In einem Podcast warnt der EU-Politiker Markus Ferber vor der „Big-Tech-Gefahr” durch FIDA, kritisiert die hohen Kosten für die Schnittstellen und hinterfragt den Nutzen, da es bereits Vergleichsportale gebe. Gleichzeitig hat er im April 2024 als Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments selbst für FIDA gestimmt. Und mit Finanzdienstleistungen kennt Ferber sich aus, er sitzt im Beirat der DVAG und hat 2017 ein Bewertungstool beworben, obwohl er an der entsprechenden EU-Richtlinie mitgewirkt hatte. Doch selbst wenn die Branche gegen weitere Regulatorik lobbyiert, bereitet sie sich gleichzeitig vor, denn FIDA wird früher oder später kommen.
Ein Experte für FIDA und die technische Umsetzung in Deutschland ist Dr. Manuel Reimer. Er ist nicht nur BiPRO-Experte der ersten Stunde, sondern beschäftigt sich auch seit vielen Jahren mit den EU-Bestrebungen zur Harmonisierung der Finanzdienstleistungen.
FIDA-Vorteile für deutsche Makler
Henning Plagemann: Herr Dr. Reimer, wenn wir den Lobbyismus einmal beiseitelassen: Was bringt FIDA dem deutschen Makler?
Dr. Manuel Reimer: Letzten Endes hilft FIDA, den heute gelebten Beratungsprozess vollständig zu digitalisieren. Stellen Sie sich vor: Ein Kunde kommt mit seinem schlecht geführten Versicherungsordner zu Ihnen. Heute müssen Sie drei Wochen warten, bis die Versicherer Ihnen die aktuellen Vertragsdaten per Post schicken – und das sind nur Kopien der Versicherungsscheine, keine strukturierten Daten. Diese müssen Sie dann manuell erfassen. Mit FIDA hingegen erhalten Sie mit der entsprechenden Erlaubnis des Kunden die aktuellen Vertragsdaten innerhalb von Sekunden digital.
HP: Rückt also die automatische Analyse des Versicherungsordners mit KI in greifbare Nähe? Die Analyse der bestehenden Versicherungen ist ein kostentreibender Aufwand, den ein Makler nicht wegdelegieren kann.
MR: FIDA wäre somit die Brücke für einen komplett durchgehenden digitalen Prozess. Der Makler kann sich dann vollkommen auf die Beratung und den Menschen konzentrieren. Das war beim BiPRO-Tag ein echtes Aha-Erlebnis! Als ich die Makler in einer Workshoprunde fragte, wie lange es dauert, bis sie mit einem Auskunftsmandat des Kunden die aktuellen Vertragsdaten des Versicherers erhalten, lachten alle und sagten: „Daten bekommen wir gar nicht, nur Policen-Kopien, und das dauert drei Wochen oder länger.”
Mit FIDA würden sie diese Daten sofort erhalten. Das war der „Hurra-Moment” in Sachen FIDA. Das Problem ist jedoch, dass die Makler FIDA aufgrund der Berichterstattung derzeit nur als weitere Regulatorik wahrnehmen und ihnen die Vorteile nicht aufgezeigt werden.
HP: Ein Makler erzählte mir, dass er sich bereits nach einer App umsehe, die zukünftig auch FIDA unterstütze und die er seinen Kunden bereitstellen könne, um seinen Bestand gegen die Banken abzusichern, die seine Gewerbekunden regelmäßig auf Versicherungen ansprechen.
MR: Ein freier Makler mit eigenem MVP und einer entsprechenden App hat als kleines Büro die gleichen Startchancen wie die größeren Mitbewerber. Er ist per App präsent, der Kunde kann seine Verträge verwalten und niemand kann ihm mit dem Argument „Hier hast du alles in einer App” kommen. Damit kann er seine Beratungskompetenz voll ausspielen – und da ist er als unabhängiger Makler optimal aufgestellt.
HP: Aber solche Apps gibt es noch nicht. Wer wird sie entwickeln bzw. FIDA-Dienste für Makler bereitstellen?
MR: Noch nicht, aber sie werden kommen. MVP-Hersteller haben heute schon Kundenportale, die sie zu Apps ausbauen werden. Das Problem ist: Derzeit sind viele Makler und auch Versicherer noch nicht bereit, dem Kunden seine Daten für eine App zur Verfügung zu stellen. Sie sehen das Risiko, dass er dann leichter wechseln kann. Wenn ich als Makler aber fürchte, dass mich meine Kunden verlassen, habe ich etwas falsch gemacht. Ich berate doch so gut, dass ich nicht Gefahr laufen kann, dass sie woanders hingehen.
Ich denke, dass MVP-Hersteller solche Apps anbieten werden. Alternativ könnte durch FIDA eine neue Art von Intermediär entstehen: sogenannte Financial Information Service Provider, die sich bei der BaFin registrieren lassen müssen. Diese könnten im Auftrag kleinerer Makler die Daten abholen.
Ein wichtiger Punkt muss noch erwähnt werden: Derzeit sieht der Entwurf vor, dass nur Großmakler FIDA nutzen dürfen, da kleine und mittlere Makler nicht der DORA-Verordnung unterliegen. Das ist den Vermittlerverbänden zurecht ein Dorn im Auge. Sie haben bereits angekündigt, dass sie klagen werden, sollten kleine und mittlere Makler von der FIDA-Nutzung ausgeschlossen werden.
Das Parlament hat nun eine Opt-in-Möglichkeit vorgeschlagen: Kleine und mittlere Makler können sich freiwillig beteiligen, müssen sich dann jedoch DORA unterwerfen. Das dürfte jedoch kein Problem darstellen, da die meisten ohnehin MVP-Systeme nutzen, die DORA-konform sind.
Technische Umsetzung und BiPRO-Normen
HP: Der EU-Abgeordnete kritisiert die hohen Schnittstellenkosten. Ich würde erwarten, dass die BiPRO-Normen auch für FIDA nutzbar sind bzw. gemacht werden.
MR: Wir predigen seit es FIDA gibt: Wir haben die Normen bereits! Das Datenmodell für die 430.4-Norm, mit der wir betreuende Makler versorgen, kann auch für FIDA genutzt werden. Man kann einfach wiederverwenden, was schon vorhanden ist und was die Branche mit hohen Investitionen über viele Jahre hinweg entwickelt hat.
Was noch fehlt, ist der Berechtigungsprozess. Aber auch dazu sind wir bereits im Gespräch, denn wir haben mit der Maklermandat-Norm 490 bereits einen Standard, der in diese Richtung geht.
easy Login und TGIC wollen ihre Authentifizierung auf andere Datennutzer ausweiten, sodass auch Banken oder Finanzberater eine easy-Login-Authentifizierung erhalten könnten. Das Problem ist eher der Endkunde: Bei durchschnittlich 5-6 Versicherern pro Kunde bräuchte man entsprechend viele Portalzugänge. Das macht kein Mensch!
Vielleicht ist der digitale Personalausweis eine Lösung, denn die junge Generation nutzt ihn bereits häufiger.

HP: Gibt es schon konkrete Pläne für die technische Umsetzung von FIDA?
MR: Es ist ein offenes Geheimnis: Die Versicherungswirtschaft leidet unter hohen Regulierungsaufwänden und ist somit von FIDA nicht besonders begeistert. Es ist aber wohl davon auszugehen, dass FIDA als Vorgabe kommen wird. Deshalb bereitet sich der BiPRO e.V. und die BiPRO-Community auf FIDA vor.
Es gibt auch regelmäßige Gespräche zwischen BiPRO, dem GDV und dem GDV-DL. Der GDV-DL mit der TGIC-Authentifizierung und BiPRO mit den Normen und dem BiPRO-Hub – da lassen sich Synergien für die Branche schaffen. Und BiPRO spricht natürlich auch mit anderen Stakeholdern der Branche, insbesondere den Vermittlerverbänden.
Noch besteht kein Zeitdruck, da FIDA noch nicht beschlossen ist. Aber die Vorgespräche laufen.
Die wahren Profiteure
HP: Ferber warnt vor Datentransfers nach Amerika.
MR: Das ist Schnee von gestern. Die EU-Kommission hat bereits vorgeschlagen, Gatekeeper auszuschließen – genauso wie im Digital Markets Act. Amazon und Co. werden nicht dabei sein. Diese Argumente sind damit überholt. Ich sehe eine größere Gefahr durch Akteure wie Check24, die großen Pools oder die großen Vertriebe. Das sind die Akteure, die eher von FIDA profitieren könnten und die der unabhängige Makler im Blick haben sollte.
HP: Wie wahrscheinlich ist es, dass FIDA kommt?
MR: FIDA wird wohl kommen. Kommissarin Albuquerque hat klar gesagt, dass FIDA für die nächsten fünf Jahre eins der wichtigsten Themen aus dem Finanzbereich ist. Es passt in unsere Zeit – wir müssen in der Digitalisierung besser werden.
Es ist ein falscher Eindruck, dass mehr Bürokratie auf uns zukommt. Das Gegenteil ist der Fall: Wir wollen weniger Bürokratie und weniger manuelle Arbeit, sondern alles digitalisieren. Es ist eine Regulierung, die die Digitalisierung antreibt.
HP: Zusammengefasst bedeutet FIDA für die Versicherer zwar einen zusätzlichen Aufwand, der jedoch durch die bereits getätigten BiPRO-Investitionen abgefedert wird. Und Makler müssen bei Auswahl des MVP-Herstellers darauf achten, ob dieser FIDA-ready ist oder wird.
MR: FIDA bietet dem Mittelstand eine Chance. Derzeit beobachten wir eine zunehmende Konzentration auf große Maklerhäuser oder Pools. FIDA kann eine Chance dafür sein, dass selbstständige, mittelständische Makler auch in Zukunft unabhängig agieren können.
Das ist für den gesamten Markt gut, denn wenn es nur noch große Oligopolisten gibt, wird es auch für Versicherer schwieriger. Unsere Marktvielfalt sollten wir erhalten.
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