In den Tiefen der Vergleichsprogramme. Eine Rückschau auf den dvb-Workshop „Vergleicheranbindungen“

Vorangegangen war im Sommer die dvb-Studie zum Vergleichermarkt, deren Ergebnisse als Einleitung zum Workshoptag von Alexander Häusler (dvb) vorgestellt wurde. Viele Makler machten in den Kommentaren zur Befragung deutlich, dass der Einsatz von Vergleichern auf Grund der Marktvielfalt und der Notwendigkeit einer ausgewogenen und objektiven Marktuntersuchung unverzichtbar ist.

Aber inwieweit können sich die Makler auf die Ergebnisse verlassen? Nahezu 70 % der Teilnehmer sind schon einmal fehlerhafte Ergebnisse bei Verwendung der Vergleicher aufgefallen. 10 % der Befragten geben an, sie hätten sogar viele fehlerhafte Ergebnisse entdeckt. Lediglich 30 % der Befragten konnten bis jetzt noch keine Fehler feststellen. Als Folge verifizieren rund 50 % der Makler die erhaltenen Ergebnisse und verlassen sich somit nicht blind auf die Vergleichsergebnisse.

Überwiegend erfolgt die Verifizierung über die Tarifrechner der Versicherungsunternehmen. Häufig kritisieren die Makler, dass die errechneten Prämien nicht mit der Tarifsoftware der Versicherer korrespondieren und augenscheinlich nicht aktuelle Tarife zum Einsatz kommen. Auch wird das Fehlen einiger Versicherer und in Folge ein falsches Ranking von leistungsstarken Tarifen in der Auswertung mehrfach bemängelt. Gleichfalls tauchen Kommentare zu inhaltlichen Fehlern bei den Leistungsaussagen mancher Vergleicher auf.

Als Makler der Generation Y berichtete Carsten Oppermann von exorior aus dem praktischen Beratungsalltag und der Nutzung von Vergleichern. Durch die Spezialisierung auf das Personengeschäft legte er den Finger direkt in die Wunden der Vergleichsschwierigkeiten von Versicherungsprodukten. So machen beispielsweise die unterschiedlichen Berufslisten für die Risikoeinschätzung der Gesellschaften bis heute Probleme. Moderne Berufsbezeichnungen sind häufig gar nicht zu finden und erfordern zeitraubende Nachfragen beim Produktgeber.

Und wenn die Technik auf die Beraterpraxis stößt, werden aus Kleinigkeiten echte Vertriebskiller: So gibt ein Versicherer zu seinem BU-Produkt in der Vergleichsübersicht den (automatisierten) Hinweis aus, dass in der gewählten Berufskategorie auch „Schüler als Beruf“ eingestuft werden. Warum das ein Problem ist? Weil man den interessierten Kunden diese Angabe auf dem Ausdruck erklären muss, dass die Wertigkeit seines Berufsabschlusses damit nicht in Abrede gestellt werden soll. Ein aus Vermittlersicht vermeidbares Ärgernis.

Auch die fehlende Verlässlichkeit der Produktabbildungen erschwert das Vergleichen. So weicht die Zeichnungspraxis in der abweichende Bewertung von Hobbies von der ursprünglichen Angabe ab, was zusätzliche manuelle Nacharbeit verursacht. Sein Fazit: Auch beim Einsatz eines Vergleichers ist umfangreiches Produkt- und Tarifwissen erforderlich, ansonsten ist keine adäquate Beratung möglich.

Anschließend wurde ein echtes Bühnenstück aufgeführt. Christina Merz (freie Beraterin) vertrat darin den fiktiven Vergleicher „InsureCompare“, Michael Trosien (BiPROWerft) war abwechselnd der Projektleiter eines Versicherungskonzerns „Helios“ und eines mittelständischen Versicherers „Capitol“.

Zur Aufführung kam das Abstimmungsgespräch einer Vergleicheranbindung. Beide Versicherer wollten mit ihren neuen Produkten in den Vergleich aufgenommen werden. Dabei strebten beide Häuser die Umsetzung der produktindividuellen Risikofragen und Antragsdokumente an, um die Vorzüge ihrer Produkte maximal abgebildet zu sehen.

Hingegen strebten die Vergleicher eine schlanke Benutzeroberfläche und geringen Wartungsaufwand an. Daher ist deren Interesse an einer starken Produktindividualität gering. Sie führen eine „Normalisierung“ der Produktabfragen durch, was natürlich ein Verlust an Differenzierungsmöglichkeiten für den Versicherer darstellt.

Bei einer Vergleicheranbindung geht es auch immer ein wenig um Marktmacht und Verhandlungsposition der beteiligten Partner. Auch wenn die Erwartungshaltung und Enttäuschung der jeweiligen Unternehmensvertreter teilweise etwas überspitzt gezeichnet wurde, konnte die unterschiedliche Motivation von Vergleicher und Versicherer gut verständlich gemacht werden.

Das Produktmanagement und der Vergleich sind halt natürliche Feinde, zog Tobias Haff (Massup) gleich zu Beginn seines Vortrags einer fachlich guten Vergleicheranbindung Resümee. Und irgendetwas muss schiefgelaufen sein, wenn 80% der verglichenen Tarife 5 Sterne im Rating bekommen.

Mit besonderem Blick seiner jahrelangen Erfahrung auf Seiten eines Endkundenvergleichers wies er auf die gegensätzlichen Interessen von Standardisierung und Nivellierung für einen einheitlichen Vergleich hin. Dem gegenüber steht das Interesse zur Differenzierung und Innovation der Produktschmieden der Versicherer. Atomare Tarifmerkmale eignen sich aber nicht für den schnellen Vergleich (und Abschluss), so dass mittlerweile an sich einfache Versicherungsprodukte kaum noch in die herkömmlichen Vergleichsschemata passen. „Es gibt sehr gute Produkte, die damit aus dem Vergleich herausfallen“ adressierte er in Richtung der Produktverantwortlichen und fragte gleichzeitig, wieviel Differenzierung man für eine gute Vergleichspositionierung aufzugeben bereit sei.

Anschließend wurde der Blick auf medienbruchfreie Abläufe gerichtet und die Prozessautomatisierung zwischen Makler, Vergleicher und Versicherer näher betrachtet. Sarah Hesse (Brockhaus) berichtete aus Sicht eines Versicherers, wie eine prozessuale Integration in das MVP-System auszugestalten ist.

Nachdem am Vormittag die Anforderungen der Umsetzung einer TAA-Vergleichsanbindung im Fokus stand, stellte sich jetzt die Frage: Was kann und muss der Versicherer dazu beitragen, um im prozessualen Mittelpunkt des Maklers, seinem MVP, präsent zu sein? Und welche Ziele verfolgt der Versicherer mit der Automatisierung, die Reduktion von Fehlern oder einem Zeit- und Kostengewinn beim Vermittler oder beim Versicherer?

Leider handelt es sich laut Sarah Hesse häufig um eine „Marketing-Prozessautomatisierung“, also der Abbildung halbautomatischer Prozesse mit der Notwendigkeit von manuellen Tätigkeiten. Damit führt der Versicherer weiterhin manuelle Prozesse aus und kann keine Kosten- und Zeitersparnis realisieren. Dafür wird der Prozess für den Vermittler angenehmer und der Versicherer kann sich mit guten „Vertriebs-News“ präsentieren. In Abhängigkeit der fachlichen, technischen und politischen Möglichkeiten ermöglicht die Digitalisierung manchmal erst zu einem späteren Zeitpunkt die maschinelle Übernahme der Daten und realisiert dann einen Zeit- und Kostenvorteil für den Versicherer.

Es stellt sich auch die Frage, ob aus Sicht von Kunden und Vermittler die Tarifierung und Antragseinreichung ein kompletter Prozess ist.  Die Erwartungshaltung des Kunden ist nicht die automatisierte Einreichung eines Antrages, sondern der Vertragsschluss und die gesamte laufende Betreuung. Für einen kompletten Prozess müssen auch die Arbeitsschritte vor und nach Tarifierung und Beantragung betrachtet werden.

Das Fazit dieses Vortrages: Eine sinnvolle Automatisierung ist nur bei Betrachtung ganzer Prozesse und Prozessketten gegeben und fordert Anstrengungen, um Zeit- und Kostenvorteile für alle Beteiligten zu realisieren. Aufgrund der Komplexität braucht es dazu einen langen Atem und den Mut, zu den eigenen Priorisierungen zu stehen.

Zum Abschluss des Workshops bewerteten und diskutierten die Teilnehmer einige aufgestellte Thesen. Es stand die Frage im Raum, ob jeder das Zustandekommen der Vergleichsergebnisse versteht. Auf einer Skala von 1 bis 10 war die Mehrzahl der Antworten in der zweiten Hälfte des Spektrums von „so la la“ bis „auf jeden Fall“ angesiedelt. Einige gaben die Unkenntnis des Vergleichsvorgangs an, ein freier Kommentar steigerte dieses durch die Aussage, dass dieses aus Sicht des Versicherers auch nicht von Belang sei.

Große Zustimmung einer Mehrheit erfuhr die These, dass Kosten und Nutzen der Vergleicheranbindung in einem schlechten Verhältnis stehen. Hier wurde in der Diskussion ausdrücklich der Business Case einer Vergleicheranbindung aus Sicht des Versicherers kritisch hinterfragt.

Ist der Versicherer mit der Tarifberechnung auf Seiten des Vergleichers zufrieden oder wünscht er die Nutzung der VU-eigenen Berechnungsservices? Auch hier gab es Zustimmung von der überwiegenden Mehrheit. Viele Teilnehmer sprachen sich „auf jeden Fall“ dafür aus, um in einigen Sparten die eigenen Produktindividualitäten erfolgreich in den Markt zu bringen.

Erwartungsgemäß hoch war somit auch die Zustimmung zu der Forderung an die Vergleicher, diese Abbildbarkeit von individuellen Produktausprägungen in den Vergleichssystemen zu ermöglichen.  Auch ist Vielen die Beeinflussung der Neutralität des Vergleiches durch die technische Umsetzung bewusst.

Nicht zuletzt stimmten aufgrund der aktuellen Marktentwicklung die Teilnehmer der These zu, dass die MVP-Systeme das Nadelöhr in der digitalen Schnittstelle zum Makler darstellen. Rückblickend auf den entsprechenden Vortrag wurde deutlich, wie hoch der Aufwand für die Versicherer für die Abstimmung von Anbindungen mit der heterogenen Landschaft der MVP-Systeme ist.

Als Fazit des Tages bewerteten die Workshop-Teilnehmer den Tag sehr positiv, allerdings vermissten die Teilnehmer mehrfach eine aktive Einbeziehung der Vergleichsanbieter in den Workshop. Dieses werden wir als Veranstalter bei der Konzeption eines Folgeworkshops berücksichtigen, der aufgrund der hohen vertrieblichen Bedeutung von Versicherungsvergleichen einen festen Platz bei den dvb-Workshops bekommen wird.