"Bei den Batterien hat Europa keine Chance mehr"

Im Wirtschaftspodcast von Capital diskutiert Gastgeber Nils Kreimeier mit Prof. Andreas Herrmann von der Universität St. Gallen über die deutsche Autoindustrie. Der Schweizer Automobilexperte sieht die technologische Führerschaft in China und die Zukunft der Batterietechnologie in Europa als verloren an.

China hat gelernt und erobert Europa

Batterieelektrischer Supercoupé-Sportwagen von BYD

Der chinesische Autobauer BYD verzeichnete bei den deutschen Neuzulassungen ein Wachstum von 2000 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zwar noch auf niedrigem Niveau, doch Herrmann ist überzeugt: "Die chinesischen Hersteller haben einiges an Lehrgeld bezahlen müssen. Aber ich glaube, dass sie daran sind, nun diese Besonderheiten des europäischen Marktes auch zu verstehen und werden das auch erfolgreich umsetzen."

Was die Chinesen so überlegen macht: Sie haben den gesamten Entwicklungsprozess digitalisiert und arbeiten mit hochvariablen Plattformen. "Die Chinesen sind doppelt so schnell und viermal günstiger in diesem Entwicklungsprozess", erklärt Herrmann. Während deutsche Hersteller Schritt für Schritt vorgehen, erledigen chinesische Konkurrenten verschiedene Aufgaben parallel.

Der verpasste Batteriezug

Besonders alarmierend ist Herrmanns Einschätzung zur Batterietechnologie, die 35 Prozent der Wertschöpfung eines Elektrofahrzeugs ausmacht. Seine Diagnose ist vernichtend: "Da haben wir keine Chance mehr. Den Zug haben wir verpasst." Europa habe es versäumt, eine eigene Batterieproduktion aufzubauen. "Das ist bei uns ein Zukaufteil aus Asien mit allen Konsequenzen. Das finde ich sehr dramatisch für die europäische Automobilindustrie."

Die einzige Hoffnung sieht der Experte in einem technologischen Sprung, etwa zur Festkörperbatterie. Doch selbst dann müssten europäische Hersteller schnell sein und gemeinsam agieren.

Software als neues Schlachtfeld

Neben den Batterien identifiziert Herrmann einen zweiten kritischen Bereich: die Software. Prognosen des World Economic Forum zeigen, dass bald 50 Prozent der Wertschöpfung im Fahrzeug aus Software kommen wird. Doch auch hier sieht es düster aus. "Das Wertvollste vom Rest ist im Prinzip das ganze Thema Infotainment, Informatikausstattung des Interieurs, Kommunikation mit dem Kunden im Fahrzeug. Aber auch das haben wir ja nicht."

Deutsche Premium-Marken wie Porsche setzen bereits auf Google Carplay. Die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Nutzer wird von amerikanischen Tech-Giganten gestaltet, nicht von den Autobauern selbst.

Hardwarequalität reicht nicht mehr

Zwar räumt Herrmann ein, dass deutsche Fahrzeuge bei der Hardware noch überlegen sind. "Wenn man jetzt ein Mercedes nimmt und stellt daneben ein chinesisches Fahrzeug, würde man sicher auf der Hardware-Seite noch viele Unterschiede feststellen." Doch er stellt die entscheidende Frage: "Schaut er sich noch wirklich das Spaltmaß ganz genau an oder geht es inzwischen mehr nach Infotainment und solchen Themen?"

Kampf gegen Chinas Industriepolitik

Ein besonderes Problem sieht Herrmann darin, dass deutsche Hersteller nicht nur gegen Unternehmen antreten, sondern "gegen eine industriepolitische Idee Chinas". Seit dem Fünfjahresplan 2005 verfolgt China konsequent das Ziel, führende Automobilnation zu werden. Mit geschätzten 300 Milliarden Euro Subventionen hat der Staat ein komplettes Ökosystem aufgebaut.

Europa hingegen verzettelt sich: "Wir haben in Europa 38 Projekte gefördert von der EU. Das ist aus meiner Sicht völliger Blödsinn", kritisiert Herrmann am Beispiel des autonomen Fahrens. Statt mit der Gießkanne zu fördern, bräuchte es wenige große Projekte mit klarem Fokus.

Europas letzte Chance: Ein neuer Airbus

Als Vorbild nennt Herrmann Airbus. "Wir haben es schon mal hingekriegt. Das war mit Airbus. Das war auch eine ähnliche Situation." Europa brauche einen Masterplan, auch wenn man das Wort Industriepolitik vermeide, weil es "nach Kohle und Stahl der 50er Jahre" klinge.

Tesla im freien Fall

Überraschend deutlich äußert sich Herrmann zum Absturz von Tesla in Europa. Die Ursache sieht er weniger in der veralteten Modellpolitik als in Elon Musks politischen Aktivitäten: "Als er sich mit der Regierung Trump verbrüdert hat und sogar noch ein politisches Amt übernommen hat, das konnte man direkt messen, wie dann die Begeisterung für Tesla zurückgegangen ist." 

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