Bestandsübertragung: Digitale Prozesse verändern die Maklernachfolge

Über Nachfolgeregelungen und Generationenwechsel in der Maklerschaft wird viel gesprochen. Doch wie genau sieht die praktische Umsetzung im eigenen MVP-System aus? Versicherungsmakler Michael Rauch und Maximilian Würz von PolicenTransfer geben einen Einblick, wie Bestandskäufe in der Praxis ablaufen und welche technischen Hürden es dabei zu meistern gilt.

Bestandskauf als Wachstumsstrategie

Michael Rauch
MIRAfinanzen

Michael Rauch hat seit 2021 bereits viermal Bestände gekauft und seine Erfahrungen sind durchweg positiv. "Ich kann das jedem Makler, der irgendwie wachsen will, ans Herz legen und empfehlen. Ganz egal, zu welchem Faktor ich jetzt gekauft habe, ob 2,5, ob 3 oder sogar 4, für den Maklerbetrieb ist das ein lohnendes Geschäft", betont der Makler aus Franken. Die Rechnung geht auf: "Man darf es nicht zu kurzfristig sehen. Die Bestandscourtagen kommen nicht nur im ersten Jahr herein, sondern auch in den nächsten zehn Jahren."

Der unternehmerische Effekt ging über reine Umsatzzahlen hinaus. "Das Thema Bestandskauf hat mich von der unternehmerischen Entwicklung ein ganzes Stück weitergebracht. Dadurch bin ich einfach schneller größer geworden", erklärt Rauch. Die durch den erworbenen Bestand gewonnene Planungssicherheit ermöglichte ihm die Einstellung von Personal und den Aufbau eines Teams. Zuvor war er lange Zeit als Einzelkämpfer mit einer Minijobberin unterwegs. "Ich hätte den Schritt nicht so schnell gemacht, wenn ich nicht einen großen Bestand dazu bekommen hätte, wodurch ich einfach mehr Sicherheit bei den Einnahmen hatte."

Die Herausforderung übernommener Bestände

Nach dem Kauf steht häufig die Bereinigung an. "Durch die Käufe habe ich auch ein paar Bestände oder Gesellschaften, wo ich nicht so ganz meine Favoriten sehe oder wo die Prozesse nicht wie von mir erwartet laufen", beschreibt Rauch die Herausforderung nach dem Kauf.

Hier kommt die Bestandsumdeckung ins Spiel. Streubestände sollen reduziert und möglichst auf wenige bevorzugte Versicherer konzentriert werden. Moderne Tarifwerke und natürlich auch die Anpassung an das eigene Provisionsniveau sind Ziele dieser Harmonisierung. Für Maximilian Würz von PolicenTransfer ist das ein Hygieneeffekt, also die kontinuierliche Pflege und Aktualisierung des eigenen Bestands.

Digitale Ausschreibung statt Einzelanfragen

Gerade bei Sparten wie Wohngebäude, wo aktuell nicht jeder Versicherer Bestände aufnehmen möchte, stellte sich für Rauch die Frage: Welcher Versicherer nimmt die Verträge? Und zu welchen Konditionen? "Mir hat so ein bisschen auch noch die Erfahrung gefehlt. Im Kfz habe ich ein oder zwei Favoriten, aber im Wohngebäude- und Hausratbereich war es mir schon eine Hilfe, eine Vorauswahl zu haben."

Maximilian Würz
PolicenTransfer

PolicenTransfer fungiert als neutrale Plattform zwischen Makler und Versicherer. Die Software ermöglicht effiziente digitale Ausschreibungen bei rund 60 angebundenen Gesellschaften. "Am Ende des Tages ist das ein Werkzeug, um den Makler zu unterstützen", erläutert Würz das Geschäftsmodell. "Sonst müsste er bei jeder Gesellschaft einzeln anfragen, speziell beim Thema Gebäude anklopfen, ob das gemacht wird oder nicht. Und der Vertrieb sagt dann natürlich gerne zu, aber der Underwriter sagt wieder was anderes."

Dabei können von Produktgebern verschiedene Kriterien angegeben werden: Transfertarif, Provisionshöhe, Prozessqualität, Übernahme der Altprämie und Besitzstandsgarantien (passiv oder aktiv). Der Bestand wird für 60 Tage aktiv ausgeschrieben, der Makler kann eingehende Gebote annehmen oder ablehnen. Erst nach Annahme werden beide Seiten mit vollständigen Kontaktdaten zusammengeführt.

BiPRO-Norm 490: Die technische Realität

Die eigentliche Herausforderung beginnt nach der Vertragsunterzeichnung: Die Integration in das bestehende Maklerverwaltungsprogramm. Rauch nutzt Fonds Finanz als Pool und Professional Works als MVP-System. Seine Erfahrung zeigt: Bestandsübertragungen laufen nicht per Knopfdruck.

"Das ist manchmal ein bisschen schwierig", beschreibt er die Praxis. "Über einen gewissen Zeitraum hinweg können beide Verträge quasi gleichzeitig im System erscheinen, also sowohl der Alt- als auch der Neuvertrag." Die Qualität der Datenlieferungen per BiPRO- und GDV-Format variiert stark zwischen den Gesellschaften. "Je nachdem, wie schnell die Gesellschaft liefert, ob täglich oder monatlich. Manche liefern nach wie vor gar nichts oder gefühlt nichts."

Die BiPRO-Norm 490 "Wechsel Maklermandat" soll genau solche Prozesse standardisieren und automatisieren. Würz bestätigt allerdings: "Vor 24 Monaten war da extremer Rückstand bei vielen Gesellschaften bei der Umschlüsselung der Verträge in der Maklerverwaltung." Viele Versicherer hätten deshalb großes Interesse gezeigt, den Prozess zu automatisieren, die praktische Umsetzung hinkt jedoch noch hinterher. "Man muss sich darauf einstellen, auch mal händisch nachzuarbeiten", resümiert Rauch pragmatisch. "Das mag niemand, aber das ist die Realität."

MVP-System und technische Standards als Auswahlkriterium

Bei der Ausschreibung über PolicenTransfer werden technische Standards wie GDV, BiPRO 430.1 oder BiPRO 430.4 sowie das vom Makler genutzte MVP-System angegeben. "Wir hatten Makler mit Professional Works, mit Salesforce oder dem System von JDC", berichtet Würz. "Das wird in der Ausschreibung auch immer platziert, denn das Thema Datenbelieferung ist ein sehr wichtiges Selektionskriterium."

Die Praxis zeigt: "Die meisten Makler bewerten die Prozessqualität mittlerweile höher als den letzten halben Prozentpunkt Courtage", bestätigt Würz. Maklerversicherer, die eng mit Maklern zusammenarbeiten, seien hier meist gut aufgestellt. "Da stehen in der Regel die BiPRO-Prozesse." Schwieriger wird es bei neu gegründeten Assekuradeuren, "die vielleicht erst mal den Fokus auf Vertrieb und Produktentwicklung gelegt haben, und dann merken: Oh, wir haben da vielleicht auch noch digitale Services im Nachgang an die Rampe zu stellen."

Auch Versicherer in der Systemumstellung können Probleme bereiten: "Wir hören häufiger, dass für diese Tarifgeneration noch kein BiPRO geliefert werden kann, weil gerade eine Umstellung läuft."

Persönlicher Service trotz Digitalisierung

Trotz aller technischen Möglichkeiten überrascht Rauchs klare Haltung zum Thema Personal. Er geht nicht den Weg maximaler Automatisierung, sondern setzt auf persönliche Betreuung. "Ich möchte kein reiner Bestandsabwickler werden, bei dem jeder Kunde nur eine Nummer ist", stellt er klar. "Jeder Kunde hat einen persönlichen Ansprechpartner und nicht bloß irgendwie eine Telefon-KI."

Dabei nutzt er natürlich auch die KI, etwa für E-Mail-Formulierungen oder automatische Dateneinspielung ins MVP. Reine Verwaltungstätigkeiten wie früher, "als nur die Post geöffnet und alles ins MVP eingespielt wurde. Das habe ich gar nicht mehr." Stattdessen arbeiten alle Mitarbeiter direkt mit Kunden: "Keiner hat ganz reine Verwaltungstätigkeiten."

Seine Konsequenz: "Wenn man entsprechenden Bestand kauft in der entsprechenden Größe, dann sollte da einfach ein Mitarbeiter dafür da sein." Digitale Tools sollen mehr Zeit für Betreuung schaffen, nicht Personal einsparen.

Die Chemie entscheidet über den Erfolg

Bleibt die Frage, wie Verkäufer und Käufer zueinander finden. Rauch empfiehlt, das eigene Netzwerk zu aktivieren: Makler- und Pool-Betreuer ansprechen, Online-Plattformen nutzen und "möglichst vielen davon erzählen, dass man kaufen möchte."

Entscheidend ist dann das persönliche Gespräch. Von sechs Terminen mit potenziellen Verkäufern führten vier zum Abschluss. "Bei den zwei anderen habe ich gleich von Anfang an gewusst, dass die Chemie einfach nicht passt." Die Kunden seien oft ähnlich wie der Berater, deshalb müsse es auch menschlich zwischen altem und neuem Makler passen.

Beim Kaufpreis rät er von übermäßigem Feilschen ab: "Ich glaube nicht, dass es am Ende darauf ankommt, ob man 3,0, 3,1 oder 3,2 zahlt. Das Entscheidende ist, dass sich das alles rechnet. Ob man da jetzt das eigene Glücksgefühl noch steigert, weil man 0,1 rausgeholt hat – die meisten können ganz gut einschätzen, was ihr Bestand wert ist."

Wichtig sei auch die Verantwortung gegenüber den Kunden: "Das sind ja oftmals Kunden, die man 20 oder 30 Jahre lang kennt. Der abgebende Makler möchte auch das Gefühl haben, dass die Kunden weiterhin gut betreut sind und er ihnen in die Augen schauen kann."

Sukzessive Übergabe als Alternative

Eine interessante Alternative zum direkten Kauf ist die schrittweise Übergabe. Rauch hat aktuell eine solche Vereinbarung mit einem 60-jährigen Kollegen: "Der ist ganz allein unterwegs und hat mich gefragt: Was ist, wenn ich mal krank bin oder länger ausfalle? Oder er einfach mal in den Urlaub geht?"

Die Lösung: Rauch stellt seine Bürokraft quasi zur Verfügung, abgegolten über einen Provisionssplit. "Wir arbeiten nach und nach immer mehr zusammen, bis ich dann am Ende den Bestand auch komplett übernehme." So entsteht Vertrauen und der Übergang wird für alle Beteiligten planbar.

Die große Welle steht noch bevor

Die Nachfolgewelle steht erst noch bevor. Würz schätzt: "Die große Welle wird erst in fünf bis zehn Jahren kommen. Dann müssen natürlich auch die entsprechenden Gesellschaften vorbereitet sein, um das effizient abwickeln zu können." Die Versicherer, die heute in BiPRO-Norm 490 und moderne Prozesse investieren, werden morgen einen klaren Wettbewerbsvorteil haben.

Rauch beobachtet die Altersstruktur seit Beginn seiner Tätigkeit vor 21 Jahren und bestätigt diese Entwicklung: "Ich habe damals schon gelesen, der Durchschnittsmakler ist zehn Jahre älter als ich. Das ist heutzutage immer noch so gefühlt – die Welle ist einfach da vorne dran."

Neben den großen Transaktionen, über die täglich in den Branchenmedien berichtet wird, sieht er auch Chancen für kleinere Makler: "Es gibt auch genug kleine Makler mit einem normalen Kundenstamm von 300, 400 Kunden. Für jeden kann das interessant sein, wenn er wachsen möchte. Da kann man sich von so vielen anderen Akquisewegen ein Stück abschneiden."

Technische Vorbereitung wird entscheidend

In den kommenden Jahren wird sich zeigen, welche Versicherer und Makler für die Nachfolgewelle gerüstet sind. Dabei werden die prozessuale Unterstützung und insbesondere die BiPRO-Normen 490 für den Maklerwechsel sowie die Normen für die Datenbelieferung zum Erfolgsfaktor.

Kaufinteressierten Maklern wird empfohlen, frühzeitig auf ein leistungsfähiges MVP-System zu setzen und Geschäftspartner auch nach deren technischen Prozessfähigkeit auszuwählen. Denn am Ende entscheidet nicht nur der Kaufpreis über den Erfolg, sondern auch die Fähigkeit, übernommene Bestände effizient zu integrieren und zukunftssicher zu betreuen.

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