Der „Autopreneur“ Philipp Raasch hat einen wöchentlichen Podcast, in dem er eine Geschichte über die Transformation der Automobilindustrie erzählt. Der Fokus liegt dabei auf Digitalem und Technologie. In dieser Woche hat er die Software bei Volkswagen unter die Lupe genommen. Genauer gesagt die Entwicklung bei CARIAD, VWs Software-Tochter. CARIAD baut jetzt 1.600 Stellen ab – jede dritte Position fällt weg. Was einmal als „zweites SAP” Europas größte Software-Company werden sollte, endet als verkohlte Ruine. Nach Gesprächen mit Dutzenden Insidern enthüllt der „Autopreneur“-Podcast die wahre Geschichte hinter VWs 14-Milliarden-Euro-Debakel.
Der Kollaps: Von 6.000 auf 3.400 Mitarbeiter
Herbert Diess wollte 2019 nach SAP die größte Software-Company Europas aufbauen. "Die Strategie war perfekt. Die Umsetzung? Maximal dumm", so ein Insider. Statt klein zu starten, wurden 6.000 Mitarbeiter ohne klares Konzept eingestellt. "Wir haben alles eingestellt, was einen Laptop tragen konnte."
Das Ergebnis: "Ich hatte 17 Status-Meetings pro Woche. Alle wollten den gleichen Status hören, nur auf unterschiedlichen Folien." Statt zu programmieren, füllten Entwickler PowerPoints aus.
Die sieben Todsünden von CARIAD
1. Kein eigenes Budget: Das Geld kam von den Marken - und damit behielten diese die Kontrolle.
2. Software-Company ohne Software: "Ich hatte Testmanager, Error-Manager, Projektleiter, aber keinen einzigen Coder in meinem Team."
3. 200 Zulieferer für ein System: Die Plattform 1.2 war so überladen, dass die Rechenleistung nur für Sonderwünsche draufging.
4. Krieg der Fürstentümer: "Audi wollte dies, Porsche das, VW wieder was anderes. Wir haben sechsmal dasselbe Feature entwickelt."
5. Manager aus der Hardware-Welt: "Man hat den Bock zum Gärtner gemacht."
6. Wohlfühl-Kultur: "Freitag 11 Uhr war Wochenende. So gewinnt man kein Spiel gegen Asien."
7. Blockade durch die Marken: Sie arbeiteten aktiv gegen CARIAD, blockierten Entscheidungen und streuten negative Stories.
Der gescheiterte Retter: Sanjay Lal
2021 kam Ex-Google-Manager Sanjay Lal. "Endlich jemand, der weiß, wovon er spricht." Er baute den SDV Hub auf und hatte eine klare Strategie. Dann der Schock: VW verkündete den 5-Milliarden-Dollar-Deal mit Rivian - ohne ihn.
VW kaufte genau die Technologie ein, die CARIAD entwickeln sollte. "Wir sind jetzt nur noch für Legacy zuständig. Keine Innovation mehr." Sanjays Urteil: "Rivian bringt technisch keinen Mehrwert." Auch er hat das Unternehmen verlassen.
Die Kapitulation des CEO
"Oliver Blume hat das Rivian Joint Venture nur gegründet, weil er die Macht der Marken nicht brechen konnte", erklärt ein Top-Manager. Selbst der CEO konnte die VW-Fürstentümer nicht vereinen. "Die Marken können im Rivian Joint Venture nicht mehr reinreden. Das war der einzige Weg."
Was bleibt: Eine bittere Lektion
"Die Motivation ist komplett eingebrochen. Viele fühlen sich verraten." Dabei übersieht man oft: "Die Software im ID.7 wird von Kunden als die beste bezeichnet, die VW je hatte. Ohne uns würde kein einziges Fahrzeug vom Band rollen."
Das Problem: "Unsere Schwäche ist nicht die Technologie. Es ist die Unfähigkeit, uns wirklich zu verändern." Deutschland kämpft nicht gegen Wettbewerber, sondern gegen sich selbst.
Die Metallkugel am Bein
"Während die Chinesen agil mit neuen Nikes an der Startlinie stehen, schleppen wir eine schwere Metallkugel am Bein mit." Diese Metallkugel sind über Jahrzehnte gewachsene Strukturen und Machtspiele. Genau diese sorgten dafür, dass statt eines „zweiten SAP” eine verkohlte Ruine entstand.
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