galten im Februar 2025 als Favoriten ihrer Regionen, also als „sichere Wetten“.
Gerade deshalb war die Auswahl spannend: Wenn KI dort Schwächen aufdeckt, wo Menschen nur Chancen sehen, ist das ein Warnsignal – und eine Einladung, den eigenen Research-Prozess zu überdenken.
Die unbequeme Wahrheit über KI-Leistung
Mit gezieltem Prompting übertraf die KI in mehreren Fällen die Analysten, in Tiefe und Präzision. Maschinen schrieben umfassendere SWOTs als Profis mit jahrzehntelanger Erfahrung.
Heißt das, Analysten sind überflüssig? Noch nicht. KI erkennt Muster, liest Daten - aber keine Körpersprache. Sie versteht nicht, was ein „vorsichtig optimistischer“ Tonfall wirklich bedeutet. Ein Portfoliomanager brachte es auf den Punkt: „Nichts ersetzt das direkte Gespräch mit dem Management.“
40 % Unterschied – der alles verändert
Das Beeindruckendste: Gutes Prompting steigert die KI-Leistung um bis zu 40%. Der Unterschied zwischen „Erstelle eine SWOT zu Deutsche Telekom“ und einer präzisen Anweisung ist der Unterschied zwischen Wikipedia-Niveau und institutioneller Analyse.
Prompt Engineering wird zum neuen Pflicht-Skill, wie Excel in den 2000ern. Wer es beherrscht, holt ein Vielfaches aus den Modellen heraus. Wer nicht, schaut zu, wie andere dieselbe Analyse in einem Zehntel der Zeit liefern.
Nicht jede KI ist gleich
Getestet wurden sechs Top-Modelle:
- Gemini Advanced 2.5 (Deep Research) – klarer Sieger
- OpenAI o1 Pro – fast gleichauf, exzellente Argumentation
- ChatGPT 4.5 – solide, aber erkennbar schwächer
- Grok 3 – der Herausforderer von Musk
- DeepSeek R1 – Chinas Überraschung, schnell, aber rau
- ChatGPT 4o – Basislinie
Die reasoning-optimierten Modelle lieferten deutlich fundiertere Analysen als Standardversionen. Mehr Kontext, weniger Floskeln, wie der Unterschied zwischen Junior- und Senior-Analyst. Interessant: Die besten Modelle brauchten rund 10 bis 15 Minuten pro SWOT. Qualität braucht Denkzeit, das gilt für Menschen wie Maschinen.
Update Herbst 2025: Seit Veröffentlichung der ursprünglichen Studie im April 2025 hat sich die Modell-Landschaft nochmals sichtbar verschoben. Neue Generationen reasoning-optimierter LLMs haben den Abstand zwischen „nackt genutzten“ Basis-Modellen und sauber geprompteten Profi-Setups weiter vergrößert. An der Kernaussage ändert das nichts – im Gegenteil: Wer Prompting und Modellauswahl beherrscht, vergrößert seinen Vorsprung von Monat zu Monat.
Europas KI-Lücke – ein strategisches Risiko
Fünf der getesteten Modelle stammen aus den USA, eines aus China. Europa? Fehlanzeige. Das ist nicht nur peinlich, sondern gefährlich. Als DeepSeek mit konkurrenzfähiger Leistung und Bruchteilen der Kosten auftrat, sprachen viele von einem „Sputnik-Moment“.
Das Risiko: Abhängigkeit. Europäische Asset Manager verlassen sich bei zentraler Analysekompetenz auf ausländische KI. Versteht ein US-Modell EZB-Kommunikation wirklich so gut wie Fed-Statements? Fraglich.
Der Praxis-Fahrplan
Vier Schritte, um KI sinnvoll in den Investmentprozess zu integrieren:
- Hybrid statt Ersatz: KI übernimmt die Datensynthese, erfahrene Portfoliomanager interpretieren und entscheiden.
- Prompt-Bibliotheken als Alpha-Quelle: Gute Prompts sind geistiges Eigentum. Teilen ja, aber nicht alle.
- Modellauswahl zählt: Für tiefgehende Analysen braucht es reasoning-optimierte Modelle. Sonst ist es wie mit einem Messer im Feuergefecht.
- Laufende Bewertung: Modelle ändern sich monatlich. Wir nutzen ein 6-Kriterien-Framework (Struktur, Plausibilität, Spezifität, Tiefe, Gegenprüfung, Meta-Bewertung).
Wer diese Fähigkeiten nicht nur theoretisch verstehen, sondern praktisch einüben möchte, kann das im Rahmen spezialisierter Promptathons für Finance & Banking tun. Schopf Meta Consult bietet hier praxisnahe Formate, in denen Versicherungsexperten, Analysten, und Fachexperten lernen, LLMs gezielt in ihren Investmentprozessen einzusetzen. Ich unterstütze diese Formate punktuell als Fachexperte.
Über SWOT hinaus: Die sich erweiternde Grenze
Zwar haben wir uns auf die SWOT-Analyse konzentriert, doch die Einsatzmöglichkeiten von KI erstrecken sich über den gesamten Investitionsprozess. Nachfolgend listen wir einige davon auf, doch es gibt noch viele weitere:
- Ergebnis-Calls analysieren – in Minuten statt Stunden
- ESG-Risiken im Portfolio erkennen
- Regulatorische Berichte im Maßstab prüfen
- Wettbewerbsinformationen bündeln
- Marktsentiment in Echtzeit zusammenfassen
Jede Anwendung verschiebt Analystenzeit von Datensuche zu Wertschöpfung. Die Frage ist nicht ob, sondern wie schnell Sie integrieren.
Die unbequemen Fragen
Lassen Sie uns auf einige Fragen eingehen, die viele beschäftigen:
- Ersetzt KI Analysten? Nein – aber sie ersetzt Analysten, die keine KI nutzen.
- Ist KI verlässlich? Meist ja, aber Kontrolle bleibt Pflicht.
- Welches Modell ist das beste? Aktuell Gemini 2.5 Advanced oder ChatGPT 5Pro - bis nächsten Monat.
- Und wenn die Konkurrenz besser wird? Dann holen Sie auf, während andere schon Alpha generieren.
Der Weg nach vorn
Der Geist ist aus der Flasche. LLMs leisten in Sekunden, wofür früher Tage nötig waren. Geschwindigkeit, Konsistenz, enormes Wissen. Aber der Schlüssel liegt in der Integration.
Behandeln Sie KI-Output wie den Entwurf eines Juniors: wertvoll, aber überarbeitungsbedürftig. Lernen Sie Prompting. Prüfen Sie Modelle. Behalten Sie menschliche Kontrolle. Und fordern Sie europäische KI-Kompetenz ein, dennAbhängigkeit ist keine Strategie.
Beherrschen Sie die Werkzeuge – oder werden Sie von ihnen überholt
Wer KI klug einsetzt, wird gewinnen. Nicht die Maschinen verdrängen Menschen, sondern Menschen mit KI verdrängen jene ohne.
Der Analyst der Zukunft braucht kein Koffein mehr, aber er sollte wissen, wie man ein LLM anweist, prüft und verbessert. Das ist der neue Standard.
Weitere Informationen zu den Promptathons für Finance & Banking finden Sie auf der Website von Schopf Meta Consult (https://www.schopf-meta-consult.de/smc-promptathons/)
Die vollständige Studie finden Sie hier.
Schopf Meta Consult GmbH
Danziger Weg 2
91052 Erlangen
www.schopf-meta-consult.de
Schopf Meta Consult (SMC) ist ein spezialisiertes Beratungsunternehmen für nachhaltige Organisationsentwicklung, effizientes Prozessmanagement und strategische Transformation mit Schwerpunkt auf Künstlicher Intelligenz. Mit tiefgehender Expertise unterstützt SMC insbesondere Unternehmen aus Finanzdienstleistung, Versicherungen und Industrie dabei, KI sinnvoll in ihre Prozesse zu integrieren. Ein Schwerpunkt sind praxisorientierte Promptathons (Lernen von richtigem Prompting) für Finance & Banking, in denen Fach- und Investmentteams lernen, LLMs systematisch und sicher in Research- und Entscheidungsprozessen einzusetzen. Weitere Informationen: https://www.schopf-meta-consult.de/smc-promptathons/








