Technologiefeindlichkeit bedroht Deutschlands Zukunft

Im Podcast "BTO - Beyond the obvious" diskutiert Gastgeber Daniel Stelter mit dem Wissenschaftsjournalisten Axel Bojanowski über eine bemerkenswerte Erkenntnis: Entgegen dem weit verbreiteten Eindruck geht es der Menschheit und dem Planeten immer besser. Eine viel zitierte Klimastudie des Potsdam-Instituts erwies sich als fundamental fehlerhaft, beeinflusste aber dennoch politische Entscheidungen weltweit.

Wenn Studien zur Waffe werden

Stelter beginnt das Gespräch mit einem brisanten Beispiel für wissenschaftlichen Alarmismus. Eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung prognostizierte 2024 einen globalen Einkommensverlust von 19 Prozent bis 2050 durch den Klimawandel. Die Studie wurde in Nature veröffentlicht und von Medien, Politik und Finanzinstitutionen als Grundlage für Entscheidungen verwendet.

"Mittlerweile steht fest, dass die Studie fundamental fehlerhaft ist", erklärt Stelter. Alle vier Gutachter hatten gravierende Mängel festgestellt, doch Nature veröffentlichte dennoch. Ein Gutachter kritisierte: "Die statistische Methodik hat keinerlei wissenschaftliche Grundlage." 

Das Problem: "Diese sogenannten Studien dienen trotzdem der Politik als Input, um bestimmte Maßnahmen zu beschließen", so Stelter. OECD, Weltbank, US-Regierung und Zentralbanken übernahmen die fehlerhaften Ergebnisse als Leitlinie.

Lichtblick: Eine Welt im Aufschwung

Bojanowski kontert den Pessimismus mit harten Fakten. Seine Recherche der letzten 200 Jahre zeigt: "In faktisch allen Dimensionen geht es uns so gut wie noch nie." Die wichtigsten Entwicklungen:

Armut und Hunger: Extreme Armut ist in den letzten Jahrzehnten massiv gesunken. Indien, früher ein Land mit Hunger, produziert mittlerweile mehr Nahrung als es selbst benötigt. "Die Kalorienzahl pro Person ist mittlerweile in armen Ländern heute so hoch wie in reichen Ländern in den 60er Jahren."

Bildung: Das Bildungsniveau steigt seit Jahrzehnten weltweit deutlich an - bei Alphabetisierung, Intelligenz und Anzahl der Schuljahre. "85 Prozent der Mädchen weltweit besuchen die Grundschule", berichtet Bojanowski.

Wasser und Energie: Entgegen dem verbreiteten Eindruck haben immer mehr Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser und Strom. "Früher war es so, dass die Hälfte der Menschheit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser hatte. Mittlerweile sind es die allermeisten."

Die Lebenserwartungs-Revolution

Besonders beeindruckend sind die Fortschritte bei der Lebenserwartung. "Die Wahrscheinlichkeit eines 80-Jährigen, 100 Jahre alt zu werden, ist in Deutschland seit 1950 um das 20-fache gestiegen." Wer vor 200 Jahren 65 Jahre alt war, konnte mit 76 Jahren rechnen - heute sind es 86 Jahre.

Die Kindersterblichkeit ist dramatisch gesunken. Bojanowski erklärt die historische Dimension: "Früher sind in jeder Familie eigentlich Kinder gestorben, und zwar früh. Es war ständig übelste Tragik in jeder Familie." Heute ist dieses Leid zur Ausnahme geworden.

Meeresspiegel und Küsten: Das Gegenteil passiert

Selbst beim viel diskutierten Meeresspiegelanstieg überraschen die Daten. Obwohl der Meeresspiegel um 3-4 Millimeter pro Jahr steigt, wachsen die Küsten: "Allein von 1985 bis 2015 stieg das Meer um 6 Zentimeter, doch die Küsten wuchsen um fast 34.000 Quadratkilometer."

Die Niederlande beweisen seit Jahrhunderten, dass hohe Meeresspiegel bewältigbar sind: "Technisch könnten die Niederlande vier bis fünf Meter Meeresspiegelanstieg bewältigen."

Die Energie-Wohlstand-Korrelation

Ein zentraler Punkt des Gesprächs: "Energie und Wohlstand korrelieren. Eins zu eins kann man sagen. Je mehr Energie, desto größer der Wohlstand." Deshalb kritisiert Bojanowski Deutschlands Energiepolitik scharf: "Man plant ja, den Energieverbrauch in Deutschland bis 2045 fast zu halbieren. Das ist einmalig in der Weltgeschichte."

Die Bedeutung fossiler Energie geht über direkte Energieversorgung hinaus. Erdgas ist für die Düngerherstellung essentiell: "Über die Hälfte der Menschheit hängt an Erdgas allein deshalb, weil es für die Düngerherstellung gebraucht wird."

Das deutsche Paradox: Technologiefeindlichkeit im Innovationsland

Besonders schmerzhaft ist für beide Gesprächspartner Deutschlands Abkehr von seiner technologischen Führungsrolle. "Deutschland hat nichts anderes als Wissen, Bildung und Technologie. Das müssten unsere Ressourcen sein", betont Bojanowski. "Wir haben mittlerweile einen Sektor der Forschungsskepsis, der größer ist als der Sektor der Forschung."

Diese Technologiefeindlichkeit hat konkrete Folgen: "Deutschland hätte jetzt mit moderner Kernkfraft-Technologie dazu beitragen können, klimafreundliche Technologie zur Verfügung zu stellen. Aber genau diese Technologien wurden bekämpft und verboten."

Warum Pessimismus politisch nützlich ist

Die Gesprächspartner diskutieren die Gründe für den verbreiteten Pessimismus. "Die Negativverzerrung der Welt bietet eben politisches Potenzial", analysiert Bojanowski. "Das ist letztlich die Legitimation für Top-Down-Politik." Politiker fühlen sich ermächtigt, den Weg zu weisen, weil die Welt angeblich nicht allein mit Problemen zurechtkommt.

Stelter ergänzt: "Je klarer und dramatischer die Szenarien bezüglich der Folgen des Klimawandels, desto größer sind die möglichen Eingriffe in die Wirtschaft und Gesellschaft."

Der Negativ-Bias in den Medien

Ein besonders aufschlussreiches Beispiel liefert Hans Roslings Test bei den Vereinten Nationen: "Er hat UNO-Funktionären, Wissenschaftlern und Politikern 13 ganz einfache Fragen gestellt. Die lagen in ihren Antworten viel schlechter als Schimpansen, die per Zufallsprinzip geantwortet hätten."

Das Problem liegt im Geschäftsmodell der Aufmerksamkeit: "Man könnte eigentlich jeden Tag seit 1990 die Schlagzeile machen: Gestern 130.000 Leute aus der extremen Armut entkommen. Aber es wird nie geschlagzeilt, weil es normal geworden ist."

Hoffnung für die nächste Generation

Trotz der Herausforderungen sieht Bojanowski Grund für Optimismus: "Ich glaube, dass die nächste Generation merken wird, was da gemacht wurde in den letzten 20 Jahren, dass das nicht in ihrem Interesse war." Er erwartet eine Gegenbewegung: "Die jetzigen Teenager werden merken, dass es einen Aufbruch braucht."

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