Digitaler Wandel: Chinesische Autobauer überholen deutsche Traditionshersteller

In der neuesten Folge des Podcasts "Der Autopreneur" mit Host Philipp Raasch wird eine deutliche Schwäche der deutschen Automobilindustrie besprochen: Ein Smartphone-Hersteller, der erst seit anderthalb Jahren Autos baut, steht bereits auf Platz 3 der digitalsten Autobauer weltweit. Deutsche Traditionshersteller? Alle außerhalb der Top 10. Der neue Gartner Digital Automaker Index 2025 offenbart das ganze Ausmaß der Krise.

Die schockierenden Zahlen des Gartner Index 2025

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NIO Deutschland 

Der Gartner Digital Automaker Index 2025 zeichnet ein düsteres Bild für die deutsche Automobilindustrie. Während Tesla mit 79,3% weiterhin die Spitze anführt, haben chinesische Hersteller die nächsten Plätze erobert. "Nio auf Platz 2 mit 76,9%, Xiaomi auf Platz 3 mit 72,5%" - und das, obwohl Xiaomi erst seit März 2024 Autos produziert.

Die deutschen Hersteller sind dramatisch abgerutscht: "Mercedes auf Platz 13 minus 5%, BMW auf Platz 14 minus 7%, VW auf Platz 16 minus 1%". Diese Zahlen sind umso schmerzhafter, wenn man bedenkt, dass deutsche Hersteller Milliarden in die Transformation investieren und gleichzeitig Tausende von Stellen abbauen.

Xiaomi: Vom Smartphone zum Auto in Rekordzeit

Das chinesische Technologieunternehmen Xiaomi zeigt, wie die Automobilwelt von morgen aussehen könnte. "Sie haben mittlerweile über 360.000 Autos verkauft. Tesla hat sechs Jahre gebraucht für diese Stückzahlen", erklärt Raasch. Das Geheimnis von Xiaomi liegt in ihrer digitalen DNA: "Sie müssen nicht 100 Jahre Hardware-Mindset ablegen. Sie starten praktisch dort, wo alle anderen hinwollen."

Während deutsche Hersteller immer noch Autos bauen und dann Software integrieren, hat Xiaomi bereits die Software und baut ein Auto drumherum. Diese umgekehrte Herangehensweise macht den entscheidenden Unterschied.

Das Führungsproblem: Warum deutsche Vorstände versagen

Der Kern des Problems liegt laut Gartner in der Führungsetage. "Bei den meisten europäischen Herstellern sehen wir keine wesentlichen Verbesserungen in den Bereichen Kultur, Führung und Talent", zitiert Raasch die Studie. Die Statistik ist ernüchternd: "Nur 12,8% der CEOs in der Autoindustrie haben einen Tech-Background."

Besonders bemerkenswert ist die Korrelation zwischen organisatorischer und technologischer Kompetenz: "Es gibt eine Korrelation von 0,88% zwischen Software-first-Organisation und Software-first-Vehicle". Das bedeutet: Wer als Unternehmen Software nicht versteht, kann auch keine softwarebasierten Fahrzeuge entwickeln.

China überholt die USA, Europa stürzt ab

Die regionalen Unterschiede sind dramatisch: "China kommt auf 53%, die USA auf 50%, Europa auf 33%". Zum ersten Mal hat China die USA im Digitalbereich überholt, während Europa auf den niedrigsten Wert seit Einführung des Index abstürzt.

Die fünf strukturellen Probleme deutscher Autobauer

Gartner identifiziert fünf Kernprobleme, die deutsche Hersteller blockieren:

  1. Führung ohne echtes Commitment: Software wird als wichtig bezeichnet, aber nicht priorisiert
  2. Konservative Kultur: Zu wenig Risikobereitschaft, zu viel "das haben wir schon immer so gemacht"
  3. Ineffiziente Forschung und Entwicklung: Milliarden werden falsch investiert
  4. Das Talent-Dilemma: Top-Software-Entwickler meiden traditionelle Autohersteller
  5. Fehlende Software-Architektur: Dutzende verschiedene Software-Stacks für jedes Modell

Positive Beispiele: Wer es richtig macht

Nicht alle traditionellen Hersteller versagen: "Hyundai hat sich um 33 Prozentpunkte verbessert seit letztem Jahr, Stellantis um 29 Prozentpunkte und GM um 16 Prozentpunkte." Diese Unternehmen beweisen, dass Aufholen möglich ist, aber nur mit strukturellen und kulturellen Veränderungen.

Der drastische Stellenabbau reicht nicht

Die aktuellen Maßnahmen der deutschen Hersteller sind drastisch: "VW streicht 35.000 Jobs, Mercedes 20.000, ZF 14.000". Doch Raasch warnt: "Das zeigt den Ernst der Lage. Aber die Gartner-Studie zeigt leider auch, das wird nicht reichen."

Zeit für einen Generationswechsel

Raaschs Fazit ist eindeutig: "Ich finde, es ist Zeit für einen Generationswechsel. Und zwar nicht den CEO gegen einen anderen Manager mit demselben Mindset austauschen, sondern eine komplett neue Kategorie Mensch holen." Die Automobilindustrie brauche Menschen, die Software verstehen, in digitalen Kategorien denken und keine Angst vor Veränderungen haben.

Seine Kritik ist scharf: "Wir versuchen also, die größte Transformation der Autogeschichte zu stemmen, mit der Führungsmannschaft aus der Hardware-Ära. Das kann nicht funktionieren." Die Botschaft ist klar: "From Metal to Code" erfordert eine neue Generation von Führungskräften, die die digitale Welt verstehen.

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