Im "Makler und Vermittler Podcast" spricht Dennis Krumpholz von Adam Riese über knapp 30 Jahre Branchenerfahrung und die digitale Revolution im Versicherungsvertrieb. Der Digitalisierungsexperte erklärt, warum Makler keine Angst vor neuen Technologien haben müssen und wie aus stundenlangen Prozessen Sekundensache wird.
Vom Papierantrag zum digitalen Turbo
Dennis Krumpholz hat die Versicherungsbranche von der Pike auf gelernt. Nach seiner Ausbildung bei der Iduna Nova war er 20 Jahre bei der Basler tätig, bevor er über Neo Digital zu Adam Riese wechselte. Seine Erfahrung reicht vom klassischen Außendienst mit Tarifbuch bis zur Entwicklung modernster Digitalstrecken.
Ein Karriere-Highlight war die Entwicklung des Harley-Davidson Versicherungskonzepts vor 20 Jahren. "Wir haben erstmalig eine neuwertabhängige Tarifierung eingeführt, das war vor 20 Jahren was Besonderes", erinnert sich Krumpholz. Das Projekt war Pionierarbeit: Integration in Fremdsysteme, Bonitätsprüfungen für Kfz-Versicherungen und digitale Antragsstrecken, heute alles Standard, damals absolute Innovation.
BiPRO: Zwischen Normierungstraum und Insellösungen
Das Thema BiPRO spaltet die Versicherungsbranche, und Krumpholz nimmt eine differenzierte Position ein. "Grundsätzlich bin ich ein absoluter Befürworter", betont er die Notwendigkeit von Standards. Der Kerngedanke sei richtig: „Wenn du Daten mit jemandem austauschen möchtest, wäre es ja von Vorteil, wenn die Person versteht, was passiert, wenn ich die Daten aus meinem System nach rechts übertrage.“
Doch die Praxis sieht anders aus. Trotz des gemeinsamen Normierungsansatzes entwickeln Versicherer und Softwaredienstleister weiterhin Individuallösungen. Krumpholz erklärt das Dilemma pragmatisch: "Warum willst du die Systemwelt verlassen über einen externen Dienstleister, der eine Norm nutzt, die du nicht benötigst? Daten umwandeln, wieder zurückverwandeln, obwohl du nur in deiner Welt unterwegs bist."
Das Mapping-Problem und die Datenqualität
Ein chronisches Problem der BiPRO-Implementation liegt in den Details. Während Basisdaten wie Name, Geburtsdatum und Anschrift standardisiert funktionieren, beginnen die Schwierigkeiten bei komplexeren Informationen. "Dann gibt es natürlich bewusst Felder, da gibt es ein bisschen Interpretationsspielraum, was du da reinschreibst", erklärt Krumpholz.
Das berüchtigte Feld "Sonstiges" wird zum Sammelbecken für alles, was nicht eindeutig zugeordnet werden kann. Ein Kollege habe es ihm mal so beschrieben: "Name, Geburtsdatum, Anschrift ist immer passend und dann gibt es ein Feld 'Sonstiges'. Und da kommt einiges rein."
Besonders problematisch wird es bei Pool-Konstrukten, wo Untervermittlungen eindeutig zugeordnet werden müssen. Jeder Pool braucht einen Identifier, um bei tausenden Vermittlern zu wissen, von wem ein Antrag stammt. "Da macht das halt auch leider jeder ein bisschen anders", so Krumpholz. Diese fehlende Einheitlichkeit führt zu den Datenqualitätsproblemen, über die sich Makler regelmäßig beschweren.
Adam Rieses Hybridstrategie
Vor diesem Hintergrund verfolgt Adam Riese eine pragmatische Doppelstrategie. Einerseits unterstützt das Unternehmen BiPRO-Standards, wo sie sinnvoll sind. Andererseits hat man eigene APIs entwickelt, die speziell auf die eigenen Prozesse zugeschnitten sind. Diese Eigenentwicklungen ermöglichen es, Portfoliotransfers mit bis zu 5.000 Verträgen in Sekundenschnelle abzuwickeln.
"Wir sind an der Ecke so schnell und der Prozess ist so aufgebaut, dass das, was der Kunde gerade auf sein Handy bekommen hat, der Vermittler auf dem Bildschirm angezeigt bekommt", beschreibt Krumpholz den Vorteil der eigenen Lösung. Die Geschwindigkeit und Komplexität solcher Portfoliotransfers sei über standardisierte BiPRO-Prozesse nicht abbildbar.
Die Zukunft der Normierung
Trotz aller Kritik plädiert Krumpholz für mehr Disziplin am Markt. "Ich würde mir wünschen, dass es an der einen oder anderen Ecke feste Plätze in der Normierung gibt. Viele Dinge sind ja identisch und werden sich in den nächsten Jahren nicht maßgeblich ändern."
Seine Vision: Eine gemeinsame Marktdisziplin, bei der alle Beteiligten strukturierter vorgehen. Gleichzeitig müsse aber Raum für Innovation bleiben. Die Herausforderung bestehe darin, Standardisierung und Flexibilität in Balance zu bringen, ein Spagat, den die Branche noch nicht gemeistert hat.
Die Kunst der wahrgenommenen Prozessexzellenz
Heute bei Adam Riese geht es Krumpholz um radikale Vereinfachung. "Der Kunde erlebt keine Schnittstellen, er erlebt nur: Funktioniert es oder funktioniert es nicht", bringt er die Philosophie auf den Punkt. Das Ergebnis: Eine Sofortpolice, die binnen einer Minute beim Kunden ist.
Die demografische Zeitbombe tickt
Die Branche steht vor einer gewaltigen Herausforderung: Die Vermittler werden älter, der Nachwuchs fehlt. "Die Vermittler, die übrig bleiben werden, haben einfach eine deutlich höhere Anzahl von Verträgen, die sie betreuen müssen", analysiert Krumpholz. Seine Lösung: Prozesse so gestalten, dass sie jeder bedienen kann und das unabhängig vom Alter.
Wenn der Prozess das Produkt schlägt
Eine provokante These stellt Krumpholz zum Produktwettbewerb auf: "Bei niedrigpreisigen Produkten, mit denen man nicht so viel Geld verdient, wird sich der Vermittler für effiziente Prozesse entscheiden müssen." Produktqualität und Courtage seien nicht mehr die entscheidenden Faktoren. Was zählt, ist das Erlebnis, sowohl für Makler und Endkunden.



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