Schwache Allianz-Beruhigungspille

In Deutschland existieren rund 94 Millionen Lebensversicherungsverträge. Kunden machen sich Sorgen wegen der Überschüsse, die seit mehreren Jahren deutlich niedriger ausfallen als ursprünglich in den unverbindlichen Beispielrechnungen dargestellt. Erstaunlich ist da die Aussage: „Über seine Lebensversicherung braucht sich wirklich niemand Sorgen zu machen.“

Das Zitat ist kein Karnevalsscherz, sondern stammt aus einem aktuellen Interview der GDV-Zeitschrift Positionen mit Dr. Maximilian Zimmerer (53). Der ist ein ausgewiesener Profi – als Vorstandsvorsitzender der Allianz Lebensversicherungs-AG und baldiger Finanz-Vorstand der Allianz Deutschland AG. Zudem ist Zimmerer Mitglied des GDV-Präsidiums und Vorsitzender des Hauptausschusses Lebensversicherung/ Pensionsfonds.

Als Beweis für seine Sorgenfrei-These führt er im Interview die Überschussbeteiligung an. „Obwohl die letzten Jahre an den Märkten mehr als turbulent waren und die Zinsen dramatisch gefallen sind, blieb die Überschussbeteiligung der Lebensversicherungen erstaunlich stabil, es gab nur sehr leichte Absenkungen.“ Die Unternehmen seien nun mal langfristige Anleger, und kurzfristige Schwankungen stören da nicht. Eine kühne These, die im Vergleich zu den Stagnationen und Verlusten bei vielen Fonds und auch zahlreichen Anleihen sogar stimmt.

Aber die „leichten Absenkungen“ haben inzwischen dramatische Züge angenommen, die bei betroffenen Kunden berechtigte Sorge hervorrufen. Beispiel: Ein nahezu gleichaltriger Kunde wie Zimmerer schloss 1992 bei der Presseversorgung, wo die Allianz Konsortialführer ist, eine Kapital-Lebensversicherung mit BU-Zusatz über umgerechnet 78.500 Euro Versicherungssumme und 30 Jahre Laufzeit  ab. Dafür zahlt er jeden Monat 248 Euro ein und sollte im Februar 2022 dann voraussichtlich 200.000 Euro Ablaufleistung bekommen. Bereits 2002 war die Prognose wegen sinkender Überschüsse auf 162.400 Euro gesenkt geworden. Und 2011 waren es nur noch 131.000 Euro. Damit tut sich nach heutigem Stand eine Lücke von mindestens 69.000 Euro auf – ein „Verlust“ von über 34 Prozent gegenüber dem ursprünglichen Versprechen.

Kein Einzelfall: Seit 1995 sind die Zinsen rapide gesunken. Damals erzielten die Gesellschaften im Schnitt noch 7,39 Prozent Nettorendite. Der Marktbeobachter map-report hat in seiner Analyse „Rating deutscher Lebensversicherer“ (map-report 777 – 778) die Folgen der Nettorendite von 4,28 Prozent 2010 hochgerechnet: Nimmt man als Maßstab die Ergebnisse von 1995, so fehlten 2010 gut 22 Milliarden Euro aus Kapitalanlagen für die Überschussbeteiligung. „Summiert man die Fehlbeträge durch die Niedrigzinsen für die vergangenen 15 Jahre auf, so fehlen damit den Lebensversicherern rund 170 Milliarden Euro. „Mehr als die Hälfte der üblichen Zinsüberschüsse gingen den Vorsorgesparern verloren“, so Manfred Poweleit, Chefredakteur von map-report.

Dies zeigt: Die Branche hat kein Kosten-Problem, wie Verbraucherschützer suggerieren (siehe früherer Artikel), sondern ein Anlage-Problem (siehe früherer Artikel). Darüber sollte sich die Branche Sorgen machen. Zumal die Gerichte demnächst womöglich die bisherige Art der Beispielrechnungen attackieren (siehe früherer Artikel), die mit Transparenz wenig zu tun hat. Mit einem hat Zimmerer aber recht: „Nur eine private Rentenversicherung kann den Kunden ein lebenslanges Einkommen garantieren.“