Run-Off als Geschäftsmodell: Wenn Migration zum Alltag wird

Run-Off-Geschäft ist mehr ist als nur Kostenoptimierung. Lars Krug, Chief Technology Officer der Frankfurter Leben-Gruppe, verrät im Digital Insurance Podcast, warum seine IT-Abteilung das Herzstück des Unternehmens ist und wie Künstliche Intelligenz die Migration von Versicherungsbeständen revolutionieren wird.

Die Wahrheit über Run-Off-Gesellschaften

Es ist eine weit verbreitete Meinung, dass Run-Off-Gesellschaften die Kunden von stillgelegten Lebensversicherern "ausquetschen" würden. "Wir haben in den sechs Übernahmen, die wir vollzogen haben, keine einzige Diskussion mit der BaFin gehabt", erklärt Lars Krug stolz. Die Frankfurter Leben-Gruppe verwaltet 650.000 Verträge von insgesamt sechs VU-Akquisitionen mit nur 170 Mitarbeitern an drei Standorten.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Fokussierung auf Kundenzufriedenheit. "Wichtig ist, dass eine funktionierende IT für jedes Unternehmen relevant ist. Im Run-Off kommt die Besonderheit hinzu, dass wir nicht nur einmal migrieren, sondern mit jedem Portfolio erneut migrieren müssen", betont Krug. Jede Leistung muss "centgenau" ausgezahlt werden - ein Anspruch, der höchste technische Präzision erfordert.

Migration als Kernkompetenz

Was andere Versicherer in 24 bis 36 Monaten schaffen, erledigt die Frankfurter Leben-Gruppe in deutlich kürzerer Zeit. "Unser Ziel ist, dass wir in sieben bis zehn Tagen gut durchkommen", erklärt der CTO den straffen Cutover-Zeitraum. In dieser Phase arbeitet das Team auch am Wochenende, denn während der Migration können keine Geschäftsfälle bearbeitet werden.

Die Komplexität ist gewaltig: Heterogene Datenlandschaften, unterschiedliche Systeme und Generationen von Tarifen müssen nahtlos integriert werden. "Je öfter man sowas macht, desto besser wird man", fasst Krug die Lernkurve zusammen. Die Standardisierung und Industrialisierung der Migrationsprozesse sei der entscheidende Erfolgsfaktor.

Warum die Frankfurter Leben alles outsourct

Ein radikaler Ansatz unterscheidet das Unternehmen von der Konkurrenz: "Wir betreiben kein einziges System selbst. Wir haben nichts entwickelt, wir haben nichts eingekauft und haben auch nicht irgendwelche On-Premises-Lösungen bei uns stehen." Die komplette IT-Infrastruktur läuft als Software-as-a-Service bei einem Technologiepartner.

Diese Strategie bietet entscheidende Vorteile: Festpreise, keine Diskussionen über Anpassungen und Skaleneffekte. "Das bedeutet für uns: Bildschirm an, loslegen und fertig", beschreibt Krug die Einfachheit des Modells. Die 18-köpfige IT-Abteilung konzentriert sich auf Workplace-Management und die Betreuung noch nicht migrierter Altsysteme.

KI als Game-Changer

KI wird die Branche fundamental verändern, davon ist Lars Krug überzeugt. Besonders im Kundenservice sieht er enormes Potenzial: "Was relativ einfach oder no-brainer ist, ist das ganze Thema KI an Kunden-Touchpoints. Chatbots oder Bearbeitung von eingehender Post, die über KI bearbeitet wird."

Noch spannender wird der Einsatz in der Migration selbst: "KI guckt sich das Tarifwerk an und macht dann bestimmte Vorschläge. Da kann man mit Sicherheit viel mit KI erreichen, auch an Effizienz." Geschäftspläne lesen, Tarifwerke verstehen, automatisiertes Datenmapping, die Möglichkeiten des KI-Einsatzes sind vielfältig.

Die Lehren für die Branche

Nach Jahren der Erfahrung hat Krug klare Botschaften für die Versicherungswirtschaft. "Ein Kollege von mir sagt immer, dass das letzte ungelöste Rätsel in der Branche ist, warum Migrationen so lange dauern", schmunzelt er. Sein Erfolgsrezept: Fokus auf das Wesentliche ohne Verschlechterung für den Kunden.

Der wichtigste Lerneffekt: "Man muss sich anschauen, was ist wirklich wichtig für ein Unternehmen? Was sind unsere Kernkompetenzen? Ich muss nicht immer alles selbst entwickeln." Diese Erkenntnis führte zu einer kulturellen Transformation im Unternehmen, mit messbarem Erfolg.

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