#Digisurance - Versicherungsvertrieb im Jahr 2030

Flexperto hat eingeladen und als Softwarehersteller auch eindrucksvoll geliefert. Das gesprochene Wort in der Online-Beratung wird automatisch in Text umgewandelt und zum Beratungsprotokoll. Vorschläge zum Gesprächsverlauf liefert die künstliche Intelligenz, passende Folien und eindrucksvolle Grafiken inzwischen auch. Oder ist das noch Zukunftsmusik, also das Update im übernächsten Monat? 

„Wir sollten weniger über ChatGPT und mehr über die Basisarbeit sprechen.“

Dr. Marco Adelt
Clark Germany GmbH

Dann kam der Vortrag von Marco Adelt. Er ist Ende der 90er Jahre mit gerade mal 15 Jahren in den Versicherungsvertrieb eingestiegen, hat Ausbildung und Studium quasi nebenbei absolviert und war immer nah am Kunden. Hat Clark mitgegründet und kann es sich heute leisten, offen über seine Sicht der Dinge zu sprechen. So konnte er das Gerede über ChatGPT nicht mehr hören, man solle sich lieber um die Basisarbeit kümmern. Das klang interessant und er setzte nach: Skype wird jetzt 20 Jahre alt und die Versicherungsbranche feiert sich dafür, dass sie während der Corona-Zeit online kommuniziert hat. 

Seine 5 Thesen zum Versicherungsvertrieb im Jahr 2030:

1. Neukunden werden über zentrale Intelligenz gewonnen.
In der Vergangenheit dominierte der örtliche Vermittler. Er war im Tennisclub, hat im persönlichen Gespräch den Anstoß für einen Versicherungsbedarf gegeben und beim zweiten Termin den Abschluss getätigt. Heute verbringen die Menschen 65 Stunden pro Woche im Internet, junge Menschen noch mehr. Darauf hat der Vermittler vor Ort keinen Einfluss mehr, er kann nur noch digitale Akzente setzen. Der Kunde stößt auf ein breites Informationsangebot und entwickelt seine eigene Sicht auf den Bedarf.

2. Die Zahl der Versicherungsvermittler wird sich halbieren
Das klingt bedrohlich, ist aber eine Chance für die Branche, das Berufsbild zu überdenken. In Deutschland gibt es 240 Vermittler pro 100.000 Einwohner. Frankreich hat 100, England 15. Das ist eine Überversorgung, die auf Dauer nicht bestehen kann. Adelt empfiehlt die Strukturanalyse des BVK, die zeigt, wie mühselig es für Vermittler ist, erfolgreich zu sein. Früher gab es hohe Provisionen und lukrative Agenturverträge, heute haben viele Vermittler Schwierigkeiten, kostendeckend zu arbeiten. Der Beruf des Vermittlers wird immer unattraktiver, die aktiven Vermittler immer älter. Auch ohne Glaskugel prognostiziert er eine Halbierung bis 2030.

3. Trotz Technologie: Die persönliche Beratung bleibt wichtig
Das kleinteilige Geschäft ist erfolgreich digitalisiert, die Kunden schließen ihre Verträge komplett online ab und kehren nicht mehr in die analoge Welt zurück. Aber ist es betriebswirtschaftlich sinnvoll, den Abschluss für das komplexe Personengeschäft zu digitalisieren? Nein, nicht alles, was technisch machbar ist, ist auch sinnvoll. Nicht immer ist der Computer im Vorteil, menschliches Einfühlungsvermögen und gelebte Verhaltenspsychologie lassen sich nicht durch Algorithmen kopieren. Ein Verkaufsgespräch zwischen Menschen ist eine komplexe Reise, der Computer wird hier immer mehr unterstützen, aber niemals das persönliche Gespräch ersetzen. 

4. Vermittler agieren zunehmend überregional in größeren Einheiten
Von den 200.000 Vermittlern sind 90 Prozent unternehmerisch kleine Einheiten, die sich schwer tun, digitale Kompetenz zu erlangen. Datenbasiertes Marketing bleibt ihnen damit verwehrt, die notwendigen Investitionen in die Technik sind für diese Vermittler nicht tragbar. Daher ist eine Konsolidierung zu erwarten, die überregional stattfinden wird. Corona hat nachhaltig gezeigt, dass man nicht am selben Ort sein muss, um im Team zu arbeiten. Und auch der lokale Vertrieb hat ausgedient. Es wird also größere Einheiten geben, die überregional arbeiten.

5. Vertriebswege im Neugeschäft verschieben sich nachhaltig. 

Der Versicherungsvertrieb in Deutschland ist von der Ausschließlichkeit geprägt, die die heutige Substanz der Versicherungsbestände geschaffen hat. Der AO-Vertrieb war aber immer nur dann stark, wenn die Preis- und Produktdetails intransparent waren. Die Vergleichbarkeit nimmt diesem Vertriebsweg seine Stärke, heute verlässt sich niemand mehr auf eine einzige Informationsquelle. Er sieht den Ausschließlichkeitsvertrieb als großen Verlierer bis 2030, aber nicht alle Kunden werden zu Maklern wechseln, auch die Direktversicherung wird ein Gewinner dieser Entwicklung sein.