Junge Ökonomin über die Rente: Alle unter 27 zahlen drauf

Im Zeit-Podcast „Ist das eine Blase?" spricht die 26-jährige Ökonomin Emilie Höslinger über Generationengerechtigkeit in Deutschland. Die Juniorforscherin am ifo-Institut arbeitet an ihrer Dissertation über Staatsverschuldung und analysiert die aktuelle Politik und deren Auswirkungen auf ihre Generation.

Ein alarmierendes Stimmungsbild

Nur 12 Prozent der 14- bis 29-Jährigen glauben laut der Trendstudie "Jugend in Deutschland", dass die Bundesregierung das Richtige tut. Die junge Generation macht nur noch 10 Prozent der Bevölkerung aus, während die über 65-Jährigen bereits 22 Prozent erreichen. Bis 2050 wird dieser Anteil auf 27 Prozent steigen. "Die Forscher sagen, die junge Generation will Verantwortung übernehmen, hat aber das Gefühl, nicht mitgestalten zu können", fasst die Moderatorin die Studienergebnisse zusammen.

Die Rentenfalle für die Jungen

Das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentenbeziehern hat sich dramatisch verschlechtert: "1950 lag das Verhältnis noch bei 6 zu 1. 2020 lag das Verhältnis nur noch bei 3 zu 1. Und bis 2035 wird sich das Verhältnis weiter verringern auf 2,4 Erwerbsfähige zu einem Rentenbezieher."

Das neue Rentenpaket 2 der Bundesregierung verschärft die Situation zusätzlich. Die ifo-Berechnungen zeigen: "Für alle Menschen, die heute jünger als 27 sind, wird der Barwert der höheren Zahlungen höher sein als der Barwert der Beiträge, die sie irgendwann im Rentenalter zurückbekommen werden." Netto verlieren also alle unter 27-Jährigen durch das Rentenpaket.

Die Rentenbeitragssätze könnten bis 2050 von derzeit 18,6 Prozent auf 22 Prozent steigen, während sich gleichzeitig der Bundeszuschuss zur Rente um das 1,5-fache erhöhen könnte. Diese Doppelbelastung durch Beiträge und Steuern schränkt den Spielraum für private Altersvorsorge massiv ein.

Verschuldung als Generationenproblem

Beim 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögen der Bundesregierung sieht Höslinger eine problematische Entwicklung. Die von Ökonomen befürchtete Verschiebung ist eingetreten: "Die Ausgaben im Bundesministerium für Verkehr haben sich um gut 11 Milliarden Euro verringert und dafür haben sich die Ausgaben im Kernhaushalt für Soziales um gut 11 Milliarden Euro erhöht."

Besonders kritisch: Die Schulden fließen hauptsächlich in Bestandswahrung statt in produktive Investitionen. "Wenn Investitionen nur in Bestandswahrungen geschehen, dann bleiben zwar die Kosten weg, aber keine zusätzliche Rendite", erklärt die Ökonomin. Ohne neue Effizienzgewinne könnten die Renditen die Zinslast nicht überkompensieren.

Der Fehler liegt in der Vergangenheit

Höslinger macht deutlich, dass nicht nur die aktuelle Regierung versagt hat: "Die letzten Regierungen haben Strukturreformen ziemlich stark vernachlässigt. Wir wissen schon seit sehr langer Zeit, dass unsere Gesellschaft immer älter wird und dass immer weniger Kinder geboren werden."

Die notwendigen Reformen der umlagefinanzierten Sozialversicherungssysteme wurden Jahr für Jahr aufgeschoben. Die Konsequenz: "Man hat sich im Grunde diese missliche Lage gebracht, dass man dadurch, dass man diese Strukturreform so lange aufgeschoben hat, eben auch gar keine andere Möglichkeit mehr hatte, als jetzt die Schuldenbremse aufzuweichen."

Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung koppeln

Die dringendste Maßnahme aus Höslingsers Sicht: "Das Allerwichtigste ist, dass das Renteneintrittsalter jetzt an die Lebenserwartung gekoppelt wird." Die Rentenbezugsdauer ist von durchschnittlich 10 Jahren im Jahr 1960 auf 20 Jahre im Jahr 2020 gestiegen, während das Renteneintrittsalter relativ konstant blieb.

Zusätzlich sollte der Nachhaltigkeitsfaktor wieder eingeführt werden, der ausgesetzt wurde. Dieser orientiert den Rentenanstieg am Verhältnis von Rentenbeziehern zu Beitragseinzahlern und würde als Puffer dienen, damit nicht nur die Jungen die Kosten des demografischen Wandels tragen.

Persönliche Konsequenzen und Engagement

Als 26-Jährige ist Höslinger selbst direkt betroffen. Auf die Frage, ob sie ein Problem damit hätte, bis Anfang oder Mitte 70 zu arbeiten, antwortet sie pragmatisch: "Ich hätte kein Problem damit, länger zu arbeiten. Und ich glaube, dass das gerade in meiner Generation auch schon sehr stark angekommen ist, dass wir wohl nicht mit Anfang 60 in Rente gehen werden."

Politische Fragmentierung als Folge

Die Vernachlässigung der jungen Generation hat bereits politische Konsequenzen. Bei der Bundestagswahl im Februar wandten sich viele junge Menschen von den etablierten Parteien ab und den Rändern zu, sowohl der Linken als auch in hohem Maße der AfD. "Das steht sicherlich im Zusammenhang, dass die Sorgen und Ängste der jungen Generation nicht mehr so stark wahrgenommen werden", analysiert Höslinger.

Der Herbst der Reformen als Prüfstein

Bundeskanzler Friedrich Merz hat den "Herbst der Reformen" angekündigt und mehrfach das Wort Rentenreform erwähnt. Höslinger zeigt sich vorsichtig: "Es wird sich jetzt in den nächsten Monaten ja zeigen, ob die Reformen, die versprochen wurden, angegangen werden oder nicht. Und wenn die nicht angegangen werden, dann kann man schon sagen, dass die Politik die junge Generation vergisst."

Die entscheidende Frage bleibt, ob es tatsächlich mutige Reformen geben wird, die möglicherweise kurzfristig zu Aufruhr führen, aber langfristig notwendig sind. Höslinger betont: "Es ist natürlich aus ökonomischer Perspektive, aber auch aus meiner persönlichen Perspektive sehr spannend, ob diese Erwähnung dann auch zu der gebührenden Aufmerksamkeit für das Thema führt."

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