Wie die LV 1871 den Versicherungsvertrieb neu denkt

In der 60. Folge des you.talks-Podcasts von Ingolf Putzbach und Oliver Lang gewährt Frank Leitgeb tiefe Einblicke in die Transformation eines traditionellen Lebensversicherers. Er leitet den dezentralen Vertrieb der LV 1871. Zwischen Bergliebe, BVB-Fandom und Digitalisierungsdruck zeigt sich: Die LV 1871 macht vieles anders als die Konkurrenz.

Vom Eintracht-Fan zum Dortmund-Anhänger

Frank Leitgeb ist ein Mann der Gegensätze: "Ich bin so einer, wenn man ihn fragt, Berge oder Meer, der sich nicht entscheiden kann", beschreibt er sich selbst. Der 44-jährige Familienvater aus Stuttgart hat hessische Wurzeln und Schweizer Blut. Er fand über Umwege zur Versicherungsbranche. Nach dem Abitur war er orientierungslos. Das duale Studium bei der Helvetia Leben gab ihm eine strukturierte Perspektive.

Besonders kurios ist seine fußballerische Wandlung von Eintracht Frankfurt zu Borussia Dortmund. „Als Jupp Heynckes die Eintracht kaputt gemacht hat und alle meine Idole weg waren“, wechselte er die Vereinstreue – sehr zum Leidwesen seiner Frankfurter Familie.

Revolution im Vertriebsmodell

Die LV 1871 wagte 2023 einen radikalen Schritt. Sie löste sechs regionale Filialdirektionen auf und bündelte den Vertrieb dezentral. „Wir haben gemerkt, dass immer mehr Marktbewegungen uns dazu bringen, zu hinterfragen, ob das die richtige Aufstellung für die Zukunft sein kann”, erklärt Leitgeb die Motivation.

Der dezentrale Vertrieb umfasst den gesamten Vermittlermarkt – von Banken über Pools bis zu Einzelmaklern. Das Unternehmen setzt bewusst auf Flexibilität statt starrer Strukturen. „Keiner von uns hat eine Glaskugel, wir wissen nicht, was kommt.“ Wir wollten aber von der Aufstellung her so sein, dass es uns egal sein darf, wie sich der Markt künftig entwickelt.“

Direkten Anbindung als Trumpf

Viele Versicherer drängen kleine Makler zu Pools. Die LV 1871 verfolgt eine andere Strategie. „Für uns hat alles einen Wert, sofern am Ende des Tages ein profitables Miteinander möglich ist”, betont Leitgeb. Entscheidend sei nicht die Größe des Partners, sondern die Profitabilität der Zusammenarbeit.

Ein zentraler Aspekt ist die Transparenz in der Geschäftspartnerschaft. „Wir möchten schon gerne wissen, mit wem wir unser Geschäft machen”, erklärt der Vertriebsleiter. Besonders beim Thema Stornoquoten sei die Kenntnis des eigentlichen Vermittlers entscheidend, da „die Stornoquote nicht vom Pool kommt, sondern vom Vermittler darunter“.

Innovation durch flexible Vergütung

Die LV 1871 war Vorreiter bei flexiblen Vergütungsmodellen. Das Unternehmen bot bereits früh reine Netto-Tarife und NAV-Modelle an, während andere Versicherer noch zögerten. Die Philosophie dahinter: „Lass uns einfach Modelle bauen, die den Vermittler möglichst freilassen in seiner Entscheidung.” Vermittler können situativ entscheiden, welches Vergütungsmodell am besten zur jeweiligen Beratungssituation passt.

Produktstrategie: konservativ und doch progressiv

Wir sind eher konservativ, wir sind wirklich ein konservatives Haus“, beschreibt Leitgeb die Grundhaltung. Innovation heißt nicht, blindlings Risiken einzugehen. Sie lebt von durchdachten Lösungen. Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung, dem Steckenpferd des Hauses, setzt man auf lebensbegleitende Modelle statt auf oberflächliche Zielgruppendifferenzierung.

Die fondsgebundene Lebensversicherung hat sich zur zweiten Säule entwickelt: "Das ist ehrlicherweise bei uns eine brutale Erfolgsstory gewesen, wir haben da die Fondsgebundene mittlerweile auf das Niveau der BU hochgezogen."

Digitalisierung als Überlebensfrage

Es gibt nichts Wichtigeres als das. Also alles andere ist sekundär“, sagt Leitgeb. Seine klare Ansage zur Digitalisierung überrascht. Die LV 1871 investiert massiv in eine moderne Versicherungsplattform. Diese Plattform bildet bereits Berufsunfähigkeits- und fondsgebundene Versicherungen ab.

Der Grund ist klar: „Entweder du bist anschlussfähig an die Welt da draußen, oder du bist es nicht.” Selbst das beste Produkt und der netteste Service helfen nicht, wenn die Prozesse nicht kompatibel sind. „Du kannst noch so nett sein, du kannst noch so ein gutes Produkt haben – sobald die Prozesse nicht zusammenpassen, bist du raus aus dem Spiel.“

Ausblick: Partnerschaftlichkeit als Erfolgsrezept

Die LV 1871 positioniert sich bewusst als stabiler, aber nicht verstaubter Lebensversicherer. „Wir sind keine hippe Startup-Bude, das sind wir einfach nicht. Gleichzeitig sind wir im Marketing aber auch progressiv“, fasst Leitgeb die Markenpositionierung zusammen.

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