Im Podcast "Die Woche" von Pfefferminzia berichtet Prof. Matthias Beenken von der FH Dortmund über die diesjährige BVK-Strukturanalyse. Während viele Vermittler wirtschaftlich stabil dastehen, kämpft jeder siebte mit existenziellen Problemen. Beenken warnt vor demografischen Risiken und digitalen Defiziten, die zum echten Problem werden könnten.
Kostenfalle trifft jeden vierten Vermittler
Ein Ergebnis der Studie bereitet Sorgen: Rund ein Viertel der Vermittler hat ein Kostenproblem, weil die Ausgaben deutlich schneller steigen als die Einnahmen. "Kostensteigerung gibt es natürlich im Personalbereich, weil durch die Inflation in den letzten Jahren auch die Löhne stark angepasst werden mussten", erklärt Beenken die Hauptursache. Personalkosten seien nun mal der höchste Kostenbock in einem Vermittlerbetrieb.
Hinzu kommen gestiegene Raum-, Energie- und Fahrzeugkosten. "Vermittler sind ja nun mal auf Fahrzeuge angewiesen. Und wenn man sich da die Preisentwicklung der letzten Jahre anschaut, da fragt man sich ja auch schon langsam, wer soll sich diese Fahrzeuge noch leisten?"
Makler sparen beim Personal
Bei den Vertriebswegen zeigen sich deutliche Unterschiede. Makler sind weniger von automatischen Bestandssteigerungen betroffen, da sie sich stärker auf Leben- und Krankenversicherungen konzentrieren statt auf Komposit. "Makler sind auch auffallend weniger personalintensiv, sodass man da den Eindruck hat, dass sie auf diese Art und Weise auch der Kostenentwicklung versuchen entgegenzuwirken", beobachtet der Wissenschaftler.
Jeder siebte Vermittler unter kritischen Schwellenwerten
Besonders alarmierend: Etwa jeder siebte Vermittler liegt unter den kritischen Grenzen von 100.000 Euro Umsatz und 50.000 Euro Gewinn. "100.000 Euro Umsatz ist schon so eine Schwelle, unterhalb derer es sehr schwer ist, einen einigermaßen professionellen Betrieb darstellen zu können", warnt Beenken. Unterhalb von 50.000 Euro Gewinn sei es "kein angemessener Unternehmerlohn, also dass man als Angestellter da eigentlich dann fast mehr verdienen würde".
Personal als Wachstumsmotor
Die Studie zeigt einen klaren Zusammenhang: Jeder zusätzliche Mitarbeiter bringt rechnerisch fast 69.000 Euro zusätzlichen Umsatz und 13.000 Euro Gewinn. Beenkens Rat: "Ein Vermittler, egal in welchem Vertriebsweg, sollte auf jeden Fall versuchen, Personal anzubauen."
Nachwuchsmangel trifft die Branche
Das Problem dabei: qualifizierten Nachwuchs zu finden wird immer schwieriger. "Das ist einfach die Demografie, die jetzt halt eben brutal durchschlägt", erklärt Beenken. Die vielen Kinder, die nach den geburtenstarken Jahrgängen nicht geboren wurden, "haben jetzt ihrerseits mittlerweile auch schon wieder keine Kinder mehr. Und so wird jede Generation kleiner".
Verschärft wird das Problem durch die Qualität der Schulausbildung: "Es gibt erschreckend viele junge Leute, die also ohne einen Schulabschluss in den Arbeitsmarkt hineinkommen und dann ehrlicherweise dort wenig Chancen haben."
Image-Problem seit Jahrzehnten
Ein weiteres Hindernis ist das anhaltend schlechte Image der Branche. "Als ich vor 38 Jahren meine Ausbildung begonnen habe bei einem Versicherungsunternehmen, war es tatsächlich auch schon so, dass man im Freundeskreis vielleicht nicht überall das also ganz groß auf dem Riesenschild vor sich her getragen hat", berichtet Beenken aus eigener Erfahrung.
Selbstständigkeit lockt junge Menschen nicht mehr
Die traditionelle Ausrichtung auf Selbstständigkeit erweist sich zunehmend als Hindernis. "Bei den jungen Leuten, die sich heute ihre Jobs aussuchen können, da ist die Selbstständigkeit eigentlich nicht hoch im Kurs", stellt der Professor fest. Junge Menschen wollen Sicherheit: "Ich möchte gar nicht erst darüber diskutieren müssen, ob und wie viel Geld ich verdiene. Ich erwarte einfach erstmal als Hygienefaktor, dass ich ein ordentliches gesichertes Einkommen habe."
Digitalisierung bleibt Baustelle
Beim Thema Digitalisierung hinkt die Branche weiter hinterher. Zwar haben inzwischen 83 Prozent eigene Webseiten, aber digitales Neugeschäft bleibt unter ferner Liefen. "Sehr viele Versicherungsvermittler, klassische, traditionelle stationäre Vermittler, verstehen sich immer noch so als die persönlichen Netzwerke", erklärt Beenken die Zurückhaltung.
Besonders beim Einsatz künstlicher Intelligenz zeigt sich große Zurückhaltung. "Bisher nur sehr, sehr wenige da tatsächlich schon eigene Erfahrungen mit sammeln." Das könnte zum Problem werden: "Da steckt auch wieder so eine Zurückhaltung dahinter. So nach dem Motto, meine Prozesse, wie mein Büro läuft, wie ich mich organisiere, wie ich mit meinen Kunden umgehe. Also das läuft doch seit Jahren. Warum muss ich da was ändern?"
Nachfolge-Problem verschärft sich
Die demografische Alterung der Vermittler verschärft das Nachfolge-Problem. "Wir haben ja unter den Vermittlern auch eine starke demografische Alterung. Sehr, sehr viele von denen brauchen recht bald Nachfolger. Aber die meisten sind darauf nicht vorbereitet."
Regulierung nicht das Hauptproblem
Überraschend entspannt sieht Beenken die regulatorischen Herausforderungen. "Ich finde, so schlimm ist das mit der Regulatorik eigentlich gar nicht." Die IDD wolle im Grunde das Richtige: "Stelle das alles immer unter die Überschrift im bestmöglichen Kundeninteresse."
Kritisch sieht er jedoch die überbordende Nachhaltigkeits-Regulatorik: "Diese verrückte Detailabfrage" mit Fragen nach Taxonomiekonformität und SFDR-Artikeln führe "zu nichts. Das führt nur zu Frust, zu Enttäuschung."
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